Interview: Mit Leidenschaft Deutsch lehren

Deutsch-Kursleiterinnen Frau Goldack, Frau Kaminski und Frau Sonntag im Interview

Dr. Lisa Fenzi, Programmbereichsleiterin, spricht mit den Kursleiterinnen Martina Kaminski, Dr. Angela Goldack, und Martina Sonntag (v. l. n. r.) über Deutschkurse, ihre Erfahrungen aus dem Unterricht, über Motivation in schwierigen Situationen und Freude über Teilnehmer:innen sowie zu Tipps rund ums Deutschlernen.

Frau Sonntag im Interview über das Lehren der deutschen Sprache

➥ Das Angebot an Deutschkursen ist sehr vielfältig. Neben den klassischen Kursen zu Grammatik, Konversation etc. gibt es spezielle Integrationskurse. Für wen sind sie gedacht und was sind ihre Inhalte?

Frau Sonntag: Jede Person, die in Deutschland länger bleiben darf – EU-Bürger:innen, Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis, einer Aufenthaltsgestattung und manchmal auch mit einer Duldung –, kann einen Antrag stellen und eine Zulassung zum Integrationskurs bekommen.
Frau Kaminski: Die Integrationskurse sind Deutschkurse, die das Ziel haben, auf die B1-Prüfung vorzubereiten. Wenn man alle Teile des Integrationskurses erfolgreich absolviert, bekommt man von Bundesamt von Migration und Flüchtlinge (BAMF) – das die Kurse finanziert – ein Zertifikat „Integrationskurs“, ein Zertifikat B1 und ein Zertifikat „Test Leben in Deutschland“.

➥ Alle Sprachkurse sind nach Stufen aufgebaut. Was bedeutet A1 oder B1.2?

Frau Kaminski: Die Stufen richten sich nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER). A1 ist das Anfänger-Niveau, B1 und B2 sind mittlere Niveaus. C1 und C2 bilden die höchste Sprachkompetenz ab.
Frau Goldack: Die Integrationskurse bedeuten sicherlich mehr „Bürokratie“ für die Teilnehmenden …
Frau Sonntag: … aber man muss unbedingt darauf hinweisen, dass die Kurse sehr günstig sind.
Frau Goldack: Gleichzeitig haben die Kurse eine hohe Qualität: Die Kursleiter:innen dürfen nur mit einer speziellen Qualifikation unterrichten, Fortbildungen finden regelmäßig statt.
Frau Kaminski: Dank der Intensität der Kurse und der Vielfalt der Teilnehmenden haben die Kursleiter:innen häufig interkulturelle Expertise. Wichtig ist auch: In den Kursen sind Menschen, die in Deutschland lange, vielleicht ihr ganzes Leben bleiben. Die Sprache zu lernen bedeutet, auch zum Arzt gehen zu können, eine Wohnung und eine Arbeit zu finden und das Leben der Familie und der Kinder zu organisieren.

Teilnehmer und Teilnehmerin im Deutsch-Unterricht

Unterrichtsszene: Gemeinsam Deutsch lernen

➥ Kommen wir nun zur Praxis: Wie können wir uns einen typischen Unterrichtstag vorstellen?

Frau Goldack: Ein wichtiger Aspekt der Kurse ist, dass sich eine Gemeinschaft bildet. Die Teilnehmenden bleiben lange zusammen und lernen sich kennen. Themen wie Gesellschaft, Werte, Lebensart in Deutschland sind in den Kursen besonders wichtig.
Frau Sonntag: Die Biografien der Teilnehmenden werden oft im Unterricht für die Übungen benutzt. Wir lernen voneinander und von den verschiedenen Kulturen.
Frau Kaminski: Wir arbeiten viel mit Methodenwechsel. Das bedeutet frontal und in Gruppen; wir singen, wir machen Spaziergänge und lösen dabei Aufgaben. Der Ablauf des Unterrichts ist unterschiedlich wie die Kursleiter:innen selbst, aber wir starten fast alle mit einem Warm-up und wiederholen zu Beginn des Tages wichtige Strukturen.

➥ Eine neue Sprache zu lernen kann einen ganz schön überwältigen. Was ist das Wichtigste am Anfang? Gibt es Tricks beim Üben?

