Das Findungsgremium – bestehend aus Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank, seinem Stellvertreter Gerhard Hanke, der Bezirksverordnetenvorsteherin Gaby Schiller und ihre Vertreterin Ulrike Billerbeck – hatte in diesem Jahr sechs besondere Mitbürgerinnen und Mitbürger ausgewählt, deren Verdienste um den Bezirk Spandau mit dieser höchsten Auszeichnung des Bezirks gewürdigt werden:
Verleihung Spandauer Ehrennadel 2020
Bild: BA Spandau
Bild: BA Spandau
Joachim Schensick (posthum)
Joachim Schensick, Spitzname Schenne galt als charmanter Rabauke, Baum von einem Kerl und wird als menschliche Institution in diesem Bezirk immer ein Begriff bleiben. Bleiben wird auch die Schmach seiner Mutter die Olympiateilnahme geklaut zu haben, dass er zur Rettung seines Herzenvereins kräftig in die eigene Börse gegriffen hat und auf Beerdigungen auch gerne mal zukünftige Ehefrauen bezirzt hat. Bezirzt und leidenschaftlich geschachert hat er auch mit der politischen Kaste, seiner Familie und seiner geliebten Wasserball-Donners-tagsrunde, die zur Freude seiner Frau nie ins Wasser gefallen ist. Wobei Wasser das richtige Stichwort ist und immer sein Element war, auch wenn sich das Gerücht hartnäckig hält, dass Schenne, seiner unbändigen Motivation wegen, eher in einen Zaubertrank a la Obelix gefallen ist. Schenne war halt mit allen Wassern gewaschen.
In Spandau geboren, mit Havelwasser getauft.
Vorgeschlagen für die goldene Ehrennadel 2020 Joachim „Schenne“ Schensick
Mit Badehose kann ich da nicht hin?
Dieses modische Accesoires der Nassbekleidung und die Frage zu welchen Anlass man diese eigentlich trägt ist eng mit Joachim Schensick verbunden, denn Wassersport in allen Facetten war seine Leidenschaft, um nicht von zwanghafter Obsession zu sprechen.
Geboren ist Joachim am 25.12.1936 in Charlottenburg. Den ersten Fauxpas hat er sich schon geleistet ohne es zu wissen. Die werte Ma Ma ist Leistungsschwimmerin und Sie wird später ironisch behaupten, dass Joachim ihr die Olympiateilnahme 1936 in Berlin geklaut hat.
Die Kriegswirren machen es der Familie nicht einfach und sie verlassen Berlin Richtung Nor-den nach Svenemünde. Der Vater – Offizier – repariert Panzer und Joachim wird zwischen Ruinen und Rüstung groß, bis es 1945 wieder in die Hauptstadt geht – er wird Spandau nicht mehr verlassen und seinem Zuhause sprichwörtlich seinen Stempel aufdrücken. Am Freiherr von Stein Gymnasium treibt Joachim sein Unwesen und arbeitet mit Schaber-nack, Streichen und seinem losen Mundwerk an seiner schulischen Beliebtheitsskala im Lehrerkollegium. Dummheiten und Frötzeleien kann er sich leisten, den das Maß zwischen Frechheit und Notendurchschnitt ist gleichbleibend gut. Unter diesen Umständen darf man auch mal das Lehrerpult auseinanderschrauben und es mittels Streichhölzern nicht ganz stand-fest wieder aufstellen. Joachim Schensick hatte den sprichwörtlichen Schalk im Nacken. In diesen Jahren – jung, wild, clever und verbal verdammt versiert – lernt er auch seine erste Familie kennen, die ihm Zusammengehörigkeit, Kampfgeist und Schwimmflossen beschert.
Im damaligen Kleinod des Schwimmbades Zitadelle heißt es 1951 Schwimmen, Sprungturm und Sportboot bei den Spandauer Wasserfreunden. Der Lausbub entwickelt sich langsam zum augenzwinkernden Zampano, der gerne mal selbst-bewusst auf den Putz haut und dem man nicht recht das Wasser reichen kann.Die Trainer stacheln ihn gerne an, „im Becken mal ne ordentliche Zeit ins Becken zu schlagen“, was dezent quitiert wird mit der Aussage: „Trainer das mach ich doch nach dem Aufste-hen mit einen Bein!“ – er wird dem Verein fast ein Dreivierteljahrhundert treu bleiben.
