Versorgung mit wohnungsnahen, öffentlichen Grünanlagen 2016

Einleitung

Der verdichtete Stadtraum ist gekennzeichnet durch eine hohe bauliche Ausnutzung der Grundstücke und einen geringen Anteil an Freiflächen. Für die Erholung in Grün- und Freiflächen stehen in der Innenstadt und in den verdichteten Stadtrandbereichen nur wenige Freiräume zur Verfügung. Die großen Naherholungsgebiete liegen am Stadtrand bzw. weiter außerhalb der Stadt und sind für viele Erholungssuchende nur mit längeren Wegen zu erreichen.

Besonders im baulich verdichteten Stadtraum übernehmen die öffentlichen Grünflächen, als Orte für Regeneration und körperlich-seelischen Ausgleich, für Spiel und informellen Sport und in sozialer Hinsicht eine Vielzahl wichtiger Funktionen für die Erholung der Menschen (vgl. BMUB 2017, S. 15: „Grün- und Freiräume müssen vielfältige, sich überlagernde Nutzungsansprüche erfüllen und unterschiedlichen Nutzungsintensitäten standhalten.“).

Entsprechend unterschiedlicher Erholungsbedürfnisse sind verschiedene Anforderungen hinsichtlich der Erreichbarkeit, Größe, Ausstattung und Gestaltung zu erfüllen.

Beispielsweise wird für die Länge des Fußweges, die zum Erreichen einer Grünanlage akzeptiert wird, von einer Schwelle von 15 Minuten Erreichbarkeitsdauer ausgegangen. Die gute Erreichbarkeit einer Grünanlage ist für weniger mobile Bevölkerungsgruppen, z.B. ältere Menschen oder Kinder, ein wichtiges Kriterium für den Freiraumaufenthalt. Somit kommt der Grünanlage in Wohnungsnähe eine besondere Bedeutung zu.

Die Ansprüche der Erholungssuchenden an die Größe der Grünanlage und die Vielfältigkeit der Ausstattung und Gestaltung nehmen mit der Aufenthaltsdauer zu. So werden an Wochenenden verstärkt größere Parkanlagen mit einem vielfältigen Nutzungsangebot aufgesucht. Gruppen mit Kindern bevorzugen beispielsweise eher nicht reglementierte Parkbereiche, wie offene Rasenflächen, ältere Menschen geben eher geordneten, aufwändig gestalteten Bereichen den Vorzug. .

Bei der Betrachtung der vorhandenen Situation werden wohnungsnahe und siedlungsnahe Grünanlagen unterschieden, wobei die Zuordnung zum jeweiligen Freiraumtyp anhand der Flächengröße erfolgt.

Der Freiraumtyp wohnungsnah ist dem unmittelbaren Wohnumfeld zugeordnet, der Einzugsbereich auf 500 m beschränkt. Er kann in kurzer Zeit (Gehweg ca. 5-10 Min.) und mit geringem Aufwand erreicht werden und dient überwiegend der Kurzzeit- und Feierabend-Erholung. Aufgrund der Nähe zur Wohnung hat dieser Freiraumtyp eine besondere Bedeutung für weniger mobile Bevölkerungsgruppen wie Kinder, ältere Menschen und Behinderte. Von hohem Wert ist die wohnungsnahe Grünanlage auch für Erwerbstätige, die ihre arbeitsfreie Zeit für einen kurzen Aufenthalt im Freien nutzen können. Den Anforderungen der Kurzzeit- und Feierabenderholung genügen in der Regel schon Grünanlagen geringer Flächengröße (ab 0,5 ha).

Der Freiraumtyp siedlungsnah, zu dem alle Grünanlagen über 10 ha gehören, soll auch der halb- und ganztägigen Erholung dienen. Damit sind höhere Anforderungen sowohl an die Größe als auch an die Ausstattungsvielfalt verbunden. Siedlungsnahe Grünflächen mit einer Größe von mehr als 50 ha übernehmen zusätzlich die Funktion eines übergeordneten Freiraums mit bezirksübergreifender Bedeutung für die Erholung der Berliner Bevölkerung (z.B. Großer Tiergarten, Volkspark Wuhlheide). Der Einzugsbereich des siedlungsnahen Freiraums ist in Abhängigkeit von der Größe der Anlage auf 1.000 bzw. 1.500 m festgelegt. Grundsätzlich gilt, dass ein siedlungsnaher Freiraum immer auch die Funktion eines wohnungsnahen Freiraums erfüllt (zur Einteilung vgl. Tab. 1).

Für die Analyse der Versorgung der Bevölkerung mit Freiflächen werden in Berlin folgende Richtwerte zugrunde gelegt:

  • wohnungsnaher Freiraum: 6 m2 pro Einwohner (m2/EW),
  • siedlungsnaher Freiraum: 7 m2/EW.
Tab. 1: Einteilung der Berliner Frei- und Grünflächen

Tab. 1: Einteilung der Berliner Frei- und Grünflächen

Bei der Ermittlung der Versorgung mit wohnungsnahen Grünanlagen werden solche Anlagen als nutzbar berücksichtigt, die entsprechende Mindestanforderungen hinsichtlich Flächengröße, Flächenform, Zugänglichkeit sowie Lärm- und Luftbelastung erfüllen (vgl. Methode).

Der Versorgungsgrad (m2/EW) in den Wohngebieten wird auf der Grundlage von räumlich definierten Einzugsbereichen berechnet und bemisst sich aus der Größe der Anlage im Verhältnis zur Einwohnerzahl im Einzugsbereich. Wohngebiete außerhalb der ermittelten Einzugsbereiche sind grundsätzlich als mit öffentlichem Grün nicht versorgt zu betrachten.

Als weiteres Kriterium für die Beurteilung der Freiflächenversorgung gilt die Baustruktur der Wohnquartiere (vgl. Methode). Bestehen Defizite in der Versorgung mit öffentlichen Grünanlagen, wird davon ausgegangen, dass private / halböffentliche Freiflächen einen Teil des Bedarfs an öffentlichen Flächen kompensieren. Tatsächlich ist die Versorgung mit Freiflächen in Bereichen der Einzelhausbebauung mit eigenen Gärten besser als in den dicht besiedelten Altbauquartieren. In gründerzeitlichen Gebieten bestehen kaum Möglichkeiten zum Aufenthalt im privaten Freiraum, der sich dort auf den Hinterhof beschränkt. Die Baustruktur gilt somit als Indikator für den zur Verfügung stehenden Anteil an privatem Freiraum bzw. dem Bedarf an öffentlichem Freiraum. Erst die Kombination des berechneten Versorgungsgrades mit der vorhandenen Baustruktur ergibt ein differenziertes Bild der Versorgungssituation.

Unberücksichtigt bei der Versorgungsanalyse bleibt die Ausstattungsqualität einer Grünanlage. Von der Ausstattung hängt im Wesentlichen ab, wie viele Nutzer und Nutzerinnen und welche Nutzergruppen die Anlage versorgen kann. In Gebieten mit einer schlechten Grünflächenversorgung verstärkt sich der Nutzungsdruck auf die vorhandenen Anlagen. Damit verbunden sind zum Teil starke Beeinträchtigungen der Qualität des öffentlichen Raums und Einschränkungen in der Nutzbarkeit dieser Grünflächen.