Frau Sonntag: Es kann passieren, dass man alle grammatikalischen Strukturen kennt, aber nicht sprechen kann. Das soll nicht passieren. Im Unterricht arbeiten wir dagegen und versuchen, alle Fähigkeiten gleich zu stärken. Reden ist unserer Meinung nach, gerade in den Stufen bis B1, das Wichtigste.
Frau Goldack: … und hören!! Und ich rate auch dazu, die Sätze nachzusprechen.
Frau Sonntag: In der vhs.cloud, die wir zu jedem Präsenzkurs benutzen, habe ich alle Hörbeispiele aus dem Unterricht zur Verfügung gestellt. Es ist nicht wichtig, dass man alles versteht, es geht häufig darum, den Sinn insgesamt zu verstehen.
Frau Kaminski: Tricks funktionieren aber nicht für alle gleich, diese sind sehr individuell und jede:r soll herausfinden, was ihm oder ihr Spaß macht.

Frau Dr. Goldack im Interview über das Lehren der deutschen Sprache

➥ Was kann ich tun, wenn ich mich nicht traue zu reden oder in der Grammatik unsicher fühle?

Frau Goldack: So viel wie möglich nach draußen gehen und zuhören oder doch versuchen, kleine Sätze zu sprechen …
Frau Sonntag: … aber das ist schwierig. Man findet vielleicht zu wenig Gelegenheiten zum Sprechen. Die VHS Pankow bietet neben den Sprachkursen auch Sportkurse, Kochkurse, Kunstkurse an – hier kann man viele Menschen treffen, mit ihnen sprechen und den eigenen Hobbys nachgehen oder Neues entdecken.

➥ Wie kann ich mich motivieren, wenn ich das Gefühl habe, ich komme nicht weiter?

Frau Kaminski: Ich glaube eine gute Motivation ist, wenn der Unterricht gut ist, wenn man sich im Kurs und in der Gruppe wohl fühlt, wenn man Lernerfolge hat. Man hat Lust regelmäßig zu kommen, wenn man eine angstfreie und gute Lernatmosphäre erlebt.
Frau Goldack: Häufig nimmt die Gruppe die Teilnehmenden mit Lernschwierigkeiten mit! Und dann lernen sie zusammen, in Lerngruppen oder kleinen „Sprach-Cafés“.
Frau Sonntag: Aber es stimmt auch, dass die Teilnehmenden ein gewisses Niveau erreichen müssen, wenn das nicht sofort klappt, dann ist es auch möglich, einen Kurs zu wiederholen. Das kann häufig helfen, mit mehr Freude und weniger Angst weiterzukommen.
Wie schaffen Sie es, in Ihrer Klasse eine positive, konfliktfreie Lernatmosphäre zu erzeugen?
Frau Kaminski: Fehler zulassen, wertfrei akzeptieren, Rücksichtnahme und ganz wichtig: oft loben – weil die Teilnehmenden unglaubliche Fortschritte machen!
Frau Goldack: Man muss manchmal Regeln für das Lernen in der Gruppe aufstellen. Wichtig ist auch: Wir behandeln jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer gleich.
Frau Sonntag: … und dann viel Lachen, auch über sich selbst und mit Respekt und Toleranz für die Gruppe und die unterschiedlichen Arten zu lernen.

Programmbereichsleiterin Dr. Lisa Fenzi interviewt Deutsch-Kursleiterinnen

Programmbereichsleiterin Dr. Lisa Fenzi

➥ Bei den verschiedenen Herkünften denkt man an anfängliche Sprachbarrieren. In welcher Sprache findet der Unterricht statt?

Frau Sonntag: Wir sprechen Deutsch, von Anfang an, manchmal auch mit Händen und Füßen. Man soll erstmal lernen sich zu öffnen und die Sprache wirken zu lassen, auch wenn man sich zu Beginn verwirrt fühlt.
Frau Goldack: Es ist sehr wichtig, dass man ohne Handy-Übersetzer die Texte liest! Man braucht Phantasie, um eine Sprache zu lernen. Wenn man jedes Wort nachschaut, bevor man überlegt, was es bedeuten könnte, dann wird man nur schwer lernen können.

➥ Eine letzte Frage: Was bereitet Ihnen große Freude bei Ihrer Arbeit mit den Teilnehmenden?

Frau Kaminski: In den Niveaustufen A2.1 und A2.2 fangen die Teilnehmenden an, sich miteinander auf Deutsch zu unterhalten und dann auch mit uns: sie fragen, erzählen, erklären – alles auf Deutsch! Das ist wunderbar und für uns alle eine unglaubliche Freude!

Liebe Frau Goldack, liebe Frau Kaminski und liebe Frau Sonntag, vielen Dank für das schöne Gespräch.