Bei der Ausbildung als Maschinenbauer 1952 fühlt er sich nicht unbedingt wie ein Fisch im Wasser, sondern tauscht liebend gerne auch mal die Schulbank mit dem Paddelboot im Ver-ein. Umso verrückter ist, das man sich erzählt, das auch heute noch sein Abschlussgesellenstück in der Münchner Firmenzentrale bei BMW steht.
Joachim Schensik war nie ein Maulheld, sondern eher ein charmant ungehobelter Sympathieträger. Während andere nur mit Wasser kochten, schacherte er in seinem Spandau immer wieder gerne bis zum brodelnden Siedepunkt – mit Erfolg. Der Verein war sein zweites Zuhause und sein ganz eigener Schwimmbereich, neben dem notwendigen Übel des Geldverdienens als technischer Leiter in der Klinik Berlin.
Bootsverein, Tennis, Schwimmen, Fünfkampf, Wasserball – in jungen Jahren war Joachim in allen Abteilungen Zuhause – immer motiviert, aber nie sonderlich erfolgreich. Das sollte sich schleunigst ändern.
Er wurde zur grauen Eminenz des Vereins, zur guten Seele und zum Gesicht des Vereins. Mit einem Augenzwinkern war er Schiedsrichter, Kampfrichter und Organisator jeglicher Wettkämpfe und Ansprechpartner für Weh Wehchen. Da kam es nicht von ungefähr das er auch Verantwortung übernahm als Abteilungsleiter Wasserball 1965, aktives Mitglied der Bootsabteilung, als Trainer der Seniorenstadtmannschaft, als Wasserballschiedrichter des Ber-liner Schwimmverbandes, als kommissarischer Vorstand oder als Vizepräsident der Wasser-feunde Spandau 04.
Mitte der Siebziger muss Schenne die Badehose etwas enger schnallen, als dem Verein finan-ziel das Wasser bis zum Hals steht – das Wort Insolvenz verspricht unsicheren Wellengang. Doch Schenne weiß den bevorstehenden Ruin zu managen und macht das was er am Besten-kann – schachern, diskutieren, verhandeln. Sponsoren werden besänftigt, mit Schuldnern Kompromisse gefunden und selbst mit seinem Privatvermögen steigt er ein. Vereinsliebe wirkt als Wort eher immer etwas schnulzig und altbacken, doch Joachim Schensick wirkt wie ein Prototyp dessen, welche Aufopferung damit verbunden werden kann und darf und das mit Erfolg – der Verein wird diese Schieflage überstehen. Weiterer Erfolg ist die Eröffnung des neuen Schwimmbades Spandau Süd im Jahr 1974 – über 40 Jahre später wird Joachim Schensick mit diesem Bad nochmal eine Passion verbinden.
Auch in Sachen Akquise des weiblichen Geschlechts ist Joachim anders und recht schmerz-frei. Wer braucht klassische Gegebenheiten wie Tanztee oder Gartenpartys um in feminine Gesellschaft zu kommen. Der moderne Mann der Siebziger knüpft Kontakt auf Beerdigungen bei befreundeten Familien zwischen Grabstrauß, Trauerrede und Leichen-schmaus. Tröstest du noch oder baggerst du schon – im Nachhinein kann seine zweite Ehefrau Joachims Schmeicheleien und seine mitfühlende Mühe einordnen.
