Ludger Hellweg berichtet aus London

London Barnet

Bericht vom 01.11.2023

Der Montag stand mir zur freien Verfügung. Ich nutzte die Zeit, um eine Präsentation vorzubereiten, zu der ich am Mittwoch eingeladen hatte, um meinen Kollegen in Barnet die Grundzüge der Planung in Deutschland vorzustellen.

Am Dienstag war ich mit meinem Kollegen Andrew im Zentrum des Stadtteils Edgware in Barnet. Hier soll anstelle eines Einkaufszentrums ein Projekt mit 30 Wohntürmen entstehen. Dort trafen wir eine Gruppe besorgter Anwohner, die ihre Bedenken gegen das Projekt vortrugen. Die Bandbreite reichte von Zustimmung in kleinerem Rahmen bis hin zur absoluten Ablehnung des Projekts. Andrew hörte sich alle Bedenken an, stimmte in vielen Punkten zu, machte aber auch klar, dass das Projekt fortgeführt wird.

Den Mittwochvormittag verbrachte ich mit den Kollegen der Policy Group. Diese erarbeiten auf der Grundlage des sogenannten London Plan einen Barnet Plan. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von Maßnahmen, Zielen und Empfehlungen für die integrierte Entwicklung des Bezirks.
Am Nachmittag hielt ich meinen Vortrag über das Planungssystem in Deutschland und beschrieb meine Aufgabe in der Verwaltung. Nach dem Vortrag entwickelte sich eine Diskussion über das Verständnis von Planung. Während in Deutschland die Bauleitplanung die städtebauliche Entwicklung sehr detailliert steuern kann und die Planung auch stark einschränkt, wenn sie nicht für notwendig erachtet wird, versuchen die Planer im Borough of Barnet Projekte zu ermöglichen und Vermittler von Veränderungen zu sein. Dies führt dazu, dass viele Bauprojekte ermöglicht werden, aber ich hatte auch den Eindruck, dass sich einige städtebauliche Projekte sehr stark von den bestehenden Stadtstrukturen abheben und ein kohärentes Placemaking sehr herausfordernd wird.

Am Donnerstagmorgen traf ich mich mit meiner Kollegin Basya, die im Enforcement-Team arbeitet. Wir fuhren mit ihrem Auto durch den Bezirk, um die Beschwerden der Anwohner zu bearbeiten. Wir waren fast ausschließlich bei Reihenhäusern oder Einfamilienhäusern, wo es Nachbarschaftskonflikte gab, die stark an ähnliche Konflikte in Deutschland erinnerten. Es ging um verwilderte Vorgärten, zu hohe Gartenzäune und Fenster, die ohne Genehmigung zum Nachbargrundstück hin gebaut wurden. Auch wenn es spannend war, diesen Teil der Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen, bin ich doch froh, dass ich mich in Deutschland nicht damit beschäftigen muss, denn die Stimmung war teilweise sehr aufgeheizt.

Am Donnerstagnachmittag war ich bei der Bürgermeisterin von Barnet zum Tee eingeladen. Es war ein überraschend entspanntes Gespräch, bei dem es nicht nur um Stadtplanung ging, sondern auch um Essensvorlieben, Reisen und die Arbeit der Bürgermeisterin.

An meinem letzten Tag, dem Freitag, lud mich mein Kollege Ashley vom Development Management Team zu einem Spaziergang durch den Hampstead Garden Suburb ein, ein britisches Gartenstadtprojekt aus dem frühen 20. Jahrhundert, das durch seine Ruhe und Schönheit besticht. Nach dem Spaziergang kehrten wir in einem Pub ein, eine weitere Kollegin gesellte sich zu uns, und wir tranken ein Pint Bier, um meinen Aufenthalt im Bezirk ausklingen zu lassen.

Es war eine einzigartige Erfahrung, die mich sowohl beruflich als auch persönlich sehr bereichert hat. Farewell, Barnet, ich komme sicher wieder!

