Fachexkursion nach Hamburg: Zukunft Gewerbe und Handwerk in der Stadt
Bild: LOKATION:S
Wie sichert man bei steigenden Boden- und Immobilienpreisen auch zukünftig Standorte für Handwerk und Produktion in innerstädtischen Bereichen, die wichtige Funktionen der Versorgung für angrenzende Stadtquartiere übernehmen? Vor dieser Herausforderung steht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zunehmend. Auf der Suche nach guten Beispielen sind die Stadträte Andy Hehmke und Florian Schmidt gemeinsam nach Hamburg gefahren.
Auf der Suche nach neuen Anregungen von außen waren die Bezirksstadträte gemeinsam mit Vertreter*innen aus den Fachverwaltungen für Wirtschaftsförderung und Stadtplanung und dem bezirklichen Gewerbeflächenmanagement am 8. und 9. August zur Fachexkursion in Hamburg.
Begleitet von einem Hamburger Kollegen der Senatsverwaltung für Wirtschaft tauschten sich die Gäste mit Macher*innen vor Ort zu konkreten Strategien für die Sicherung von Gewerbeflächen und zu beispielhaften Entwicklungen von Gewerbehöfen aus, die auch für Berlin interessant sind.
Der Staatstaat Hamburg muss sich mit ähnlichen urbanen Entwicklungstrends und Herausforderungen, wie der Verdrängung von kleinen Handwerks- und Produktionsbetrieben sowie steigenden Bodenpreisen, auseinandersetzen. Über unterschiedliche Initiativen der Stadt, der Handwerkskammer, von Genossenschaften und von Handwerksbetrieben selbst initiierte Projekte, wurden innovative Antworten entwickelt und in die Praxis umgesetzt. Besichtigt wurden acht Gewerbehöfe, darunter die MEISTERMEILE, der Handwerkerhof Ottensen oder das Areal der Kolbenwerk eG. Dabei lag der Fokus immer wieder auf Fragen zur Sicherung von produzierendem Gewerbe und Handwerk in der Stadt, zeitgemäßen baulichen Lösungen, planungsrechtliche und finanzielle Belange sowie auch die Übertragbarkeit auf konkrete Standorte im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.
Eine wesentliche Grundlage der ämterübergreifenden Fachexkursion stellt das 2017 beschlossene Gewerbeflächenentwicklungskonzept des Bezirkes. Bislang in Berlin einmalig, sind darin dreizehn konkrete Potenzialflächen für die Sicherung und Entwicklung gewerbli-cher Nutzungen im Stadtbezirk definiert. Angeregt, vorbereitet und begleitet hat die Fachex-kursion das seit November 2018 mit dem Gewerbeflächenmanagement und der Umsetzung des Gewerbeflächenentwicklungskonzeptes im Friedrichshain-Kreuzberg beauftragte Standortentwicklungsbüro LOKATION:S.
Bereits in Hamburg haben die Berliner Besucher ihre Eindrücke und Erkenntnisse intensiv diskutiert. Man müsse weniger Angst vor dem Nebeneinander von Nutzungen haben, mit baulichen Lösungen zur Lärmabschirmung seien „back-to-back“ (Rücken an Rücken) Nutzungen möglich, zeigt die Besichtigung der MEISTERMEILE.
Natürlich gibt es keine Pauschallösung für einzelne Standorte in Friedrichshain-Kreuzberg, wie auch berlinweit. Für jeden Standort muss eine eigene Rezeptur entwickelt und mit Partnern umgesetzt werden, so etwa der Eigentümerstruktur, Nutzungsmischung oder des geeigneten Betreibermodells. Bezahlbare und von Handwerksbetrieben akzeptierbare Mieten sind jedoch in Berlin, wie auch in Hamburg, von öffentlicher Förderung oder Aushandlungsprozessen zwischen Fachebenen, Politik, Unternehmen und Eigentümern abhängig.
Vergleichbar zum kooperativen Berliner Modell für Wohnentwicklungen haben die Teilnehmer*innen schon vor Ort erste Gedanken zur rechtlichen Sicherung von Handwerk und Gewerbe in Bebauungsplanverfahren nachgedacht. Dies erfordert aber Anstrengungen und Lösungen auf Berliner Ebene in der „schutzwürdige“ gewerblich-handwerkliche Nutzungsarten bestimmt und begründet werden können. In der öffentlichen Diskussion besteht weithin Konsens zum Erhalt der „Berliner Mischung“, doch die Entwicklungen auf dem Bodenmarkt und neue unternehmerische Konzepte erfordert für die Praxis neue Lösungen. Längst haben sich viele Handwerksbetriebe zu innovativen Unternehmen entwickelt.
Eine abgestimmte Flächenkulisse für Aushandlungen aller Bedarfe der Fachämter des Bezirks könnte eine solide Grundlage gerade auch für Verhandlungen mit Investoren, Projektentwicklern oder Eigentümern bilden: Kleinteilig nutzbare Räume müssen im öffentlichen Besitz bleiben und gesichert werden, damit der Bezirk handlungsfähig bleibt und auf zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen strategisch antworten kann.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist bei den Themen Gewerbeflächensicherung und -entwicklung ein Vorreiter in Berlin. Mit dem Stadtentwicklungsplan Wirtschaft und dem Leitfaden für bezirkliche Wirtschaftsflächenkonzepte haben die beiden Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Wohnen sowie für Wirtschaft, Energie und Betriebe gute Grundlage für heutige und künftige Herausforderungen in Berlin gelegt. Der gegenwärtig sehr hohe Handlungsdruck der wachsenden Metropole Berlin in den Bereichen Wohnen und Daseinsvorsorge sowie die enormen Konkurrenzen zwischen Flächen- bzw. Nutzungsansprüchen öffentlicher und privater Akteure darf lokales Handwerk und Produktion im Sinne der ge-werblichen Daseinsvorsorge und einer Stadt der kurzen Wege nicht vernachlässigen.