Frau Berghaus, was fasziniert Sie am Thema „Rhetorik und Körpersprache“?
- Mich faszinieren die Möglichkeiten, eine belebte Kommunikation zu kreieren, die auch verständlich ist. Häufig passieren Missverständnisse. Und man darf nicht vergessen, dass der ganze Körper spricht.
Viele Leute denken, gutes Reden ist nur vom Inhalt abhängig. Aber das ist es gar nicht. Wichtiger ist tatsächlich Situationssicherheit und zu wissen, wer man ist. Dann fällt es leichter zu kommunizieren. Dann nimmt man auch viel mehr wahr. Die Glaubwürdigkeit der Kommunikation ist von drei Komponenten geprägt, und zwar von der Person, der Situation und dem Inhalt. Bei manchen Leuten staune ich, wie authentisch die sind. Wenn eine Person weiß, welches Alleinstellungsmerkmal sie hat, zum Beispiel eine hochgezogene Augenbraue oder ein besonderes Lächeln, dann kann sie damit spielen. Und das finde ich großartig. Gespräche wirken dann einfach echter. Gekünstelte Rhetorik kann ich nicht ab.
Wann bzw. in welcher Situation haben Sie beschlossen, anderen Rhetorik und Körpersprache zu vermitteln? War Ihr „Urknall“ während Ihrer elfjährigen Tätigkeit als Redakteurin beim ZDF-Morgenmagazin?
- Nein, das war schon viel früher. Ich habe ja als Journalistin und Filmemacherin gearbeitet, habe viele Dokumentarfilme als Regisseurin gemacht – auch mit meinem Mann zusammen – und lange Zeit habe ich an dem Projekt „Berlin – Ecke Bundesplatz“ mitgearbeitet, einem Langzeitdokumentarfilm. Ich war für die Recherchen zuständig. Mich hat immer fasziniert, Menschen so zu filmen, wie sie im echten Leben sind. Das war vielleicht der Urknall. Im Studium habe ich Sprecherziehung studiert und Germanistik. Und die Verbindung zwischen Film und Sprechen, das warʼs!
Welche Bedeutung hat Rhetorik-Wissen heute im Vergleich zu vor 20 Jahren? Beispielsweise in Bezug auf den Alltag, Beruf, die Karriere, soziale Kontakte, Gesellschaft …
- Heutzutage ist Rhetorik ganz klar auch ein Mittel zur Manipulation. Wie können sich Menschen Schutzschilder aufbauen usw.? Die Medien beeinflussen unser Kommunizieren. Wir haben vielfach Einbahnstraßen: Man schickt etwas wohin und bekommt keine Antworten. Das macht auch etwas mit der kommunizierenden Person, die nicht mehr abwarten kann oder das Zuhören verlernt.
Außerdem sind wir viel schneller geworden. Wir kommen gar nicht hinterher zu verstehen und deshalb entstehen auch Missverständnisse und aus dem Kontext gerissene Kommunikation. Ein Politiker muss super aufpassen, was er sagt, weil jeder Satz einzeln herausgeschnitten irgendwo wieder auftauchen kann, so dass der ganze Inhaltsrahmen fehlt.
Menschen müssen heute mehr selektieren. Es bleibt immer weniger Zeit zum Reflektieren – das finde ich sehr schade. Und häufig werden Inhalte einfach nur weitergeleitet und ich muss aufpassen, was ich wo sage. Ich höre in meinen Kursen, was so passieren kann mit Menschen, beim Mobbing beispielsweise. Das kann zu gesundheitlichen Problemen führen.
Sprache – auch Schweigen – kann Gewalt sein.
Für wen ist Rhetorik von besonderem Interesse? Welche Menschen nehmen Ihre Hilfe in Anspruch?
- Rhetorik ist allgegenwärtig. Wir teilen uns ständig mit. Mein Ansatz ist, dass man sich sein Kommunizieren bewusst machen muss. Wenn ich mir aber meine Körpersprache bewusst mache und ab und an Pausen einlege beim Sprechen, kann ich viel souveräner erscheinen und merke auch selbst, dass ich das Gesagte vielleicht hätte weglassen können.
Zu mir kommen Menschen, die zum Beispiel als Juristen, Mediziner, Ingenieure ausgebildet wurden. Während des Studiums gab es wenige Berührungspunkte mit Rhetorik, aber nun müssen in Gerichtssälen Plädoyers gehalten oder fachliche Inhalte an Klienten vermittelt werden. Oder es sind Personen, die in neue Führungspositionen kommen, sie rutschen in eine exponierte Situation und es wird auf einmal genau beäugt, was und wie sie sprechen.
Meine Hilfe nehmen Menschen in Anspruch, denen es wichtig ist, ihr kommunikatives Potenzial durch professionelle Hilfe zu steigern. Die Anlässe, um sich für ein Training bei mir zu entscheiden, sind sehr unterschiedlich. Es kann ein Vortrag, ein Auftritt auf einer politischen Bühne, ein bevorstehendes Vorstellungsgespräch oder auch einfach der Wunsch sein, gelassen und gestärkt zu kommunizieren und Tipps zu erhalten, um Stress beim Sprechen zu vermeiden.
Gibt es so etwas wie einen Kardinalfehler beim Präsentieren oder Vortragen? Was machen die Menschen nicht richtig oder wo sind sie am meisten hilfebedürftig?
- Ein Kardinalfehler ist es, sich während des Vortrages Gedanken über die eigene Person zu machen. Also wenn man begleitende Sätze im Kopf hat wie „Sitzt meine Krawatte richtig?“, „Wie werde ich gefallen?“.
Viele machen auch den Fehler, sich selbst zu demontieren, indem sie darauf hinweisen, dass sie den Faden verloren haben, obwohl es im Raum noch gar keiner gemerkt hat.
Stellen sie sich einmal vor, die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hätte bei allen ihren Auftritten immer darüber nachgedacht, dass sie Bundeskanzlerin ist oder dass sie gerade eine wichtige Rede hält. Das wäre Selbstdemontage und würde nicht souverän wirken. Man sollte der Situation gewachsen sein und nicht noch darauf hinweisen, dass man es vielleicht doch nicht ist.
Für viele ist es schwierig, den Anfang zu finden bei einer Rede und ins Thema hineinzukommen. Ich kann ihnen dabei helfen, sich selbst in eine Wohlfühlatmosphäre zu begeben, als wären sie schon im Mittelteil des Vortrags.
Mark Twain hat einmal gesagt: „Rhetorik ist deshalb ein Problem, weil es schwierig ist, gleichzeitig zu reden und zu denken.“ Wisse also, worüber du sprichst. Der Inhalt muss sitzen und dann muss man sich Zeit nehmen für das Sprechen.
Zu Rhetorik gibt es schon jede Menge Literatur. Sie haben zwei Bücher veröffentlicht. Was ist in Ihren Publikationen anders?
- In meinen Publikationen ist ein Erfahrungsschatz aus der Praxis versammelt. Sowohl bei „Dirty Tricks“ als auch bei „Easy Tricks“ gibt es nur echte Seminarbeispiele. Auch Leidensgeschichten von Menschen aus meinen Kursen sind dabei, natürlich anonymisiert, sodass man beim Lesen wirklich verstehen oder sich identifizieren kann. Es gibt also immer ein Beispiel und dann kommen die Tricks. Ich wollte kein hundertstes Theoriebuch schreiben, sondern etwas Praxisrelevantes mit effizient einsetzbaren Tipps. Mir geht es darum, Menschen mit unterschiedlichen Kommunikationstypen zu bestärken im Sinne „Es geht trotzdem, nimm einfach mal deine Ich-seh-alles-schwarz-Brille ab, nimm mal eine andere Perspektive und eine andere Haltung zu dir selbst ein“. Das führt wirklich dazu, dass Kommunikation easy wird.
Das bringt mich zur letzten Frage: Würden Sie den Leser:innen einen Trick verraten, wie man zum Beispiel verhindert, Denkpausen mit dem berühmten „Ääähhhmm“ zu füllen?
- Ahhh … ja. Das ist ein Verlegenheitsfüllwort. Manche machen solch eine Denkpause im Satz, andere am Satzende. Die Prägnanz des Satzes geht durch ein „Ähm“ leider verloren. Was schnell hilft, ist Nasenatmung, denn dann muss der Mund geschlossen werden. Das kann man trainieren. … Rhetorik ist wie Sport, eine Trainingssache.
Frau Berghaus, vielen Dank für das Gespräch.