Marta ist temperamentvolle Griechin und verfällt dem charmanten Witz des muskulösen Spandauers vollends. Nach Ouzo und Raki tanzen beide im Sirtaki Takt in eine gemeinsame Zukunft, die 1983 mit der Geburt von Tochter Simone gekrönt wird. Mit Anfang 50 ist Joachim auf dem Höhepunkt. In der Vier-Zimmer Dachgeschosswohnung der Wilhelmsstraße ist Hauptquartier, Schaltzenrale und Schmelztigel. Als Sommerresidenz wird in Griechenland ein Haus gekauft und ein sportlicher zweiter Frühling stellt sich ein. Mit den „Moby Dicks“ – den Wasserballsenioren der Wasserfreunde 04- erlebt Joachim späte sportli-che Befriedigung. World League, Europameisterschaft, 2000 Senioren Weltmeisterschaft in München und Olympische Spiele. Eine späte Genugtuung und zugleich zunehmende Obsession die dem Familienleben nicht immer nur zuträglich war. Joachim fühlt sich, wie ein Fisch im Wasser auch wenn es am „heili-gen Donnerstag“ – Treff der wöchentlichen Senioren Kameradschaft – immer eher ein alko-holisches Kaltgetränk gereicht wird und die Wochenenden um 6 Uhr beginnen um die Vorbe-reitungen für die Wasserball-Bundesligaspiele zu bewerkstelligen.
Im Bezirk hat sich „Schenne“ seinen Ruf erarbeitet und ist mit den politisch Verantwortlichen in Ausschüssen und Fachbereichen auf du und du. Oft zitiert man ihn mit dem Satz: „Jetzt lass doch mal deine Parteilinie weg und denk dran was gut ist!“ Delegiert hat er öfter mal, doch stellte sich gewünschte Lösung nicht ein hat man ihn nicht nur einmal mit Blumensträußen bei Vorzimmerdamen Süßholz raspeln sehen, um zeitnah einen Termin bei Verantwortlichen zu ergattern.
Die 2000er wirbelt er durch die Funktionärsebenen, als Präsidiumsmitglied des Bezirksport-bundes und Mitglied im Beirat regionaler Bäderbetriebe, die ihn schätzen und als beratende Instanz beim Umbau des Kombibades Spandau Süd und dem Neubau einer Wasserportarena mit einbeziehen. Joachim wähnt sich am Ziel Spandaus Wasserballern endlich wieder ein Zuhause im Bezirk zu geben – die Geburt seines zweiten Baby, für das er kämpft, rackert, argumentiert und wie sollte es anders sein schachert. Schensick war treibende Kraft für den Kita-, Schul-, und Wasserballsport und hat großen und immensen Anteil daran, das Spandaus Wasserballsport über die Grenzen unseres Bezirks Auf-merksamkeit, Stahlkraft und Erfolge verzeichnen und Jahrzehnte lang ausweisen kann.
Joachim Schensick war dem Wasserballsport über 60 Jahre treu und eine menschliche Institu-tion, die mit diesem Verein untrennbar verbunden ist und bleiben wird. „Er ist die Definition von Ehrenamt“, spiegelt seine Tochter Ihren Vater und sein Schaffen heute wieder. Simone entspannt bei Chlorgeruch, ist heute Physiotherapheutin im Verein und hört bei Besuchen im Bezirksamt öfters mal die Aussage: „Sie sind schlimmer als Ihr Vater!“ Schachern, verhandeln, ehrgeizig durchsetzen. Gene kann man nicht austricksen und somit wird auch ein Teil Joachims Schensicks mit sei-nen Lieben bleiben.
Bei Joachim Schensick hieß Einbringen persönliche Aufgabe, Herzblut, Verzicht auf Privatle-ben, hieß Engagement auch mal Aufopferung und Verein Familie und das sechs Jahrzehnte ehrenamtlich.
Joachim Schensick weilt heute nicht unter uns, hat die Nachricht seiner Ehrung in seinen letzten Tagen aber mit voller Freude aufgenommen. Seine Reaktion waren die Worte: Wann gehen wir los und kann ich da auch in Badehose hin? Für einen Pionier des Wassersportes in unseren Bezirk, einen unermüdlichen Streiter für Kita,- und Schulsport einem Menschen der seinen Verein über vieles andere stellte und sich aufgeopfert hat. Zu hoffen ist, das du heute am „heiligen Donnerstag“ Zeit für uns hast. Du wirst diesem Be-zirk ein Andenken sein.
Die goldene Spandauer Ehrennadel 2020 für Joachim Schensick
Bezirksamt Spandau
- Tel.: (030) 90279-0