Wer kümmert sich um rechtliche Angelegenheiten, wenn man es selbst nicht mehr kann?
Bild: Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
Wenn eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann (und sofern andere Unterstützungsmöglichkeiten nicht ausreichen), bestellt das Betreuungsgericht nach entsprechender Prüfung eine gesetzliche Vertretung für die betroffene Person (bis 1991 Vormund genannt).
Der Leiter der Betreuungsbehörde Michael Sarge erklärt deren Aufgabenbereiche: Das größte Arbeitsgebiet stellt die Begleitung- und Ermittlung für das Amtsgericht in Betreuungsverfahren dar. Eine rechtliche Betreuung greift dann, wenn volljährige Menschen Dinge aufgrund einer physischen oder psychischen Krankheit oder Behinderung nicht mehr selbst regeln können. Dies betrifft eine Vielzahl von Lebensbereichen, von der Verwaltung eines Bankkontos, über Entscheidungen im gesundheitlichen Bereich, bis hin zu administrativen Vorgängen, wie der Schließung eines Mietvertrages oder dem Stellen von Anträgen bei Ämtern und Behörden.
Michael Sarge ist seit zwei Jahren Leiter der Betreuungsbehörde im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Schon vorher war der 40-Jährige als rechtlicher Betreuer in einem Betreuungsverein tätig. Nach seinem Studium als Sozialarbeiter war Herr Sarge zunächst in mehreren sozialen Einrichtungen, wie zum Beispiel einer Heimeinrichtung für Menschen mit Behinderung in Berlin oder einer Einrichtung in Irland, tätig. Besonders reizt ihn die Gleichzeitigkeit seiner administrativen Aufgaben als Leitung und das praktische Eingebundensein in die Ermittlungen in Betreuungsverfahren. „Ich brauche diesen Praxisbezug, ich brauche dieses Rausgehen zu den Menschen“, erklärt Michael Sarge. Für ihn und seine derzeit 8 Kolleg*innen ist es immer wieder besonders schön, den Menschen etwas mitgeben und sie manchmal auch praktisch unterstützen zu können.
Während Hilfe im Alltag zum Beispiel durch die Träger der Teilhabe, Pflegedienste oder die Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen erfolgt, geht es im Verantwortungsbereich der Betreuungsbehörde um rein rechtliche Angelegenheiten. „Die rechtliche Betreuung steht am Ende der Hilfekette, wenn viele andere Unterstützungsmaßnahmen krankheitsbedingt nicht mehr funktionieren- oder bereits nicht funktioniert haben. In Betreuungsverfahren geht es darum, dass vom Amtsgericht nach Außen jemand benannt wird, der für die Menschen Entscheidungen treffen darf.“
Besser selber vorsorgen als es anderen zu überlassen.
Im Rahmen einer rechtlichen Betreuung gibt es zwei Varianten: Wenn die betroffene Person in der Lage ist, selbst jemanden zu benennen, kann sie eine sogenannte Vorsorge-Vollmacht erteilen. Diese ist auch für enge Angehörige notwendig, wenn diese eine Betreuung in rechtsverbindlichen Entscheidungen übernehmen sollen. In der Vorsorge-Vollmacht regelt der Betreute, wer Bevollmächtigte*r sein soll und welche Entscheidungen diese Person treffen kann. Die Vorsorge-Vollmacht ermöglicht der betroffenen Person damit ein hohes Maß an Selbstbestimmung.
Kann eine rechtskräftige Vorsorge-Vollmacht, zum Beispiel aus krankheitsbedingten Gründen, nicht erteilt werden und damit keine Vertrauensperson von dem*der Betroffenen als bevollmächtigte Person benannt werden, dann kann eine rechtliche Betreuung notwendig werden. Die Betreuungsbehörde ist hierbei beteiligt an den Ermittlungen im Betreuungsverfahren. „Das ist tatsächlich der größte Part unserer Arbeit. Nach Aufforderung durch das Amtsgericht, erstellen wir in der Regel einen sogenannten Sozialbericht. In diesem wird die Lebenssituation einer Person erfasst und der Hilfebedarf analysiert.“. Die Entscheidung über eine Betreuung trifft am Ende das Amtsgericht, nachdem es noch ein ärztliches Gutachten über die Person eingeholt- und den Menschen selbst abschließend angehört hat.
Im Bezirksamt hat der Bereich -Betreuung- eine Sonderrolle. „Wir sind die Ermittlungsbehörde des Amtsgerichts und werden im Verfahren auch vom Amtsgericht gefragt, wen wir als Betreuer oder Betreuerin vorschlagen“, ordnet Herr Sarge die dem Bezirk per Gesetz zugeordneten Aufgaben ein. Da eine rechtliche Betreuung auch immer einen Eingriff in die Grundrechte des*der Betroffenen bedeutet, ist es ihm wichtig zu betonen, dass er gemeinsam mit seinem Team die elementare Aufgabe übernimmt, den betroffenen Personen eine Stimme im Betreuungsverfahren zu geben und zu prüfen, ob eine Betreuung notwendig und angemessen erscheint. „Wir machen uns das in keinem Sachverhalt einfach und prüfen immer kritisch, ob eine Betreuung mit den einhergehenden Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte notwendig ist.“.
Einen besonderen Fall stellt die sogenannte Eilbetreuung dar. Diese kommt zum Tragen, wenn eine Person zum Beispiel akut medizinisch behandelt werden muss, aber nicht absprachefähig ist und keine Ehepartner (seit 2023: Ehegattenvertretungsrecht) oder Bevollmächtigte bekannt sind. In diesen Fällen kann für einen Zeitraum von maximal sechs Monaten durch das Amtsgericht im Schnellverfahren eine rechtliche Betreuung eingerichtet werden. „Das findet tatsächlich ziemlich oft statt“, berichtet Herr Sarge.