London

Bericht vom 16.10.2023

Der Montag begann mit einer Einführung zum Thema “Obligations and Infratructure Planning”, übersetzt “Verpflichtungen und Infrastrukturplanung”. Letztendlich ist das mit der Angelegenheit betraute Team dafür zuständig, von Projektentwicklern eine Gebühr zur Schaffung von Infrastruktur für die Bevölkerung zu erheben. Bei Projektentwicklungen wird eine Gebühr pro Quadratmeter Neubaufläche erhoben. Außerdem verhandelt das Team mit den Projektentwicklern über die Infrastruktur, die sie gegebenenfalls selbst errichten können. Den Nachmittag verbrachte ich mit meinem Kollegen Nathan, der sich um den Umweltschutz bei Bauprojekten kümmert. Bei einem Treffen diskutierten Projektentwickler und Behördenvertreter über Kanadagänse, die möglicherweise auf eine Baustelle zurückkehren und dort brüten könnten. Da brütende Vögel geschützt sind, könnte dies zu Verzögerungen führen.

Am Dienstagmorgen erklärte mir mein Kollege Richard, wie bezahlbarer Wohnraum als Auflage für größere Projektentwicklungen umgesetzt wird. Es gibt gesetzliche Verpflichtungen, wie viele Wohneinheiten von Projektentwicklern zum Selbstkostenpreis betrieben oder verkauft werden müssen. Es gibt jedoch eine Varianz in der Bereitstellung, wenn das Projekt sonst nicht rentabel wäre. Richards Aufgabe ist es, für den Borough of Barnet entsprechende Berechnungen von Projektentwicklern zu überprüfen und möglicherweise Kompromisse zu finden. Am Dienstagnachmittag war ich mit meinen Kolleginnen Eva und Emily in Barnet, dem namensgebenden Stadtteil des Borough of Barnet. Als Schüler hatte ich dort einen Austausch gemacht. Eva und Emily zeigten mir, wie sich der Stadtteil in den letzten Jahrzehnten verändert hat und welche aktuellen Projekte dort stattfinden.

Am Mittwoch hatte ich die Gelegenheit, bei einem Projektentwickler in der City of London an einem sogenannten PreApp Meeting teilzunehmen, bei dem Gestaltungsideen für ein größeres Bauvorhaben im Stadtteil Finchley diskutiert wurden. An dem Treffen nahmen drei Städtebauer des Borough of Barnet und ein Stadtplaner teil. Wie auch bei anderen Treffen wurde häufig auf die Anzahl der Stockwerke und die Massivität der Baukörper hingewiesen, die nicht in die umgebende Struktur passten. Die Projektentwickler möchten die maximale Geschossfläche auf einem Grundstück erreichen, um die Profite zu maximieren, und versuchen, durch den PreApp-Prozess herauszufinden, wie weit sie gehen können.

Am Donnerstag war eigentlich ein Spaziergang durch den Hampstead Garden Suburb geplant, einem besonders schönen Stadtteil des Bezirks. Aber das Wetter ließ das nicht zu und so habe ich mir stattdessen den London Plan angeschaut, eine Sammlung von Richtlinien, die die Entwicklung der Stadt lenken sollen. Am Nachmittag habe ich eine allgemeine Einführung in den PreApp-Prozess bekommen. Dabei handelt es sich um eine kostenpflichtige Dienstleistung, die Projektentwickler in Anspruch nehmen können, um sicherzustellen, dass ihr Bauantrag den Genehmigungsanforderungen entspricht. Außerdem erhielt ich einen Überblick über eine weitere kostenpflichtige Dienstleistung, den sogenannten Fast Track, bei dem Bauanträge gegen Gebühr innerhalb von 6 Wochen geprüft werden.

Am Freitag nahm ich an einem weiteren PreApp-Treffen teil, bei dem der Projektentwickler wieder zu viele Wohneinheiten auf einem sehr kleinen Grundstück errichten wollte. Tania, die Projektleiterin aus Barnet, musste darauf hinweisen, dass der Baukörper zu massiv ist.

