Die Ursachen für die Temperaturerhöhung sind vielfältig und stehen im direkten Zusammenhang mit der fortschreitenden baulichen Entwicklung und den vorhandenen Nutzungen an der Erdoberfläche. Es lassen sich dabei direkte von indirekten Beeinflussungen der Grundwassertemperatur unterscheiden (s. a. Abb. 1):
- Unter einer direkten Beeinflussung der Grundwassertemperatur werden alle Wärmeeinträge in das Grundwasser durch das Abwasserkanalnetz, Fernheizleitungen, Stromtrassen und unterirdische Bauwerke wie Tunnel, U-Bahnschächte, Tiefgaragen etc. verstanden.
- Sie umfassen auch Wärmeeinträge, die mit der Grundwasserwärmenutzung und -speicherung in Verbindung stehen.
- Unter einer indirekten Beeinflussung der Grundwassertemperatur werden Prozesse im Zuge der Urbanisierung verstanden, die mit der Veränderung des Wärmehaushalts der bodennahen Atmosphäre entstehen. Nach Gross (1991) sind als wichtige Größen zu nennen:
- Die Störung des Wasserhaushalts durch einen hohen Versiegelungsgrad
- Die Veränderung der Bodeneigenschaften durch eine Anhäufung von Baukörpern (Veränderung der Oberflächenwärmeleitung und -wärmekapazität)
- Die Änderung des Strahlungshaushaltes durch Veränderungen in der Luftzusammensetzung
- Die anthropogene Wärmeerzeugung (Hausbrand, Industrie, Verkehr).
Durch die o. g. Unterschiede wird im Vergleich zum Umland eine Veränderung des Wärmehaushalts hervorgerufen. Die Stadt heizt sich langsam auf, speichert insgesamt mehr Wärme und gibt diese wieder langsam an die Umgebung ab, d. h., sie kann allgemein als ein riesiger Wärmespeicher betrachtet werden. Langfristig führt dieser Prozess zu einer Erhöhung des langjährigen Mittels der Luft- bzw. Bodentemperatur (vgl. Karte 04.02, SenStadt 2001).
Die langfristige Erwärmung des oberflächennahen Bodens führt auch zu einer Erwärmung des Grundwassers. Da die Temperatur die physikalischen Eigenschaften sowie die chemische und biologische Beschaffenheit des Grundwassers beeinflusst, können eine Qualitätsverschlechterung des Grundwassers und eine Beeinträchtigung der Grundwasserfauna die Folge sein.
Berlin bezieht sein Trinkwasser zu 100 % aus dem Grundwasser, welches fast ausschließlich im Land Berlin gewonnen wird. Auch einen Großteil des Brauchwassers für industrielle Zwecke liefert das Grundwasser. Daher ist der Schutz des Grundwassers vor tief greifenden Veränderungen wie z. B. einer signifikanten Grundwassertemperaturerhöhung oder -erniedrigung von hoher Bedeutung – speziell vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Wasserwirtschaft.
Seit 1978 werden in tiefen Grundwassermessstellen, die über das ganze Stadtgebiet des Land Berlin verteilt sind, verstärkt Temperaturprofile aufgenommen und zu raumzeitlichen Darstellungen des Grundwassertemperaturfeldes verarbeitet und ausgewertet.
Das vorliegende Kartenwerk soll
- die Fortschreibung der vorliegenden Dokumentation zur zeitlichen Veränderung der Grundwassertemperatur unter dem Stadtgebiet sein und
- als Genehmigungsgrundlage für Grundwassertemperatur verändernde Maßnahmen dienen.
Zusätzlich kann es in Kombination mit anderen thematischen Karten wie z. B. der Geologie und Hydrogeologie zur Entscheidungsfindung und Vorplanung einer energetischen Bewirtschaftung des Grundwassers herangezogen werden. Die Untergrundtemperatur ist z. B. eine wichtige Größe für die Auslegung von Erdwärmesondenanlagen.
Innerhalb der letzten Jahre ist eine stark ansteigende Nachfrage nach Erdwärmesonden in Kombination mit Wärmepumpen zum Heizen und anderen thermischen Nutzungen des Untergrundes z. B. zur Klimatisierung von Gebäuden zu beobachten. Gerade im urbanen Bereich können die unterschiedlichsten thermischen Nutzungen auf engstem Raum miteinander konkurrieren. Um die Auswirkungen dieser Nutzungen zu überwachen, kommt der regelmäßigen Überwachung der Grundwassertemperatur eine zunehmend wichtige Bedeutung zu.
