Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr ungünstig stehende Tische in einem Restaurant, meist in der Nähe von Türen oder Toiletten, werden umgangssprachlich auch gerne als „Katzentische“ bezeichnet. Darunter fallen im häuslichen Bereich auch solche, die nicht zur eigentlichen Tischordnung gehören. Kinder sitzen bei Festlichkeiten oft an solchen abseits platzierten Esstischen, die meist auch niedriger sind.
Auf einer Karikatur zur „Finanzierung der Bildungssysteme in Europa“ ist folgende Szene aus einem Restaurant gezeichnet: An einem reich mit Speisen und Getränken gedeckten Tisch sitzen Menschen, die jeweils für „Schule“, „Universität“ und „Berufsausbildung“ stehen. Diese werden gerade vom Ober mit einem übervollen Tablett mit weiteren Speisen bedient. Abseits davon sitzen zwei Personen an einem kleinen und niedrigen Tisch mit dem Schild „Erwachsenenbildung“ – fraglos ein Katzentisch. Die beiden versuchen dem Ober erfolglos Handzeichen zu geben, dass sie auch etwas bestellen möchten.
Auch wenn ich bezweifeln würde, dass die Ausstattung des schulischen und universitären Bereichs tatsächlich so üppig ist, wie das Bild nahelegen will, so ist doch zweifellos richtig, dass die Erwachsenenbildung bei bildungspolitischen Diskussionen für ihre Sichtbarkeit kämpfen muss. Ich erlebe es in meinem beruflichen Alltag immer wieder, dass die Volkshochschule ihre Wichtigkeit ausdrücklich betonen und darstellen muss, wenn es z.B. um die Bereitstellung von Räumen, Geld und Personal geht.
Dabei handelt es sich bei der Erwachsenenbildung in Deutschland insgesamt um einen riesigen Bildungsbereich. Glaubt man dem aktuellen Weiterbildungs-Monitor so sind 1,3 Millionen – lehrend, planend und beratend – in der Erwachsenen-/Weiterbildung beschäftigt (davon ca. jeder sechste an einer Volkshochschule). Im Vergleich dazu: in der Autoindustrie arbeiten 830 000 Menschen.
Die deutschen Volkshochschulen feiern im Jahr 2019 ihr 100jähriges Jubiläum. Doch längst reichen die staatlichen Fördermittel nicht mehr aus, um sie am Leben zu halten: Die deutschen Volkshochschulen finanzieren sich inzwischen jeweils zu einem Drittel aus staatlichen Förderungen, Teilnehmerentgelten und eingeworbenen Drittmitteln.
Die Volkshochschule leistet von jeher einen Beitrag dazu, das Leben lebenswerter zu machen. Daher setzen wir uns für eine leistungsstarke und moderne Volkshochschule ein und tun, was in unseren bezirklichen Möglichkeiten liegt, wenn es um gute Räume, gute Ausstattung und gutes Personal geht.
Jüngstes Beispiel: Im kommenden Jahr werden wir die digitale Ausstattung unserer Volkshochschule weiter ausbauen und verbessern. Auch die von Ihnen gezahlten Entgeltzuschläge helfen uns, die Infrastruktur auszubauen und zeitgemäßen Unterricht anzubieten. Aber digitale Infrastruktur allein hilft noch nicht viel beim Lernen. Deshalb haben wir als erste Volkshochschule in Berlin eine Mitarbeiterin, die sich als Mediencoach ausschließlich dem digitalen Lernen widmet. Auf unserer Homepage finden Sie unter „Aktuelles“ ein Interview mit ihr, in dem sie ihre Aufgabe vorstellt.
Denn in Berlin Mitte sollen Sie nicht am Katzentisch sitzen, wenn es um Ihre Bildung geht.
Viel Spaß beim Lernen in der Volkshochschule!
Sabine Weißler