Die Betreuungsbehörde Friedrichshain- Kreuzberg besteht aus neun Kolleg*innen, davon drei Sozialpädagog*innen, zwei Jurist*innen, eine Pflegefachwirtin, ein Betriebswirtschaftler und zwei Verwaltungsangestellte. Damit sind die Kolleg*innen fachlich sehr gut aufgestellt, denn die rechtliche Betreuung berührt neben den medizinischen- und juristischen Aspekten auch viele Themen der Sozialarbeit. Im Jahr 2023 haben die Kolleg*innen 1.297 Aufträge durch das Amtsgericht in Betreuungsverfahren bearbeitet. Seit 2020 gab es einen Anstieg der Auftragszahlen um 14 Prozent, dies führt Michael Sarge unter anderem auch auf die sozioökonomischen Veränderungen im Bezirk oder die Folgen der Corona- Pandemie zurück.
Das Team ist häufig im Außeneinsatz, zum Beispiel in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder bei den betroffenen Menschen zu Hause. Innerhalb des Sozialamtes finden sich zahlreiche Überschneidungspunkte mit anderen Fachbereichen, da im Verfahren auch geprüft wird, welche Möglichkeiten bestehen, eine rechtliche Betreuung zu vermeiden. Zwei Kolleg*innen sind auch selbst als Amtsbetreuer*innen im Namen des Bezirksamtes tätig. Sie werden dann eingesetzt, wenn keine ehrenamtliche- oder berufliche Betreuung gefunden werden kann.
Ein weiteres Tätigkeitsfeld des Fachbereichs ist die Unterstützung von rechtlichen Betreuer*innen bei betreuungsgerichtlichen Unterbringungen im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Diese werden durchgeführt, wenn das Gericht beispielsweise die Einweisung einer psychisch kranken Person in eine Klinik anordnet. Dabei arbeitet die Behörde als anordnende Stelle eng mit der Polizei zusammen und begleitet die Unterbringungstermine. „Das sind Situationen, die keiner von uns mag, die wirklich keiner gerne macht, die aber zum Glück nicht so oft vorkommen“, erklärt Herr Sarge.
Wer kann ein rechtlicher Betreuer oder eine rechtliche Betreuerin werden?
Wer eine rechtliche Betreuung von Berufs wegen übernehmen kann, habe sich extrem gewandelt, berichtet Michael Sarge. „Früher hätte man gesagt, jeder kann grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen Berufsbetreuer werden“. Berlinweit gab es zuvor ein gesamtstädtisches Eignungsverfahren. Seit 2023 müssen Berufsbetreuer*innen durch die bezirklich zuständige Betreuungsbehörde (Stammbehörde) registriert werden.
Menschen mit einer sozialpädagogischen- oder volljuristischen Ausbildung können, wenn sie die formellen Anforderungen erfüllen, relativ problemlos Berufsbetreuer*in werden. Personen mit anderen Qualifikationen müssen seit 2023 einen Sachkundenachweis liefern, um als beruflich tätige Betreuer*innen tätig werden zu können.
Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind derzeit 53 Berufsbetreuer*innen registriert. Neue Berufsbetreuer*innen werden immer gesucht, da zahlreiche aktive Betreuer*innen in den kommenden Jahren vermutlich in den Ruhestand gehen werden. Das hängt auch damit zusammen, dass eine Berufsbetreuung in der Regel keine Tätigkeit ist, die Menschen am Anfang ihrer beruflichen Karriere machen. „Man sollte schon eine gewisse Lebenserfahrung mitbringen“, berichtet Herr Sarge.
In Friedrichshain-Kreuzberg ist zusätzlich der Betreuungsverein des Kommunalen Bildungswerk e.V. im Bereich Betreuung tätig. Neben dort ansässigen Betreuer*innen, organisiert der Verein auch Fortbildungen für ehrenamtliche Betreuer*innen. Diese müssen volljährig und geschäftsfähig sein, in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen leben und mehrere Stunden pro Woche für diese Tätigkeit aufbringen können. Im Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg sind vorwiegend Familienangehörige als ehrenamtliche*r Betreuer*innen tätig.
„Jeder sollte sich mit dem Thema Vorsorgevollmacht beschäftigen, nicht erst im Alter!“
Neben den genannten Aufgaben übernimmt das Team auch die Beratung von Personen, die sich über eine Vorsorgevollmacht oder eine rechtliche Betreuung informieren möchten. Eine Vorsorgevollmacht erlaubt es einer anderen Person, Dinge für die, die Vollmacht gebende, Person zu regeln. Als öffentliche Aufgabe bietet die Betreuungsbehörde Beglaubigungen von Unterschriften unter Vorsorgevollmachten an. Eine Beglaubigung ist im Rechtsverkehr aber nicht zwingend notwendig, denn eine Vollmacht gilt ab der Unterschrift desjenigen, der*die sie erteilt. „Jeder sollte sich mit dem Thema Vorsorgevollmacht beschäftigen, nicht erst im Alter.
Eine Vorsorgevollmacht oder eine Betreuungsverfügung gibt den Menschen die Möglichkeit, selbstständig zu entscheiden, wer sie in welchen Bereichen rechtlich vertreten soll“. Grundsätzlich kann eine Vorsorgevollmacht auch formlos erfolgen, hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass wichtige Dinge vergessen werden, die in einer Vorsorgevollmacht geregelt werden sollten.
Hier findet sich einen Vordruck für eine Vorsorgevollmacht, die viele Lebensbereiche abdeckt. Ausnahme sind hierbei Bankgeschäfte und Immobilienangelegenheiten, zu denen gesonderte Vollmachten aufgesetzt- oder notarielle Beglaubigungen vorgenommen werden sollten.
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