Grundwassertemperatur und Temperaturjahresgang
Die wesentliche Wärmequelle für den oberflächennahen Untergrund bis in ca. 20 m Tiefe ist die Sonneneinstrahlung, die auf die Erdoberfläche trifft. Diese ist maßgeblich für die Oberflächentemperatur verantwortlich.
Der oberflächennahe Boden wird durch die eingestrahlte Sonnenenergie erwärmt und dieser gibt die Wärme an die Atmosphäre und den Untergrund ab. Die Jahressumme des Strahlungsanteils der auf eine horizontale Oberfläche auftrifft (die sog. Globalstrahlung) beträgt im Land Berlin im Mittel rd. 1.000 kWh pro m² und Jahr. Wieviel Energie letztendlich über die Erdoberfläche in den Untergrund eingetragen wird, ist sehr stark von deren Oberflächenbeschaffenheit abhängig. Dabei spielen Faktoren wie z. B. die Farbe, der Feuchtegehalt sowie die Art und der Grad der Bodenbedeckung eine wichtige Rolle.
Grundsätzlich unterliegen die Temperaturen an der Erdoberfläche und somit auch der Wärmeeintrag bzw. -austrag periodischen Schwankungen mit einem Zyklus von einem Jahr, entsprechend dem Verlauf der Jahreszeiten.
Die Oberflächentemperatur dringt mit abnehmender Intensität in den Untergrund ein. Die Eindringtiefe und die Geschwindigkeit mit der die Wärme transportiert wird, ist abhängig von der Wärmeleitfähigkeit des Untergrundes.
Beim Wärmetransport im Untergrund kann zwischen konduktivem und konvektivem Wärmetransport unterschieden werden.
Während beim konvektiven Wärmetransport die Wärmebewegung durch Materie wie z. B. Grund- und Sickerwasser erfolgt, wird beim konduktiven Transport Energie durch Stoßfortpflanzung zwischen den Molekülen transportiert.
Im Gegensatz zur Sonneneinstrahlung als Hauptwärmequelle der Erdoberfläche besitzt der aus dem Erdinnern zur Oberfläche gerichtete Erdwärmestrom, der seinen Ursprung in der Wärmeentwicklung beim Zerfall radioaktiver Isotope hat, nur eine untergeordnete Bedeutung.
In der kontinentalen Erdkruste ist die Wärmestromdichte – definiert als Wärmestrom pro Flächeneinheit senkrecht zur Einheitsfläche – regional verschieden. Nach Hurtig & Oelsner (1979) und Honarmand & Völker (1999) beträgt die mittlere Wärmestromdichte im Land Berlin zwischen ca. 80 und 90 mW/m². Daraus berechnet sich als Jahressumme eine Energiemenge von rd. 0,75 kWh pro m² und Jahr und ist somit also rd. 1/1.000 geringer als die Globalstrahlung.
Die Temperatur oberflächennaher Grundwässer wird also im Wesentlichen durch den Energieaustausch zwischen Sonne, Erdoberfläche und Atmosphäre, untergeordnet durch den aus dem Erdinneren zur Oberfläche gerichteten Wärmestrom bestimmt.
Die regionale Jahresdurchschnittstemperatur an der Oberfläche in Berlin beträgt unter anthropogen unbeeinflussten Verhältnissen ca. 8,0 bis 8,5 °C.
Während die tageszeitlichen Schwankungen nur eine Tiefe von bis zu 1,0 m erfassen, reichen die jahreszeitlichen bis in eine Tiefe zwischen 15 und max. 25 m. Ab dieser Tiefe, in der jahreszeitliche Einflüsse nicht mehr zu registrieren sind, – der sog. neutralen Zone -, steigt die Temperatur in Abhängigkeit von der Wärmeleitfähigkeit der Gesteine und der regionalen Wärmestromdichte an (Abb. 2).
Im Berliner Raum beträgt der durchschnittliche Temperaturanstieg im Bereich bis ca. 300 m Tiefe 2,5 bis 3 °C / 100 m.