Dem Schutz des Grundwassers als natürliche Ressource ist größte Bedeutung beizumessen, da das Grundwasser die Basis der Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ gutem Trinkwasser bildet und damit eine entscheidende Lebensgrundlage darstellt.
Eine erste Voraussetzung für den Grundwasserschutz ist der Schutz des Bodens und der ungesättigten Zone (zusammengefasst im Begriff der Grundwasserüberdeckung) vor Kontaminationen, denn die Versickerung von Schadstoffen von der Erdoberfläche in den Boden und weiter ins Grundwasser stellt die Hauptkontaminationsquelle für die Grundwasserressourcen dar.
Die Charakterisierung der Verschmutzungsempfindlichkeit des Grundwassers gegenüber von der Erdoberfläche eindringenden Schadstoffen ist daher eine wichtige Grundlage für Planungen und Maßnahmen im Hinblick auf einen vorsorgenden Grundwasserschutz und für prognostische Aussagen über potenzielle Gefährdungen von Grundwasservorkommen, wie sie u.a. für die Berichterstattung im Rahmen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie WRRL (EU 2000) gefordert sind.
Grundsätzlich ist das Grundwasser überall empfindlich gegenüber von der Oberfläche eingetragenen Schadstoffen. Räumliche Unterschiede in der Verschmutzungsempfindlichkeit ergeben sich jedoch aus den unterschiedlichen Zeiten, die von der Erdoberfläche eingetragene Stoffe benötigen, um ins Grundwasser zu gelangen und dort u.U. Kontaminationen zu verursachen. Die Verschmutzungsempfindlichkeit eines Grundwasservorkommens lässt sich deshalb beschreiben als die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmter Anteil eines Schadstoffes in einer bestimmten Zeit das Grundwasser erreicht bzw. erreichen kann.
Zur Definition und Einschätzung der Grundwasserverschmutzungsempfindlichkeit liegen verschiedene Ansätze und Methoden vor. Neben dem Begriff der "Verschmutzungsempfindlichkeit der Grundwassers" wird der Begriff "Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung" gebraucht, wobei eine hohe Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung eine geringe Verschmutzungsempfindlichkeit des Grundwassers bedeutet und umgekehrt.
Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen einer intrinsischen und spezifischen Verschmutzungsempfindlichkeit des Grundwassers bzw. Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung.
Die intrinsische ("dem Standort innewohnende") Verschmutzungsempfindlichkeit bezieht sich ausschließlich auf die natürlichen Eigenschaften der Grundwasserüberdeckung. Sie kann in Anlehnung an Voigt et al. (2003) als "worst case Szenario eines Schadstoffeintrages in die ungesättigte Zone, bei der keine Wechselwirkungen des Schadstoffes mit den Medien in der ungesättigten Zone stattfinden" betrachtet werden. Die intrinsische Verschmutzungsempfindlichkeit kann auf der Grundlage der Sickerwassergeschwindigkeit bzw. Verweilzeit des Sickerwassers in der Grundwasserüberdeckung eingeschätzt werden.
Die spezifische Verschmutzungsempfindlichkeit bezieht den Eintrag von spezifischen (Schad-) Stoffen an der Erdoberfläche mit ein. Die spezifische Verschmutzungsempfindlichkeit ist daher immer im Hinblick auf eine bestimmte Nutzung bzw. einen von dieser Nutzung ausgehenden potenziellen oder realen Schadstoffeintrag in das Grundwasser zu betrachten. Dabei spielen nicht nur die geologisch-hydrologischen Randbedingungen, sondern vor allem das spezifische Verhalten des zu betrachtenden (Schad-) Stoffes bzw. der zu betrachtenden (Schad-) Stoffgruppen und deren potenziell oder real freigesetzte Mengen eine Rolle. Die spezifische Verschmutzungsempfindlichkeit kann je nach Schadstoff am selben Standort bei gleicher intrinsischer Verschmutzungsempfindlichkeit durchaus sehr unterschiedlich sein.
Faktoren, welche die Verschmutzungsempfindlichkeit bestimmen, sind:
- Die Mächtigkeit der Grundwasserüberdeckung, d.h. die Tiefe, in der sich das Grundwasser unter der Oberfläche befindet; die geologisch-lithologischen und die geochemischen Eigenschaften der auftretenden Böden und Gesteine mit ihren Bestandteilen, welche die Wasserleitfähigkeit, das Wasserrückhaltevermögen (durch kohäsive Bindung an Bodenbestandteilen) und das Adsorptionsvermögen für bestimmte Stoffe bestimmen.
- Die Sickerwassermenge, die in die Grundwasserüberdeckung eindringt und der Anteil des Sickerwassers der letztlich dem Grundwasser zufließt (Grundwasserneubildung), da Stoffe in der ungesättigten Zone über das Sickerwasser ins Grundwasser verlagert werden. Sickerwassermenge und Höhe der Grundwasserneubildung sind abhängig von den klimatischen Größen Niederschlag und Verdunstung sowie vom geologischen Aufbau der ungesättigten Zone, der Oberflächenmorphologie, der Bodennutzung und der Oberflächenversiegelung.
- Der Aufbau der grundwasserführenden Gesteine unterhalb der Grundwasseroberfläche (Grundwasserleiter und Grundwasserhemmer), ihre Dimension und Mächtigkeit, ihre geologisch-lithologischen/geochemischen (und in Zusammenhang damit ihre physikalischen) Eigenschaften wie die nutzbare Porosität und die Wasserleitfähigkeit sowie schließlich das Grundwassergefälle und die Grundwasserfließrichtung. Diese Parameter bestimmen, wie sich Wasser und gelöste Stoffe, nachdem sie ins Grundwasser gelangt sind, im Untergrund ausbreiten können.
- Im Fall der spezifischen Verschmutzungsempfindlichkeit zusätzlich die spezifischen chemisch/physikalischen Eigenschaften von Schadstoffen wie z.B. der Aggregatzustand (fest, flüssig, gasförmig), die Löslichkeit in Wasser, die Abbaubarkeit durch chemische oder biochemische Prozesse und die ökologisch/toxikologischen Eigenschaften.
Während die allgemeinen Zusammenhänge zwischen klimatischen, pedologischen, geologischen und hydrogeologischen Bedingungen und der Grundwasserverschmutzungsempfindlichkeit recht einfach erscheinen, ist die Quantifizierung der Prozesse, die die Grundwasserverschmutzungsempfindlichkeit im einzelnen determinieren, recht kompliziert und erfordert in der Regel eine sehr umfassende Datenbasis und vielfach komplexe Methoden.
Als Anhaltspunkt für die Verschmutzungsempfindlichkeit des Grundwassers ist aus den Kenngrößen zur Mächtigkeit und den Eigenschaften der Grundwasserüberdeckung sowie der Grundwasserneubildungsrate die Verweilzeit des Sickerwassers als Maß für die Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung abgeleitet und in vorliegender Karte dargestellt worden.