Die Gilberto-Bosques-Volkshochschule in Friedrichshain-Kreuzberg hat geschlossen. Genauer gesagt: Die beiden Standorte in der Frankfurter Allee und in der Wassertorstraße sind für viele Menschen, die hier lernen, unterrichten, beraten und beraten werden, nicht mehr zugänglich.
BürgerInnen aus Friedrichshain-Kreuzberg lernten an der größten Einrichtung der Erwachsenenbildung im Bezirk eine Fremdsprache, ein Kunsthandwerk, eine besondere Kunst oder nahmen an einem Kurs im Rahmen der Gesundheitsbildung teil. Sie probierten neue Methoden für die moderne Arbeitswelt aus und übten sich im Umgang mit Medien. Und nun sind die Türen geschlossen: Wo von 9 Uhr morgens bis nach 21 Uhr abends ein lebendiges Treiben herrschte, zeigt ein rotweißes Flatterband eine Grenze auf. Damit werden staatlich verordnete Maßnahmen zur Eindämmung, bzw. Verlangsamung des Corona-Virus umgesetzt. Menschen reduzieren damit ihre persönlichen Kontakte auf ein Mindestmaß, und das betrifft auch das soziale Lernen in Gruppen. Genau dafür steht eine Volkshochschule: das gemeinsame Lernen im Erwachsenenalter.
Auch wenn die Türen geschlossen sind, so sitzen dahinter in den Büros Menschen, die Honorare anweisen, weiterhin auch TeilnehmerInnen für Kurse und Prüfungen anmelden. Und es wird umgeplant: In den einzelnen Programmbereichen suchen Menschen nach Alternativen zum gewohnten Lernen im Kursraum und versuchen zeitgleich, diese nun möglichst schnell auch in die Praxis umzusetzen. Denn die BürgerInnen werden in den nächsten Wochen viel Zeit in den eigenen Wohnungen verbringen. Vor der Volkshochschule steht die Aufgabe, möglichst passende Online-Angebote zu planen und anzubieten.
An der Volkshochschule in Friedrichshain-Kreuzberg entwerfen wir für unsere Programmbereiche solche Kurse und gehen damit einen Schritt aus einem gewohnten Kursraum in die digitale Welt. Im letzten Jahr wurde auf einem Web Learning Day der Berliner Volkshochschulen gezeigt, wie digitales Lernen an der VHS funktionieren kann. Mit vielen ExpertInnen wurden Szenarien ausprobiert, digitale Werkzeuge für den Unterricht vorgestellt und Kursangebote hinterfragt, wie weit sie sich für den digitalen Raum öffnen sollten und können. Mit VertreterInnen der Landespolitik wurde zudem in einer Podiumsdiskussion ein Strategiepapier zu den (digital) Erweiterten Lernwelten diskutiert und sehr positiv aufgenommen. Dort wurde konkret aufgezeigt wurde, wie der digitale Wandel in der Erwachsenenbildung gestaltet werden kann und welche Ressourcen notwendig sind. Die Volkshochschulen hoffen weiterhin, dass diese aufgezeigte digitale Strategie nun auch in kurzer Zeit umgesetzt werden kann.
Was kann schon jetzt in dieser Situation auf die Beine gestellt werden? Wie geht man bei einer Planung vor? Die Leitung eines Programmbereich versucht als erstes einen vernünftigen Rahmen für einen digitalen Unterricht festzulegen: Was ist sinnvoll? Kurze oder lange Kurse? Viel Input oder in Zeiten einer verordneten Isolation nicht vielmehr der Austausch über die Inhalte? Gemeinschaftliches Lernen kann man auch im digitalen Raum anstoßen, gemeinsam an einem Text schreiben, in einer Webkonferenz über ein Thema sprechen, Aufgaben in der Buchführung lösen, die Ergebnisse vergleichen und Lösungswege in einem Chat diskutieren, über Fotografien sprechen, die man in einem kleiner werdenden Radius aufgenommen hat. Das kann man auch in Englisch, Spanisch oder Türkisch praktizieren und seine Fremdsprache verbessern. Warum nicht einen Kurzfilm in einer Fremdsprache sehen und von einer Dozentin oder einem Dozentin Fragen beantworten, über die man in einem Chat in der zu lernenden Fremdsprache sprechen kann? Menschen werden zur gleichen Zeit aktiv und tauschen sich in Echtzeit aus, das ist wichtig in Zeiten der Corona. Und das ist auch ein Prozess der Demokratiebildung, die an den Volkshochschule eine Heimat gefunden hat. Was genau sind eigentlich die Themen im Bereich Gesellschaft und Politik, die Menschen derzeit auf den Nägeln brennen? Was sind die Kompetenzen, die die Menschen für die Zeit nach der Krise aufbauen wollen? Und das alles, um die Zeit der Krise für sich auch zu nutzen. Zeitgleich versuchen wir in Webinaren, das sind rein digitale Kurse, unsere Lehrkräfte fortzubilden und ihnen die Möglichkeiten des digitalen Lernens aufzuzeigen, die sie sogleich ausprobieren werden. Die Volkshochschule ist eine lernende Institution und wird sich damit grundlegend verändern.
Digitale Angebote werden auch nach Corona ein bedeutender Bestandteil der Erwachsenenbildung sein. Auch wenn wir das rote Flatterband entfernen dürfen und unsere Kursräume für die BürgerInnen wieder öffnen, um gemeinsam vor Ort zu lernen, werden zusätzliche Online-Kursräume eine wichtige Bereicherung sein. Das Fundament dazu entwickeln wir jetzt. Seien Sie gespannt, wie wir das in den nächsten Wochen umsetzen werden! Oder haben Sie vielleicht sogar eine Idee, kommen Sie auf uns zu, sprechen Sie uns an. In einer Krise liegen auch immer neue Wege verborgen, die wir nun gemeinsam mit ihnen gehen wollen.
Auf geht’s!
Ihr Maik Walter
Direktor der Gilberto-Bosques-Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg