Zu erwartender mittlerer höchster Grundwasserstand (zeMHGW) 2016

Einleitung

Die Planung, der Bau und die behördliche Erlaubnis von Anlagen zur Niederschlagswasserversickerung erfordert u. a. zwingend die Berücksichtigung des mittleren höchsten Grundwasserstandes (MHGW). So muss der Abstand zwischen der Sohle der Versickerungsanlage und der Grundwasseroberfläche mindestens einen Meter betragen, wobei als Höhe der Grundwasseroberfläche im Land Berlin – jedenfalls außerhalb der Trinkwasserschutzzonen (s. auch Abschnitt Kartenbeschreibung weiter unten) – der mittlere höchste Grundwasserstand bzw. der zu erwartende mittlere höchste Grundwasserstand (MHGW / zeMHGW) anzusetzen ist (NWFreiV, Abbildung 1).

Abb. 1: Mindestabstand von der Sohle der Versickerungsanlage zum mittleren höchsten Grundwasserstand/zu erwartenden mittleren höchsten Grundwasserstand (MHGW/zeMHGW)

Abb. 1: Mindestabstand von der Sohle der Versickerungsanlage zum mittleren höchsten Grundwasserstand/zu erwartenden mittleren höchsten Grundwasserstand (MHGW/zeMHGW)

Weiterhin kann der MHGW im Bauwesen in bestimmten Fällen auch für erdstatische Berechnungen verwendet werden und auch für andere wasserwirtschaftliche und ökologische Fragestellungen von Bedeutung sein.

Der mittlere höchste Grundwasserstand (MHGW) ist als der Mittelwert der Jahreshöchstwerte des beobachteten Grundwasserstands definiert.

Der MHGW wird anhand von Grundwasserständen berechnet, die an Grundwassermessstellen registriert worden sind. Um statistisch gut gesicherte Werte zu erhalten, sollten die Grundwasserganglinien auf einer möglichst hohen Messfrequenz basieren. Wird der MHGW für einen Ort benötigt, an dem keine bzw. keine geeignete Grundwassermessstelle vorhanden ist, kann der MHGW aus den Werten benachbarter Messstellen interpoliert werden. Der mittlere höchste Grundwasserstand ist in beiden Fällen ein Wert, der aus in der Vergangenheit beobachteten Grundwasserständen ermittelt wird.

Der MHGW wird in der Praxis meist für in die Zukunft gerichtete Fragestellungen benötigt. Er ist somit nur dann aussagekräftig, wenn davon auszugehen ist, dass sich der Grundwasserstandsgang in der Zukunft ähnlich wie in der Vergangenheit verhalten wird. In weiten Teilen des Berliner Stadtgebiets ist das jedoch nicht der Fall, da der Grundwasserstand künstlich, teilweise dauerhaft und teilweise zeitlich begrenzt, verändert worden ist.

Zu den dauerhaften Maßnahmen, die die natürlichen geohydraulischen Verhältnisse in der Vergangenheit in örtlich unterschiedlichem Ausmaß überprägt haben und auch zu unterschiedlichen Zeiten eingesetzt haben, zählen:

  • die Regenwasserkanalisation, die eine Verminderung der Grundwasserneubildung und damit eine Absenkung des Grundwasserstands zur Folge hat;
  • die dezentrale Regenwasserverbringung über Versickerungsanlagen, wodurch die Grundwasseroberfläche in Abhängigkeit von den Niederschlagsereignissen örtlich angehoben werden kann;
  • Dränagen und Gräben, mit denen der Grundwasserstand gebietsweise gezielt abgesenkt wurde;
  • wasserbauliche Maßnahmen (Stauhaltungen, Ufereinfassungen, Gewässerbegradigungen), die sowohl zu einer Anhebung wie zu einer Absenkung des Grundwasserstandes führen können;
  • in das Grundwasser hineinreichende Bauwerke, mit der Auswirkung eines Aufstaus des Grundwassers in Anstromrichtung bzw. einer Absenkung in Abstromrichtung.

Zu den zeitlich begrenzten Maßnahmen bzw. denjenigen, die in ihrem Ausmaß stark variieren können, gehören:

  • Grundwasserentnahmen für die öffentliche und private Wasserversorgung sowie zum Zweck der Wasserfreihaltung von Baugruben oder zur Altlastensanierung, die zur Absenkung der Grundwasseroberfläche führen;
  • Grundwasseranreicherungen zur Erhöhung des Grundwasserdargebots für die öffentliche Wasserversorgung, die in der Umgebung der Anreicherungsanlagen den Grundwasserstand anheben;
  • Reinfiltration von gehobenem Grundwasser, z.B. im Rahmen von Grundwasserhaltungsmaßnahmen für Bauzwecke, wodurch – meist örtlich begrenzt – ebenfalls die Grundwasseroberfläche angehoben wird.

