Immer wieder treffen wir auf verunsicherte Erzieherinnen, von denen Eltern, aber auch Lehrerinnen erwarten, dass sie den Kindern in Vorbereitung auf die Schule schon mal das Lesen und Schreiben von Buchstaben beibringen sollen.
Ja, entsprechend dem Berliner Bildungsprogramm für Kitas und Kindertagespflege sollen Kitaerzieherinnen die Kinder auf den Umgang mit der Schriftsprache vorbereiten. Es gehört aber nicht zu ihren Aufgaben, den Kindern gezielt Buchstabenkenntnisse oder Lesestrategien zu vermitteln.
Was ist eigentlich Literacy?
Recherchiert man in der Fachliteratur, was in der Kita bezügliche der Schriftsprachkompetenzen zu tun ist, stolpert man unweigerlich über den Begriff „Literacy“. Der Begriff stammt aus dem angloamerikanischen Raum und über die genaue Definition wird noch heftig diskutiert.
Im online-Handbuch der Kindergartenpädagogik findet sich folgende Version: „Mit dem Begriff “Literacy” werden nicht nur die Fähigkeiten des Lesens und Schreibens bezeichnet, sondern auch Text- und Sinnverständnis, Erfahrungen mit der Lese- und Erzählkultur der jeweiligen Gesellschaft, Vertrautheit mit Literatur und anderen schriftbezogenen Medien (inklusive Internet) sowie Kompetenzen im Umgang mit der Schriftsprache.“ (siehe M. Textor: „Literacy-Erziehung im Kindergarten“Literacy-Erziehung im Kindergarten (Literacy Kindergarten)
So gesehen gibt es in unserem alltäglichen Leben keine Situation, in der wir nicht von Literacy umgeben wären. Die Beherrschung der literalen Basisqualifikationen ist für das erfolgreiche Meistern unseres Alltags eine grundlegende Voraussetzung und ihre Förderung sollte bereits weit vor dem Schuleintritt beginnen.
Wie sollen die Erzieherinnen die Kinder auf den Erwerb von Schriftsprache vorbereiten?
Die Antwort ist aus unserer Sicht relativ einfach: In den Kitas soll den Kindern, und hier besonders denen aus eher bildungsfernen Elternhäusern, Lust auf das Lesen und Schreiben gemacht werden.
Die Erzieherinnen sollten vor allem auf ihre Vorbildfunktion achten, bei den Kindern eine emotional positive Beziehung zur Schrift herstellen und die Vorteile von Schriftkenntnissen aufzeigen.
Dazu gehört eine angenehme Atmosphäre in Vorlesesituationen genauso dazu wie das simple verschriftlichen von Kinderäußerungen, um den Kindern zu zeigen, dass man mit Schrift mündliche Äußerungen festhalten kann, die sonst verloren gingen.
Reicht es aus, aus Bilderbüchern vorzulesen?
Eine der wichtigsten Aktivitäten im Zusammenhang mit Literacy ist das Betrachten von Bilderbüchern. Zahlreiche Studien der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Kinder, die vor der Einschulung nicht an den Umgang mit Büchern herangeführt wurden, Schwierigkeiten haben, sich die Schriftsprache anzueignen. Es wird dabei jedoch leicht übersehen, dass das Vorlesen schon einen recht vertrauten Umgang mit sprachlichen Texten voraussetzt.
Kinder, die diesen Umgang von zu Hause her kennen, hören beim Vorlesen mit Begeisterung zu. Kinder, die diese Voraussetzungen nicht mitbringen, werden dagegen unruhig oder wenden sich andern Tätigkeiten zu. Diese Kinder müssen also auch erst einmal auf Bilderbuchbetrachtungen vorbereitet werden.
Hier hat sich eine Kombination aus dem Erzählen einer kurzen Geschichte, dialogischem Vorlesen und Nachspielen der Geschichten als praktikabel und sinnvoll herausgestellt. Dabei sollte der Gebrauch von langen, verschachtelten Sätzen, wie sie Bilderbücher, aber auch Märchen oft beinhalten, anfangs möglichst vermieden werden und erst nach und nach eingeführt werden. Eine ausführliche Darstellung dieser Vorgehensweise würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen.