Spontaneous Order GmbH - STILNEST Berlin

Julian Leitloff (links) und Tim Bibow gründeten Stilnest 2013 gemeinsam mit vier Freunden. Im Hintergrund die Bildergalerie der Designer, mit denen das Unternehmen zusammenarbeitet.

Filigrane Goldringe aus dem Drucker
Das Berliner Start-up Stilnest fertigt die Schmuckideen von über 100 Designern auf Kundenwunsch

Modischer Schmuck aus Gold und Silber aus dem Drucker? Was anfangs nach einem Widerspruch klingt, ist für ein Berliner Start-up Realität. Bei Stilnest in Berlin-Kreuzberg münden traditionelle Juwelierkunst und modernste 3D-Drucktechniken in eindrucksvollen Schmuckstücken, die auf Abruf hergestellt und an den Kunden ausgeliefert werden. Designer sind so in der Lage, ihre Ideen schnell und kostengünstig anzubieten – und bekommen bei Stilnest auch gleich die passende Plattform geboten. Ein Beispiel dafür, dass Unternehmensgründungen der Gegenwart nicht nur „irgendwas mit IT“ machen, sondern künstlerisch inspiriert auch richtungsweisende Geschäftsmodelle in der Kreativbranche schaffen. EFRE wirkt:

Eine weiße Plastik-Kuckucksuhr fällt als Erstes ins Auge, wenn man die Firmenzentrale von Stilnest in Berlin-Kreuzberg betritt. Die Uhr war im Grunde das erste Druckerzeugnis des Kreuzberger Start-ups. Vor drei Jahren – damals für eine Messe in London produziert – sollte die Kombination aus deutscher Tradition und modernen Produktionsmöglichkeiten das Potenzial des 3D-Drucks zeigen. Heute ist dieses Druckverfahren zentraler Inhalt des Geschäftsmodells von Stilnest.

Kurz davor hatte Mitgründer Raoul Schäkermann Julian Leitloff und Tim Bibow auf die Möglichkeiten des 3D-Drucks aufmerksam gemacht. Doch die Idee, Schmuck mit ästhetischem Anspruch aus dem Drucker kommen zu lassen, brauchte ihre Reifezeit, ein erstes Projekt mit individualisiertem 3D-Schmuck scheiterte. Auch wenn Industrie-Druckereien bereits seit rund 20 Jahren auf dem Markt waren, fehlte es an Feinheit: Was in der Autoindustrie passte, war für den Verkauf als filigranes Schmuckstück noch ungeeignet. „Wenn das hier zu grob ist“, erklärt der heutige Geschäftsführer Julian Leitloff und zeigt dabei eine Kette aus sandgestrahltem Feinpolyamid mit fächerähnlichen Details, „dann kauft das einfach keiner.“

In diesen kleinen Desktop-Druckern entstehen Prototypen. Die Produktion der Schmuckkollektion ist ausgelagert in große 3D-Industriedruckereien.

3D-Modelle und der Druck auf Bestellung sparen Zeit und Geld

Erst als Stilnest Juweliere und 3D-Druckmeister an einen Tisch setzte, nahmen die Gestaltungsmöglichkeiten Form an. Die Zusammenarbeit mit einem US-amerikanischen Sportartikelhersteller zeigte anschaulich, wie effektiv die Produktion von Schmuck an 3D-Druckern war: „Nachdem das Management an uns herangetreten war, haben wir das Schmuckstück konstruiert und auch produziert. Der große Vorteil dabei war, dass aus der Idee innerhalb von sechs Wochen das fertige Produkt wurde – und das für 10.500 Leute.“ Auch die Visualisierungsmöglichkeit einzelner Designs mittels EDV-gestützter 3D-Modelle im CAD-Verfahren sparen Zeit und Geld: „Das war eine Sache, die sich das Management vorstellen konnte“, erzählt Leitloff mit Blick auf den 3D-animierten digitalen Entwurf für das Sportunternehmen.

Für den Berliner Showroom und zu Messen und Präsentationen sind einzelne Schmuckstücke produziert, auch die Bestseller sind auf Lager. Zur Darstellung im Katalog verlässt der Entwurf aber nicht einmal den Bildschirm des Computers.

Überhaupt kommt Stilnest ohne Prototypen oder Modelle aus, um die Produkte im Online-Katalog (de.stilnest.com/) zu präsentieren. Die dort abgebildeten Schmuckstücke sind allesamt täuschend echt gestaltete CAD-Entwürfe, die erst visualisiert sind und dann nach Bedarf produziert und verkauft werden. 3D-Großdruckereien in Baden-Württemberg produzieren die Schmuckstücke, auch in den Niederlanden, in Polen und in Fernost sitzen Kooperationspartner. Das Risiko für alle Beteiligten bleibt dabei gering. Mit der Möglichkeit, „on demand“ zu produzieren, entfallen kostenintensive Lagerräume.

So erhalten viele Künstler die Chance, auf Stilnest eine breite Produktpalette anzubieten, ohne vorher in fertige Prototypen investieren zu müssen. „Es interessiert im Endeffekt nachher keinen“, unterstreicht Leitloff, „ob das 3D-gedruckt ist oder nicht. Die Produkte müssen gut aussehen.“ „Aktuell arbeiten wir mit knapp 130 Künstlern aus aller Welt zusammen“, stellt Leitloffs Gründerkollege Tim Bibow das Designer-Netzwerk hinter Stilnest vor. Mit weiteren 1.000 Schmuckdesignern steht Stilnest in Kontakt und prüft regelmäßig Kooperationsmöglichkeiten. 14 festangestellte Mitarbeiter sind für Stilnest in Berlin tätig, ständig halten Scouts Ausschau nach neuen Trends, jungen Designern und frischen Schmuckstücken.