Durch diese Vielzahl möglicher künstlicher Maßnahmen mit Auswirkungen auf das Grundwasser wird deutlich, dass es im Einzelfall selbst für Fachleute mitunter schwierig zu beurteilen ist, ob und in welchem Ausmaß beobachtete Jahreshöchstgrundwasserstände, aus denen der MHGW berechnet wird, anthropogen beeinflusst sind und damit in wie weit der MHGW vermutlich auch zukünftig gültig sein wird. Ein anderes Problem ergibt sich daraus, dass sowohl die Beobachtungszeiträume der einzelnen Grundwassermessstellen und auch die Messfrequenzen häufig recht unterschiedlich sind. So gibt es einerseits Messstellen, die bereits seit über 140 Jahren beobachtet werden, andererseits welche, die erst seit wenigen Jahren existieren. Die Messfrequenz variiert zwischen täglichen Messungen, wie heute an den meisten Messstellen des Senats, und 14-täglichen und selteneren Messungen, die den tatsächlichen Gang des Grundwasserstandes und damit seine Höchstwerte nicht so sicher erfassen können. Damit sind die MHGW der einzelnen Messstellen nicht direkt miteinander vergleichbar, was aber insbesondere bei der Interpolation erforderlich ist. In der Praxis erfolgte daher seitens der Berliner Landesgeologie eine relativ zeitaufwändige Datenbeurteilung und –auswahl zur Berechnung des MHGW in jedem Einzelfall. (Anmerkung: Die früher gemachte Angabe des sog. 90er-Perzentilwerts der Grundwasserstandsdaten einer Messstelle zur Festlegung eines Bemessungswerts für Versickerungsanlagen entspricht in etwa dem mittleren höchsten Grundwasserstand.)

Die Abbildung 2 zeigt drei Beispiele von Grundwasserganglinien mit MHGW-Werten im Berliner Urstromtal: Die Grundwassermessstellen 5476 und 8979 lassen starke Beeinflussungen durch Grundwasserentnahmen bis in die 1990er Jahre hinein erkennen, wobei das Ende der Beeinflussung hier nicht exakt festzustellen, aber durch den Bearbeiter für die Berechnung des mittleren höchsten Grundwasserstands festzulegen ist. Einen deutlich längeren unbeeinflussten Gang, etwa ab 1980 aber auch in der Zeit zwischen 1965 und 1975 zeigt die Messstelle 137. Zur Ermittlung eines MHGW, der z.B. zur Planung einer Versickerungsanlage benutzt werden soll, macht es nur Sinn, die Daten aus den unbeeinflussten Zeiträumen zu verwenden.

Abb. 2: Grundwasserganglinien von Messstellen im Urstromtal mit MHGW-Werten für Zeitabschnitte mit augenscheinlich nicht oder nur geringfügigen künstlichen Beeinflussungen durch Grundwasserentnahmen oder -einleitungen.

Abb. 2: Grundwasserganglinien von Messstellen im Urstromtal mit MHGW-Werten für Zeitabschnitte mit augenscheinlich nicht oder nur geringfügigen künstlichen Beeinflussungen durch Grundwasserentnahmen oder -einleitungen.

Um sowohl den Arbeitsaufwand bei der Ermittlung des MHGW deutlich zu verkleinern als auch das Problem der künstlichen, zeitlich begrenzten Beeinflussung des Grundwasserstandes zu eliminieren, die zu MHGW-Werten führen kann, mit denen zukünftig nicht mehr zu rechnen ist, hat die Arbeitsgruppe Landesgeologie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt eine Karte des zu erwartenden mittleren höchsten Grundwasserstands, abgekürzt zeMHGW, entwickelt, aus der der gesuchte Wert unmittelbar abgelesen werden kann. Der zeMHGW ist wie folgt definiert:

Der zu erwartende mittlere höchste Grundwasserstand (zeMHGW) ist derjenige, der als Mittelwert der Jahreshöchstwerte einer langjährigen Grundwasserstandsganglinie zukünftig zu erwarten ist, sofern der Grundwasserstand in der Umgebung durch künstliche Eingriffe weder abgesenkt noch aufgehöht wird.

Nach dieser Definition ist mit dem zeMHGW nach gegenwärtigem Wissensstand unter den folgenden geohydraulischen Randbedingungen zu rechnen:

  • den natürlichen Randbedingungen (z.B. Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes);
  • den dauerhaft künstlich veränderten Randbedingungen (z.B. Stauhaltungen der Fließgewässer, s.o.);
  • einer Grundwasserneubildung, die in ihrer Größe und ihren zeitlichen Änderungen in etwa der derzeitigen entspricht.

Ein höherer mittlerer höchster Grundwasserstand als der zeMHGW kann grundsätzlich zwar auftreten, aber nur in Folge weiterer künstlicher Eingriffe. Solche Eingriffe (z.B. Einleitungen in das Grundwasser) sind langfristig natürlich nicht vorhersehbar. Sie brauchen aber auch für die meisten Fragen insofern nicht berücksichtigt zu werden, da sie in jedem Fall einer wasserbehördlichen Zulassung bedürfen.

Zurzeit ist die zeMHGW-Karte für zwei Gebiete Berlins fertig gestellt. Geologisch gesehen handelt es sich um das Gebiet des Berliner Urstromtals und das Gebiet des Panketals. Beide (s. Abbildung 3) sind dadurch gekennzeichnet, dass ihr Untergrund oberflächennah ganz überwiegend durch gut wasserleitende Sedimente (Böden) aufgebaut ist und sich die Grundwasseroberfläche im Allgemeinen nur in geringer Tiefe (Grundwasserflurabstand wenige Meter, stellenweise auch weniger als einen Meter) befindet.

Abb. 3: Gültigkeitsbereich der zeMHGW-Karte für das Urstromtal und das Panketal

Abb. 3: Gültigkeitsbereich der zeMHGW-Karte für das Urstromtal und das Panketal