An den Thementischen ging es nun konkret „zur Sache“. Bestehende grundsätzliche Bedarfe, Themen, Angebote und Lücken zu benennen, die sich aus dem Expertenwissen der Teilnehmenden speisen, war an den Thementischen ausdrücklich gewünscht.
Am Thementisch „Bedarfe“ konnte frei assoziiert werden: Welche Strukturen, Bedingungen und Aspekte, die in der täglichen Arbeit relevant sind, können verknüpft, verstärkt oder verbessert werden? Zunächst lässt sich hierbei steigender Anpassungsbedarf der bestehenden Strukturen und der Bedarf an neuen Schnittstellen und engeren Kooperationen herauslesen. Benannt wurde beispielsweise der Wunsch nach mehr Ressourcen und Schnelligkeit im Verwaltungshandeln, um Menschen zu erreichen, bevor die Wohnung geräumt werden muss. Als wirkungsvoll benannt werden u. a. eine transparente Informationsübermittlung zu den Trägern, die Möglichkeit der niedrigschwelligen psychotherapeutischen Anbindung, eine engere Verzahnung bestehender Kooperationen wie Jugend- und Eingliederungshilfe sowie Wohnhilfe und Jobcenter, und der Wunsch nach mobilen psychosozialen bezirklichen Teams – um effizienter, schneller, fallorientierter und ggf. aufsuchend Handeln zu können.
Dafür benötigt es wiederum den Willen, politische Rahmenbedingungen zu adaptieren und zu gestalten, z.B. die Entbürokratisierung im Zuwendungsbereich anzugehen, die Gewinnung von Fachpersonal als prioritär zu erachten und „Kümmererstrukturen“ langfristig und gesichert zu finanzieren.
Allgegenwärtiges Thema ist die Knappheit von Wohnraum und deren Auswirkungen auf alle Bereiche, so auch auf Unterkünfte nach dem allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin. Hierbei wurden u.a. Mindeststandards in Betreuung und Ausstattung sowie einheitliche Zahlungen (Eigenanteil) in allen Wohnheimen benannt. Für Menschen mit Suchterkrankungen und Pflegebedarf ist es besonders schwer, eine passende Unterbringung zu organisieren. Jedoch ist es auch für Familien mit mehreren Kindern generell schwierig, geeigneten Wohnraum zu finden. Unterbringungsorte für Jugendliche und junge Erwachsene sollten ausgebaut werden, so einige Teilnehmende. Als weiterer Bedarf wird die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Anspruchsberechtigung benannt. Um den generellen Transfer von Leistungen zu ermöglichen sind außerdem folgende Aspekte wichtig: Wie kann die Erreichbarkeit obdachloser Menschen ohne Meldeadresse gesichert werden? Damit verbunden ist die Rolle der Nachbarschaft
als Multiplikator und auch die Frage danach, wie es gelingen kann, ein würdevolles Dasein am Ende des Lebens zu gestalten.
Zu vielen Themen, die hier benannt wurden, sind in Spandau und/ oder auf Landesebene bereits Angebote vorhanden. Um einen guten Überblick bestehender Angebote zu schaffen, wurde am Thementisch „Angebote“ Bestehendes zusammengetragen und zusammengefügt.
Angebote zum Thema „Wohnungslosigkeit“ und „Obdachlosigkeit“ sind in einer Vielzahl vorhanden, beispielsweise im Bereich der Beratung (Immanuel Beratung u.a.), der aufsuchenden Arbeit (SPAX, Staakkato, Outreach u.a.), spezifische Angebote für Frauen* (Eulalia Eigensinn, Frauenwohnstatt – Ginko u.a.) oder auch im Bereich der Beschäftigung und des Aufenthalts (Creso, SPAX u.a.).
Trotz der Vielzahl an bereits bestehenden Angeboten wurden von den Teilnehmenden zahlreiche Angebotslücken benannt: u.a. wurden diese in Bezug auf den Wohnungsmarkt vor allem in einem Ausbau des geschützten Marktsegments gesehen, in Unterkünften, die auf spezifische Merkmale ihrer Nutzer:innen eingehen können (bspw. Haustiere, Altersgruppen, Familiensituationen) und in einer medizinischen Versorgung, die niedrigschwellig Menschen ohne Krankenversicherung und Haustieren von Wohnungslosen zur Verfügung steht. Für das Hilfesystem wünschten sich die Teilnehmenden eine zielgerichtetere Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den Akteur:innen rund um das Thema „Wohnungslosigkeit“ Hausverwaltungen/Vermieter:innen, Hilfsangeboten, dem Jobcenter und der sozialen Wohnhilfe. Darüber hinaus wurde der Ausbau von Präventionsangeboten gefordert, die dabei helfen sollen, Wohnungslosigkeit zu verhindern, eine Angebotsübersicht für Spandau sowie zielgruppengerechte
Beschäftigungsangebote für von Wohnungs-/Obdachlosigkeit Betroffene.
Neben den konkreten Rückmeldungen aus der Praxis zu den Bedarfen, Angeboten und Angebotslücken, formulierten die Teilnehmenden an den Thementischen „Leitbild“ und „Ziele“ erste Bausteine einer zukünftigen bezirklichen Strategie.
Der Thementisch „Leitbild“ hat sich damit beschäftigt, welche Werte/Normen, welche Grundprinzipien und welches Selbstverständnis die Strategie für Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Spandau umfassen soll.
Bei diesem Thementisch wurde angemerkt, dass als erster Schritt das Problem definiert und als zweiter Schritt ein gemeinsames Verständnis entwickelt werden muss. Ziel der Strategie soll es sein, schnelle und pragmatische Lösungen zu schaffen, eine Steigerung der Akzeptanz, Enstigmatisierung sowie eine Wertschätzung gegenüber Menschen in Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit zu erzielen. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass hierfür ausreichend Personal gebraucht wird und das ehrenamtliche sowie Spenden nur unterstützend begleiten können. Zu beachten ist außerdem, dass einige freie Träger bereits eigene Leitbilder entwickelt haben. Diese könnten zu Beispiel als Vorlage bzw. Anregung genutzt werden.
Gemeinsam mit den Teilnehmenden wurden die Ziele für Spandau diskutiert. Dabei wurden nicht nur die Ziele der Teilnehmenden, sondern auch ihre individuellen Wünsche ausgesprochen. Ein wichtiger Punkt war die Gewinnung von mehr Personal und die Schaffung einer vereinfachten und unkomplizierten Bürokratie, um die Bearbeitungsdauer zu verkürzen und die Verständlichkeit für Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern. Es wurde auch das Ziel formuliert, mehr Sprachmittler einzusetzen.
Ein weiteres Ziel war die Schaffung von mehr Wohnraum, um die dringende Wohnungsnot in Spandau zu lindern. Dies unterstreicht die Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt und die steigende Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum für verschiedene Bevölkerungsgruppen.