Raoul Schäkermann, zuständig für das Produktdesign, zeigt am Bildschirm, wie aus einer CAD-Entwurfsdatei eine täuschend echte Abbildung eines fertigen Schmuckstücks wird.

Mit CAD und der 3D-Drucktechnik kann quasi jeder seine Schmuckideen umsetzen

So kann Stilnest schnell reagieren und immer wieder neue Designs auf dem Markt anbieten. „Aktuell haben wir auf Stilnest rund 450 Designs im Angebot“, weiß Bibow: „Wir möchten jede Woche eine neue Kollektion präsentieren. Bis Weihnachten kriegen wir das auch hin.“ Und dabei sind nicht nur Schmuckdesigner angesprochen, auch Modedesigner und Fashionblogger stellen für Stilnest Kollektionen her. Denn bei solchen Kooperationen bieten sich interessante Absatzmöglichkeiten: „Fashionblogger haben eine enorme Reichweite“, stellt Bibow mit Blick auf neue Absatzmärkte fest. Über eine Million Menschen folgen zum Beispiel täglich den Blogs von Nilam Farooq. „Mit ihr haben wir gerade eine Kollektion herausgebracht.“ „Die haben ein sehr feines Trendgespür, deswegen haben sie sich ja diese Followerschaft aufgebaut“ ergänzt Julian Leitloff und unterstreicht, was Stilnest in diesem Fall auszeichnet: „Wir helfen ihnen dabei, dieses Gespür in Design zu transferieren.”

Denn die CAD-Technik erlaubt es, auch ohne die Fingerfertigkeit des Juwelierhandwerks eigene Ideen umzusetzen und Schmuckstücke zu designen. Es beginnt mit der CAD-Datei, nach einer kurzen Bearbeitung erledigt die 3D-Drucktechnik den Rest. Gleichzeitig bietet Stilnest seinen Designern größtmögliche Freiheiten und belässt auch das Marketing größtenteils in den Händen der Designer. Punktuell steigt auch Stilnest ins Marketing ein, dann aber vor allem für die eigene Plattform oder ausgewählte Kollektionen.

Die Investitionen durch den EFRE stärken die Vorreiterrolle der 3D-Drucktechnik in Europa

Nach einer Frühphasenfinanzierung aus einem Seedfonds der renommierten Friedrichshafener Zeppelin Universität (ZU) 2013 wurde den Jungunternehmern klar, dass auch andere an ihre Idee glauben. Mit dem Know-how der ZU wurde die Produktion aufgebaut und weitere Schmuckdesigner konnten für Stilnest begeistert werden. 2014 stieg dann die IBB Beteiligungsgesellschaft (IBB Bet.) über ihren VC Fonds Technologie I, der aus Mitteln des EFRE kofinanziert wird, mit einem privaten Co-Investor und zwei Business Angels bei Stilnest ein. Drei Monate später floss ein mittlerer sechsstelliger Finanzierungsbetrag direkt ins Marketing, machte so die Marke Stilnest bekannter und festigte die Konzeptidee. Der junge Geschäftsführer hält finanzielles EU-Engagement für Europa für wichtig und sieht dabei seine Branche in einer Vorreiterrolle: „Das Internet haben wir verschlafen: Wir haben kein Facebook, wir haben kein Google. Jetzt müssen wir anfangen, Themen originär zu besetzen. Und 3D-Druck ist zum Teil deutsch besetzt. Und wenn wir Erfolg haben, werden wir die ersten sein, die damit Erfolg haben.“

Kontakt

Spontaneous Order GmbH
Reichenberger Straße 124
10999 Berlin

Tel.: +49 176 3 07 34 653

info@spontaneousorder.de

EU-Logo mit EFRE - Zusatz unten

Hintergrund

Mit über 300 Millionen Euro wird der größte Anteil der Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in Berlin für die Förderung von Innovationen sowie die Stärkung von Forschung und technischer Entwicklung eingesetzt. Unternehmen und Projekte in der privaten Wirtschaft oder in Kooperation mit der privaten Wirtschaft sollen zu Investitionen in Forschung und Entwicklung bewegt werden. Außerdem sollen die Vernetzung von privaten Unternehmen und öffentlichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Universitäten weiter verbessert und gemeinsame FuE-Aktivitäten intensiviert werden.

Entscheidender Akteur im Rahmen dieser Förderung ist die IBB Beteiligungsgesellschaft mbH (IBB Bet.), die seit 1997 in der Berliner Venture Capital-Szene (VC) aktiv ist. Die Fonds der IBB Bet., einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Investitionsbank Berlin (IBB), sind mit öffentlichen Mitteln finanziert, aktuell befinden sich zwei Fonds in der Investitionsphase: Der Technologie Fonds II mit einem Volumen von 60 Millionen Euro und der Kreativ Fonds II mit 40 Millionen Euro. Jeweils die Hälfte stellt die Investitionsbank Berlin und der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung der Europäischen Union zur Verfügung. Mehr Informationen unter www.berlin.de/efre und www.ibb-bet.de.

Informationen zum Unternehmen unter: www.stilnest.com/de