Weiterhin kann der MHGW im Bauwesen in bestimmten Fällen auch für erdstatische Berechnungen verwendet werden und auch für andere wasserwirtschaftliche und ökologische Fragestellungen von Bedeutung sein.
Der mittlere höchste Grundwasserstand (MHGW) ist als der Mittelwert der Jahreshöchstwerte des beobachteten Grundwasserstands definiert.
Der MHGW wird anhand von Grundwasserständen berechnet, die an Grundwassermessstellen registriert worden sind. Um statistisch gut gesicherte Werte zu erhalten, sollten die Grundwasserganglinien auf einer möglichst hohen Messfrequenz basieren. Wird der MHGW für einen Ort benötigt, an dem keine bzw. keine geeignete Grundwassermessstelle vorhanden ist, kann der MHGW aus den Werten benachbarter Messstellen interpoliert werden. Der mittlere höchste Grundwasserstand ist in beiden Fällen ein Wert, der aus in der Vergangenheit beobachteten Grundwasserständen ermittelt wird.
Der MHGW wird in der Praxis meist für in die Zukunft gerichtete Fragestellungen benötigt. Er ist somit nur dann aussagekräftig, wenn davon auszugehen ist, dass sich der Grundwasserstandsgang in der Zukunft ähnlich wie in der Vergangenheit verhalten wird. In weiten Teilen des Berliner Stadtgebiets ist das jedoch nicht der Fall, da der Grundwasserstand künstlich, teilweise dauerhaft und teilweise zeitlich begrenzt, verändert worden ist.
Zu den dauerhaften Maßnahmen, die die natürlichen geohydraulischen Verhältnisse in der Vergangenheit in örtlich unterschiedlichem Ausmaß überprägt haben und auch zu unterschiedlichen Zeiten eingesetzt haben, zählen:
- die Regenwasserkanalisation, die eine Verminderung der Grundwasserneubildung und damit eine Absenkung des Grundwasserstands zur Folge hat;
- die dezentrale Regenwasserverbringung über Versickerungsanlagen, wodurch die Grundwasseroberfläche in Abhängigkeit von den Niederschlagsereignissen örtlich angehoben werden kann;
- Dränagen und Gräben, mit denen der Grundwasserstand gebietsweise gezielt abgesenkt wurde;
- wasserbauliche Maßnahmen (Stauhaltungen, Ufereinfassungen, Gewässerbegradigungen), die sowohl zu einer Anhebung wie zu einer Absenkung des Grundwasserstandes führen können;
- in das Grundwasser hineinreichende Bauwerke, mit der Auswirkung eines Aufstaus des Grundwassers in Anstromrichtung bzw. einer Absenkung in Abstromrichtung.
Zu den zeitlich begrenzten Maßnahmen bzw. denjenigen, die in ihrem Ausmaß stark variieren können, gehören:
- Grundwasserentnahmen für die öffentliche und private Wasserversorgung sowie zum Zweck der Wasserfreihaltung von Baugruben oder zur Altlastensanierung, die zur Absenkung der Grundwasseroberfläche führen;
- Grundwasseranreicherungen zur Erhöhung des Grundwasserdargebots für die öffentliche Wasserversorgung, die in der Umgebung der Anreicherungsanlagen den Grundwasserstand anheben;
- Reinfiltration von gehobenem Grundwasser, z.B. im Rahmen von Grundwasserhaltungsmaßnahmen für Bauzwecke, wodurch – meist örtlich begrenzt – ebenfalls die Grundwasseroberfläche angehoben wird.
Durch diese Vielzahl möglicher künstlicher Maßnahmen mit Auswirkungen auf das Grundwasser wird deutlich, dass es im Einzelfall selbst für Fachleute mitunter schwierig zu beurteilen ist, ob und in welchem Ausmaß beobachtete Jahreshöchstgrundwasserstände, aus denen der MHGW berechnet wird, anthropogen beeinflusst sind und damit in wie weit der MHGW vermutlich auch zukünftig gültig sein wird. Ein anderes Problem ergibt sich daraus, dass sowohl die Beobachtungszeiträume der einzelnen Grundwassermessstellen und auch die Messfrequenzen häufig recht unterschiedlich sind. So gibt es einerseits Messstellen, die bereits seit über 140 Jahren beobachtet werden, andererseits welche, die erst seit wenigen Jahren existieren. Die Messfrequenz variiert zwischen täglichen Messungen, wie heute an den meisten Messstellen des Senats, und 14-täglichen und selteneren Messungen, die den tatsächlichen Gang des Grundwasserstandes und damit seine Höchstwerte nicht so sicher erfassen
können. Damit sind die MHGW der einzelnen Messstellen nicht direkt miteinander vergleichbar, was aber insbesondere bei der Interpolation erforderlich ist. In der Praxis erfolgte daher seitens der Berliner Landesgeologie eine relativ zeitaufwändige Datenbeurteilung und –auswahl zur Berechnung des MHGW in jedem Einzelfall. (Anmerkung: Die früher gemachte Angabe des sog. 90er-Perzentilwerts der Grundwasserstandsdaten einer Messstelle zur Festlegung eines Bemessungswerts für Versickerungsanlagen entspricht in etwa dem mittleren höchsten Grundwasserstand.)
Die Abbildung 2 zeigt drei Beispiele von Grundwasserganglinien mit MHGW-Werten im Berliner Urstromtal: Die Grundwassermessstellen 5476 und 8979 lassen starke Beeinflussungen durch Grundwasserentnahmen bis in die 1990er Jahre hinein erkennen, wobei das Ende der Beeinflussung hier nicht exakt festzustellen, aber durch den Bearbeiter für die Berechnung des mittleren höchsten Grundwasserstands festzulegen ist. Einen deutlich längeren unbeeinflussten Gang, etwa ab 1980 aber auch in der Zeit zwischen 1965 und 1975 zeigt die Messstelle 137. Zur Ermittlung eines MHGW, der z.B. zur Planung einer Versickerungsanlage benutzt werden soll, macht es nur Sinn, die Daten aus den unbeeinflussten Zeiträumen zu verwenden.