Die unscheinbare Schwammstadt - Auf den Spuren des Regenwassers in der Rummelsburger Bucht

Mulde zur Straßenentwässerung auf dem Mittelstreifen mit mittigem Weg

Mulde zur Straßenentwässerung im Wohngebiet Rummelsburger Bucht

Berlin will Schwammstadt werden – anders gesagt, auch im urbanen Umfeld soll der natürliche Kreislauf aus Niederschlag, Versickerung oder Verdunstung wieder wirksam werden. Das ist kein Selbstzweck, sondern ein entscheidender Beitrag zur Anpassung der Metropole an den Klimawandel.

Noch fließt der Niederschlag von Berliner Straßen und Plätzen meist ungenutzt in den Mischkanal und bei Starkregen häufig zusammen mit ungeklärtem Abwasser in die Spree. So war es auch im Entwicklungsgebiet der Rummelsburger Bucht. Heute befindet sich dort ein Mitte der 1990er Jahre erbautes Wohngebiet, von dem kein Regenwasser mehr in die Kanalisation gelangt.

Es versickert oder verdunstet dort vor Ort, speist damit die Schatten spendenden Grünflächen und kühlt zusätzlich durch Verdunstung die Umgebung. Ein einfaches Prinzip und doch vor allem in Bestandsquartieren nicht leicht umzusetzen, was sich an den immer noch wenigen Beispielen von quartiersbezogenem Niederschlagsmanagement in Berliner Innenstadtlagen ablesen lässt. Ein Beispiel wird aktuell durch den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Graefekiez erprobt.

Riole auf einer Hand

Wasserspeicherklotz - der innere Kern einer Rigole

Wie sieht die Schwammstadt in der Realität aus und welche Voraussetzungen braucht es, um die Idee großflächig Wirklichkeit werden zu lassen? Für das Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht wurde ein umfassendes Konzept zum Regenwassermanagement umgesetzt. Den Modellcharakter sieht man dem Wohngebiet, einem Projekt der EXPO 2000, auf den ersten Blick gar nicht an. Das ist vielleicht eines der Probleme des Niederschlagsmanagements – es ist heute unverzichtbar bei Neubauten und Sanierungen, es ist kostenintensiv, aber im Stadtbild wirkt es – anders als der Begriff Schwammstadt vermuten lässt – relativ unspektakulär.

Rund 20 Interessierte, darunter Kolleginnen und Kollegen der Gruppe Nachhaltige Erneuerung bei SenStadt, begaben sich am 12. April 2024 auf Regenwassertour, um die Schwammstadt vor Ort kennenzulernen. Die kostenlose Tour war buchbar bei der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg und wird regelmäßig von der Berliner Regenwasseragentur angeboten.

Bäume in Mulden haben großen Wachstumsvorsprung gegenüber solchen in normalen Baumscheiben

Der Baum rechts hat gegenüber dem gleichaltrigen Baum links in der Baumscheibe einen großen Wachstumsvorsprung

Entlang der Straße „An der Bucht” wurden Versickerungsbauwerke im halböffentlichen und öffentlichen Raum vorgestellt. Durch Löcher in den Plattenbelegen gelangt das Regenwasser über Rohre in die Rigolen unterhalb der Hecken auf dem Seitenstreifen. Eine Lösung vor allem für die privaten Eigentümer.

Grünstreifen in der Mitte der Straßen oder zwischen Gehweg und Fahrstreifen sind oft als einfache Mulden angelegt. Der Effekt auf das Wachstum von Bäumen ist eindrucksvoll – kaum zu glauben, dass die in der Mulde wachsende Eiche und jene in der Baumscheibe auf dem Pflasterweg annähernd das gleiche Alter haben. Bei einer Kombination von Mulde und Rigole, die in der Mulde versenkt wird, kann die Mulde schmaler ausfallen, die Anlage ist dann kostenintensiver.

Entwässerung der Straße in die Grünfläche. In den Beeten liegen rigolen im Boden.

Am Medaillonplatz wurden Beete mit unterirdischen Rigolen angelegt, in die das Wasser von der Straße fließt

Ein Hindernis für das Wachsen der Schwammstadt sind natürlich die Kosten. Bei der Sanierung der Außenanlagen des Jugendclubs Willi Sänger 2021/22 wurden für insgesamt 266.000 Euro Rigolen im Boden versenkt, von denen nichts zu sehen ist – bis auf den Umstand, dass keine Pfützen mehr auf dem Rasen stehen und auch der Keller nun trocken bleibt.

Aber zurück an die Rummelsburger Bucht: Der entscheidende Vorteil war hier die Einbeziehung des Regenwassermanagements in die Planung von Beginn an. Doch auch ältere Grünflächen, wie der Medaillonplatz mit seinen großen Bäumen wurden ertüchtigt, um das Wasser der Straße aufnehmen zu können, indem unterhalb der Bäume behutsam Beete mit eingelassenen Rigolen angelegt wurden.

Beispiele für beide Möglichkeiten werden aktuell mit Mitteln der Nachhaltigen Erneuerung geplant oder schon umgesetzt: Für die behutsame Neugestaltung der Promenade im Mühlenkiez gab der Bezirk Pankow ein Konzept zur Niederschlagswasser-Bewirtschaftung in Auftrag, das am 18. April vor Ort bei einem Werkstattabend vorgestellt wurde. Das Konzept ist eine wichtige Grundlage des kommenden freiraumplanerischen Wettbewerbs zur Mühlenpromenade.

Perspektive der Fassade der Kita Zauberberg mit Wasserspiel

Perspektive des Gebäudes der Kita Zauberberg und der Jugendverkehrsschule mit einem durch Regen aktivierbaren Wasserspiel

An den gleichartigen Typenbauten der Kita Bewegungsreich und der Kita Zauberberg mit der Jugendverkehrsschule, ebenfalls im Fördergebiet Greifswalder Straße, werden zurzeit Maßnahmen wie Fassaden- und Dachbegrünung, Nutzung als Grauwasser, Sammlung in einer Zisterne und sogar Umweltbildung im Form eines Wasserspiels an der Fassade umgesetzt bzw. vorbereitet.

Von entscheidender Bedeutung war auch hier das Engagement der Partner von Senat, Bezirk und den jeweiligen Trägern, die intensive Beteiligung der Nutzer von Anfang an und die Bereitschaft zu langfristigem Denken, das uns vertrocknete Gärten, verschmutzte Gewässer und überschwemmte Keller in Zukunft ersparen soll, denn solche Szenarien kommen Berlin langfristig wirklich teuer zu stehen.