Freiflächenentwicklung 2020

Einleitung

Grün- und Freiflächen sind nicht oder kaum bebaute Flächen, wie Wälder, Felder, Kleingärten, Sportflächen, Parkanlagen, Friedhöfe und Brachflächen. Sie sind für die Lebensqualität in einer Stadt von großer Bedeutung. Das Vorhandensein unterschiedlicher Freiflächen – von wohnungs- und siedlungsnahen Parkanlagen bis zu Landwirtschafts- und Waldflächen – ist eine zentrale Voraussetzung zur Erfüllung der Erholungsbedürfnisse der Bewohner*innen.

Grün- und Freiflächen bereichern das Stadtbild durch die Gliederung der Siedlungsstruktur. Sie dienen der Pflanzen- und Tierwelt als Lebensraum und Rückzugsgebiet und erfüllen wichtige Ausgleichsfunktionen für den Naturhaushalt der Stadt. Sie verbessern das Stadtklima, in dem die Luftzirkulation und der Luftaustausch gefördert werden und die Erwärmung gemildert wird. Durch die Rückhaltung und Verdunstung von Regenwasser werden die Oberflächengewässer entlastet.
Als größtenteils unversiegelte Flächen ermöglichen sie ein ungestörtes Bodenleben mit allen Funktionen für das ökologische Gleichgewicht. Boden ist Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen; seine Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften dienen insbesondere auch dem Schutz des Grundwassers. Mit zunehmender Bodenversiegelung oder stofflicher Belastung werden die Bodenfunktionen dauerhaft oder gar irreversibel zerstört.

Die Inanspruchnahme von Grün- und Freiflächen für bauliche Nutzungen ist ein wichtiges umweltpolitisches Thema, das auch unter den Schlagwörtern Flächeninanspruchnahme, Flächenverbrauch oder Flächenneuinanspruchnahme diskutiert wird.

Im Rahmen der umweltpolitischen Diskussion besteht ein großer Bedarf an Bewertungsgrundlagen zum Umfang der Flächeninanspruchnahme und der Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. Entsprechende Bilanzen werden sowohl im Rahmen der Bestimmung von Qualitätszielen für den Bodenschutz, als auch als Indikatoren für die Nachhaltigkeitsdiskussion benötigt. Dabei geht es insbesondere um die Eindämmung der Flächeninanspruchnahme sowie um ein Monitoring der zeitlichen Entwicklung. Ihre kontinuierliche Beobachtung dient auch als Indikator hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, das die einzigen für den bundesweiten Vergleich verfügbaren Zahlen der statistischen Landesämter verwendet, war in Deutschland bis zur Jahrtausendwende ein kontinuierlicher Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsflächen auf etwa 130 ha pro Tag zu beobachten. Dabei ist zu beachten, dass unter der Kategorie Siedlungsfläche nicht nur versiegelte, sondern auch unversiegelte städtische Frei- und Grünflächen wie Grünanlagen, Campingplätze, Friedhöfe und Spielplätze, aber auch die zu den Gebäuden zählenden Haus- und Vorgärten gerechnet werden. Die vor allem auf Kosten von Landwirtschafts- und Forstflächen in Anspruch genommenen Flächen gingen bis 2003 auf insgesamt 99 ha pro Tag zurück, um 2004 wieder auf 131 ha pro Tag zu steigen. Seither hat die Flächeninanspruchnahme wieder abgenommen, auf 77 ha pro Tag im Jahr 2010 und auf 45 ha im Jahr 2019 (Umweltbundesamt 2020). Ziel der Bundesregierung in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ist es, den durchschnittlichen täglichen Anstieg bis zum Jahr 2030 auf unter 30 ha zu begrenzen. Bis 2050 wird eine Flächenkreislaufwirtschaft angestrebt, in der durch Flächenrecycling und eine Reduktion der Flächenneuinanspruchnahme die Summe des Flächenverbrauchs auf Netto-Null reduziert wird (vgl. Statistisches Bundesamt 2021).

