Einstige Mustersiedlung des Sozialen Wohnungsbaus auf dem Weg zur Klima-Anpassung

Intensive Beteiligung bei der Planung Naturnaher Treffpunkte

  • Erklärung des Modells „Familientreffpunkt“

    Nachbar David erklärt das Modell der zweiten Gruppe. Kai Giersberg und Petra Schimansky (hinten, von links) wollen dies in die Entwurfsskizze mit aufnehmen.

  • Kinder der 5c

    Sechs Modelle für naturnahe Spielplätze haben die Kinder gebaut.

  • Rundgang mit fünf Stationen

    Die Bewohnerinnen und Bewohner benennen Problemstellen und Konflikte.

  • Modell „Sitzen im Grünen“

    Anwohner Lutz Parey (2.v.r.) war Gärtner und hat den Vorgarten seines Hauses in eine grüne Oase verwandelt. Mit seinem Wissen möchte er andere Nachbarn motivieren.

  • Nachbarschaftsgarten Heckerdamm

    Diese Fläche hat die Initiative Nachbarschaftsgarten in einen Naturnahen Treffpunkt verwandelt. Finanzielle Unterstützung gab es dafür von der Gewobag und aus dem Förderprogramm FEIN.

  • Identifizierung der Potenzialflächen

    Petra Schimansky (SWUP), Stephanie Hugler und Peter Krug (AG Grün des Mieterbeirats) besprechen, wo Grünräume verbunden werden sollten.

  • Modellbau mit Naturmaterial

    Pflanzenreste, Modelliermasse und kleine Steine wurden für das Modell „Sitzen und Balancieren im Grünen“ verwendet.

Mit dem Projekt „Naturnahe Treffpunkte“ soll die Paul-Hertz-Siedlung in doppelter Hinsicht gewinnen

In der Paul-Hertz-Siedlung soll im Rahmen eines Projekts zur kooperativen Freiflächengestaltung beispielhaft gezeigt werden, wie man mit Naturmaterial und geringem Aufwand Frei- und Spielflächen in „Grüne Treffpunkte der Nachbarschaft“ transformiert und sie fit macht für den Klimawandel. Das Projekt zählt zu den wichtigsten Vorhaben, die im Programm Nachhaltige Erneuerung im Fördergebiet Charlottenburger Norden aktuell gefördert werden. Vom 13. bis 20. August fand dazu eine Planungswoche mit drei Veranstaltungen statt.

Beim Auftakt trägt Stephanie Hugler eine lange Papierrolle unterm Arm. Kaum ist die Gruppe von 25 Interessierten des Kiez-Rundgangs vor dem Nachbarschaftsgarten Heckerdamm angekommen, fasst sich die Mitbegründerin dieser blühenden Oase ein Herz und rollt ihr Plakat auf. Darauf sind Bäume, Bänke, Spielgeräte und Picknicktische skizziert. Die Zeichnung ist ein Vorschlag, wie man auch die Flächen um den Nachbarschaftsgarten in einen naturnahen Treffpunkt für alle Generationen umwandeln könnte.

Die Paul-Hertz-Siedlung im Charlottenburger Norden könnte also wie zu ihrer Entstehungszeit zum Pionier einer städtischen Entwicklung werden. Denn das Wohngebiet aus den frühen 1960er Jahren war autoarm konzipiert. Die offene Bebauung erfolgte nach dem Prinzip „Licht, Luft, Sonne“. Deshalb waren die 2600 Wohnungen in der einstigen „Vorzeigesiedlung des Sozialen Wohnungsbaus“ sehr begehrt. Erst später wurde das Gebiet durch den Bau der Autobahnen und des benachbarten Flughafens TXL in eine Insellage versetzt.

Ungeachtet dessen schätzen die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Siedlung, das Miteinander, die Fußläufigkeit und den großen Baumbestand. Doch auf vielen Rasenflächen zwischen den Wohnblöcken wächst kaum noch etwas. Das ist nicht nur dem Klimawandel geschuldet, sondern auch den Wildkaninchen. Die kleinen, wohnortnahen Spielplätze sind dem Klimawandel kaum gewachsen, die veralteten Spielgeräte bieten nur wenig Anregungen.

Das Ziel: behutsamer Umgang mit bestehenden Plätzen

Bereits 2020–2021 wurde aus Mitteln des Programms Nachhaltige Erneuerung vom Landschaftsarchitekturbüro SWUP GmbH ein Wege- und Freiflächenkonzept für den gesamten Charlottenburger Norden entwickelt. Parallel dazu hat die Gewobag auf ihren Bestandsflächen drei Jahre lang zusammen mit der Stiftung Naturschutz das Projekt „Städtisch Grün“ realisiert. In dieser Phase wurde u.a. geprüft, welche Pflanzen in dieser Mikrolage trotz Trockenheit und Kaninchen gut gedeihen. Mit diesen Erfahrungen entwickeln die Planerinnen und Planer von SWUP nun in Kooperation mit dem Umwelt- und Naturschutzamt, den Gebietsbeauftragten von Jahn, Mack & Partner und der Gewobag zurzeit ein Vertiefungskonzept zur Gestaltung von naturnahen Nachbarschafts- und Spielorten für den Bereich Paul-Hertz-Siedlung und verfolgt dabei einen neuen Ansatz. Mit vorhandenen Naturmaterialien sollen unter aktiver Teilnahme der Nachbarschaft vorhandene Begegnungsorte behutsam weiterentwickelt werden. Auch mit geringem Budget sollen diese an Aufenthaltsqualität gewinnen.