London

Bericht vom 10.10.2023

Die erste Woche begann mit dem IT-Setup. Meine Betreuerin im Borough of Barnet teilte mir vorab per Mail mit, dass ich einfach um 11 Uhr an der Rezeption erscheinen und nach meinem Termin mit der IT-Abteilung fragen solle. Das war einfach, aber der zuständige Mitarbeiter konnte den PC nicht einrichten und sagte mir, ich solle einfach am Nachmittag wiederkommen. Gesagt, getan und als ich am Nachmittag zurückkam, suchte mich schon das halbe Büro, da die IT-Abteilung niemanden informiert hatte. Sarah, die mir eine Einführung geben sollte, freute sich, mich nach Stunden zu finden und stellte mich allen im Großraumbüro vor. Dazu muss man wissen, dass die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur ein bis zwei Tage im Büro arbeiten und so tauchten in der ersten Woche täglich neue Kolleginnen und Kollegen auf, die ich kennenlernen durfte.

Nach der Einführungsrunde übergab mich Sarah an das Brent Cross Team, das eine Projektentwicklung mit 7.500 Wohneinheiten im Borough of Barnet begleitet. Ihr aktueller Arbeitsschwerpunkt war die Änderung der Baugenehmigung für eine Grünfläche, auf der Sportflächen entstehen sollten. Am Dienstag war ich mit dem Projektleiter des Brent Cross Teams und Lokalpolitikern vor Ort, um die Auswirkungen der Änderungen auf die Anwohner zu diskutieren. Abschließend fand am Mittwoch eine Abendveranstaltung statt, an der ich teilnehmen durfte und bei der Politiker, Anwohner und Planer ihre Meinung zu dem Projekt äußern konnten.

Am Mittwoch hatte ich die Gelegenheit, das sogenannte Enforcement Team kennenzulernen, das sich um die Durchsetzung und Einhaltung der Regeln im Borough of Barnet kümmert. Sie können Bußgelder verhängen, Rückbauanweisungen geben und sogar eigene Handwerker beauftragen, wenn es die Situation erfordert. Der Teamtag endete mit der Besichtigung eines denkmalgeschützten Gebäudes, das langsam verfällt. Der zuständige Sachbearbeiter vermutet, dass der Eigentümer das Gebäude verfallen lässt, um es abreißen zu können, da das Grundstück ohne das Haus ein Vielfaches wert wäre.

Am Donnerstagmorgen war ich mit dem Pre-App Team im Londoner Grüngürtel. Das Pre-App Team berät Bauherren bei der Beantragung von Baugenehmigungen, um Ablehnungen von vornherein zu vermeiden. Die Bauherren möchten ein denkmalgeschütztes Gebäude aus dem 19. Jahrhundert für eine wohlhabende Londoner Familie entwickeln und wollten wissen, inwieweit sie in die historische Bausubstanz eingreifen dürfen und ob sie geschützte Bäume fällen können, sofern Ausgleichsmaßnahmen angeboten werden.

Am Donnerstagnachmittag fuhr ich dann mit dem Baumbeauftragten des Bezirks in die Bishop’s Avenue, eine der teuersten Wohnstraßen Londons, weil sich ein Anwohner über ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück beschwert hatte. Hier sollten neu zu pflanzende Bäume die Sichtbeziehungen zwischen den Grundstücken verhindern. Dies konnte jedoch vom Projektentwickler nicht umgesetzt werden, da entsprechende Bäume nicht gepflanzt werden konnten. Das Thema an sich war sehr spannend, aber noch spannender war der Einblick in das Haus auf dem Grundstück, in das wir geführt wurden, um die Sichtbeziehungen zu überprüfen. Es handelte sich um ein Haus in einer Dimension, wie ich sie sonst nur aus Filmen kenne.

Am Freitag war ich morgens mit dem Ingenieurteam verabredet. Ein Mitarbeiter, Miguel, nahm mich direkt mit zu einer Baustelle in der Nähe des Büros. Im 16. Stock eines Gebäudes überprüfte er ein Stahlnetz, das mit Beton gefüllt werden sollte, auf Fehler. Nach dem Mittagessen erklärte mir Miguel, wie man Stützenlasten berechnet und ließ mich exemplarisch für das Projekt die Last einer Stütze berechnen. Mein Ergebnis lag weit daneben, aber es war interessanter und spannender als ich gedacht hatte.