Zahlen zur Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche gibt es auch für Berlin. Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (AfS) veröffentlicht regelmäßig Zahlen zum Stadtgebiet nach Bezirken und Nutzungsart und fasst diese Zahlen außerdem zu Angaben über die Siedlungs- und Verkehrsfläche zusammen. Die Zahlen beruhen auf der Auswertung der Liegenschaftskataster der bezirklichen Vermessungsämter. Die Daten wurden bis einschließlich 2015 nach dem AdV (Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen) – Nutzungsartenverzeichnis geliefert und werden seit 2016 durch Auswertung des Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystems (ALKIS) gewonnen (Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2020b).

Abb. 1: Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Berlin 1990-2020

Abb. 1: Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Berlin 1990 – 2020 (Statistische Jahrbücher Berlin; bis 1998 analoge Ausgaben des Statistisches Landesamtes Berlin, seit 1999 digital verfügbar über Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, 2020a). Wegen Veränderungen der Erhebungsmethodik sind die Zahlen ab 2016 nicht unmittelbar mit dem Zeitraum davor vergleichbar.

Da wie oben beschrieben zur Siedlungs- und Verkehrsfläche auch städtische Grünnutzungen zählen, eignen sich die Zahlen der amtlichen Statistik zur Siedlungs- und Verkehrsfläche demnach nur zur Charakterisierung der Entwicklung des für Siedlungszwecke einschließlich der damit verbundenen grüngeprägten Nutzungen beanspruchten Raumes. Die Auswertung der amtlichen Flächenstatistik hinsichtlich der Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche quantifiziert lediglich die Inanspruchnahme von Wald und landwirtschaftlichen Flächen, obwohl auch für die innerstädtischen grünen Nutzungen detaillierte Zahlen vorliegen und eine Berechnung möglich wäre. Für Flächenländer oder für Deutschland als Ganzes können solche Zahlen geeignet sein, den Flächenverbrauch dieser Nutzungskategorien zu beschreiben. Seit es gelungen ist, die Methodik deutschlandweit dauerhaft auf der Basis der ALKIS-Daten zu harmonisieren, sind die Voraussetzungen für ein angemessenes Monitoring geschaffen worden.

Für das Land Berlin ist diese Reduzierung der Freiflächennutzungen auf „Wald“ und „Landwirtschaft“ keine geeignete Vorgehensweise, die Inanspruchnahme von Grün- und Freiflächen zu beschreiben. Da die Waldflächen unter weitgehendem Schutz stehen, würde sich die Flächeninanspruchnahme damit auf die Reduzierung der landwirtschaftlichen Flächen beschränken. Im Sinne der oben genannten wichtigen Funktionen aller Grün- und Freiflächen ist die Beobachtung des Verlustes, aber auch des Zuwachses an Grün- und Freiflächen in ihrer gesamten Breite, also z. B. auch der Kleingärten, Brachflächen, des Verkehrsbegleitgrünes, der Friedhöfe und Parkanlagen sowie größerer zusammenhängender Vegetationsflächen auf Flächen baulicher Nutzung erforderlich. Aus diesem Grund wird für den Umweltatlas seit über drei Jahrzehnten mit dem Datenbestand der Karte zur Freiflächenentwicklung eine umfassende Grundlage zum Monitoring des gesamten Grün- und Freiflächenbestandes erarbeitet und veröffentlicht.

Die erheblichen Unterschiede in Zielsetzung und Methodik der beiden Ansätze zur Ermittlung des Flächenverbrauches werden bei der Gegenüberstellung der jeweils betrachteten Flächennutzungskategorien deutlich. Tabelle 1 zeigt die Nutzungskategorien der Freiflächenentwicklungskarte des Umweltatlas einerseits und der Daten zur Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche nach der Flächenstatistik des Bundes und der Länder (Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) andererseits. Aufgelistet sind die Flächennutzungskategorien, die in den untersuchten Quellen jeweils als bauliche Nutzung bzw. Siedlungsfläche auf der einen und Grün- bzw. Freiflächennutzung auf der anderen Seite zusammengefasst werden und für die statistische Auswertungen vorliegen.