Beteiligungsformate für die Paul-Hertz-Siedlung

  • Beteiligungsformate für die Paul-Hertz-Siedlung

    Schema der Beteiligungsformate

Um möglichst viele Menschen für diese nachhaltige Idee zu begeistern, kommen verschiedene Beteiligungsformate zum Einsatz. Die hier wohnenden Menschen sollen selbst Problemstellen identifizieren, Modelle entwickeln und idealerweise Patenschaften für die zukünftigen naturnahe Treffpunkten übernehmen. Das Beteiligungsverfahren umfasst folgende Schritte.
  • Projektwoche mit Kindern im Mai: Die Klasse 5c der Helmuth-James-von-Moltke-Grundschule entwickelte mit großem Engagement sechs Modelle für naturnahe Spielplätze im Kiez. Dafür besuchten sie gelungene Beispielplätze (z.B. den Naturerfahrungsraum am Spieroweg), aber auch die Spielplätze im Kiez. Die Kinder sammelten Argumente und Ideen für die Berücksichtigung von Tierschutz und Generationenvielfalt bei der Umgestaltung kieznaher Spielplätze. (mehr Infos)
  • Vorstellung der Spielplatz-Modelle im Stadtraum:
    Die Entwürfe aus Naturmaterial wurden in der Schule und am 18. Juli beim „Tag der kleinen Bauprofis“ ausgestellt. Den traditionellen Aktionstag organisierte die Gewobag diesmal in der Paul-Hertz-Siedlung als Gelegenheit das Projekt vorzustellen. 250 Kinder lernten an diesem Tag Bauberufe und Ideen zum Nachhaltigen Bauen kennen und bepflanzten mehrere Hochbeete für soziale Einrichtungen.
  • Workshopwoche für erwachsene Bewohnerinnen und Bewohner:
    Vom 13. bis 20. August luden das Bezirksamt und die SWUP zu einem Kiezrundgang, einem Plakatworkshop und zum Modellbautag ein.
  • Die Online-Präsenz als Informationsangebot auf mein.berlin.de für alle Interessierten.
  • Vorstellung einer Grobplanung auf Basis der Modelle in der Passage Heckerdamm und beim Infotag zur Nachhaltigen Erneuerung am 10.10.2024.

Während der beiden Beteiligungsphasen sammelten sowohl die Kinder als auch die Älteren Argumente und Ideen für mehr Artenvielfalt und Bewegungsangebote an den künftigen Treffpunkten. So fand beim Rundgang am 13. August der Vorschlag, eine Fläche innerhalb des zentralen Grünzugs mit geringer Aufenthaltsqualität für das Pilotprojekt auszuwählen, breite Zustimmung. Genau wie die Kinder griffen auch die Erwachsenen zu Modelliermasse, Stroh, Zweigen, Papier und Schere und bastelten zwei weitere Entwürfe für die Umgestaltung dieses zentral gelegenen Areals – hier kreuzen sich mehrere wichtige Fußwege.
Das Landschaftsplanungsbüro erstellt bis Oktober in enger Abstimmung mit dem Umwelt- und Naturschutzamt und der Gewobag eine Entwurfsskizze für diese Fläche. Dabei werden die Ergebnisse der Beteiligung aufgegriffen. Außerdem sichtet das Team nun auf den Höfen des Grünflächen- und des Sportamtes gelagerte Naturmaterialien wie Baumstämme, Restholz und Findlinge, die beim Umbau der Musterfläche verwendet werden können. Die Gewobag wird sich an den Kosten für Material, Pflanzen etc. beteiligen.

Handlungsrahmen für die Naturnahen Treffpunkte

  • Handlungsrahmen für die Naturnahen Treffpunkte

    Schema der Anforderungen und Ziele

Symbolischer Baustart mit Nachbarn am 24.10.2024

Die Akteure aus den Workshops wollen nun weitere Mieterinnen und Mieter motivieren, an der Gestaltung mitzuwirken oder Patenschaften für Hochbeete und Blühwiesen zu übernehmen. Die beteiligten Schülerinnen und Schüler Moltke-Grundschule haben ihr Interesse dafür bereits bekundet. Am 24. Oktober ist dann ein gemeinsamer öffentlicher Baueinsatz geplant – mit allen Interessierten und natürlich mit Kindern und Erwachsenen, die Modelle gebaut oder sich auf andere Weise beteiligt haben.

Praxisleitfaden zur Nachnutzung geplant

Der bislang noch namenlose Treffpunkt mit einer Größe von ca. 900 qm soll die Blaupause für weitere Flächen im Gebiet und darüber hinaus sein. Deshalb erarbeitet das Büro SWUP zum Abschluss des Projektes einen Praxisleitfaden, der für Anpassungsmaßnahmen in dieser und weiteren Siedlungen anwendbar ist. Der Leitfaden wird Empfehlungen geben, wie Wohnsiedlungen klimaangepasst und ressourcenarm umgestaltet und zu naturnahen Spiel- und Nachbarschaftsorten entwickelt werden können.
„Wir werden es schaffen, weitere Orte in der Paul-Hertz-Siedlung wieder zu begrünen“, ist sich Peter Krug von der AG Grün des Mieterbeirats sicher. Wenn dies gelänge, wäre die Paul-Hertz-Siedlung wieder einmal ein Pionier, diesmal in Sachen Klimaanpassung.