Tab. 1: Zuordnung der Nutzungskategorien des Umweltatlas und des Amtes für Statistik zu „Siedlungsgebieten“ und „Freiflächen“ zur Ermittlung des Flächenverbrauches

Tab. 1: Zuordnung der Nutzungskategorien des Umweltatlas und des Amtes für Statistik zu „Siedlungsgebieten“ und „Freiflächen“ zur Ermittlung des Flächenverbrauches Flächenverbrauches (nach Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2020b, Umweltatlas)

Die Tabelle zeigt die grundsätzlich unterschiedlichen Einstufungen beider Ansätze insbesondere bei den Kategorien der Freiflächen.

Entsprechend Umweltatlas-Ansatz werden als Freiflächen alle Flächen angesehen, auf denen eine Nutzung innerhalb der in Tabelle 1 aufgelisteten Kategorie „Freiflächen“ angegeben ist. Dies gilt unabhängig davon, ob auf der Fläche laut Nutzungskartierung im Informationssystem Stadt und Umwelt (ISU) eine Doppelnutzung vorliegt, d.h. eine gleichzeitige bauliche Nutzung und Grünnutzung oder nicht (vgl. Umweltatlaskarten „Reale Nutzung der bebauten Flächen“ (06.01) und „Grün- und Freiflächenbestand“ (06.02)).

In einem Ballungsraum wie Berlin ist die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche entsprechend der Statistik des Bundes und der Länder also kein geeigneter Indikator für die Inanspruchnahme von Freiflächen. Aus diesem Grund wurde in Berlin für das Nachhaltigkeitsmonitoring unter 40 Kernindikatoren der Indikator „Flächenversiegelung“ festgelegt, um unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit den sparsamen Umgang mit der Ressource Boden zu dokumentieren. Zur Darstellung der zeitlichen Entwicklung des Versiegelungsgrades werden auch die Daten des Umweltatlas genutzt (Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2021).

Aber auch der Indikator Versiegelung ist nicht geeignet, direkte Rückschlüsse auf die Entwicklung der Grün- und Freiflächen in Berlin zuzulassen. Damit stellt der Umweltatlas mit der Karte zur Freiflächenentwicklung seit Mitte der 1980er Jahre die einzige kontinuierlich fortgeschriebene Grundlage für ein derartiges Monitoring dar.

Zum Verständnis des später erläuterten methodischen Vorgehens ist es entscheidend, welche Definition des Begriffes „Freifläche“ in diesem Zusammenhang zugrunde gelegt wurde und wo die Grenzen der Darstellbarkeit zu sehen sind.

Grün- und Freiflächen können sowohl einer wirtschaftlichen Nutzung unterliegen (z. B. Landwirtschaft), als Erholungsflächen gärtnerisch gestaltet sein (z. B. Parkanlagen) oder weitgehend ungenutzt sein (Brachflächen mit oder ohne Spontanvegetation). Typische Grün- und Freiflächennutzungen sind Wälder, Äcker und Wiesen, aber auch urbane Freiflächen wie Parkanlagen, Kleingärten, Friedhöfe oder Sportflächen sowie Brachflächen. Die städtischen Freiflächennutzungen werden damit – anders als in der Nutzungssystematik des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg – auch als Freifläche und nicht als Siedlungs- und Verkehrsfläche gewertet.

Mit der Gesamtheit des Grün- und Freiflächenbestandes werden größere zusammenhängende Flächen des grünen Potenzials der Stadt erfasst, die in besonderer Weise tatsächlich oder potenziell sowohl Lebensraum für Tiere und Pflanzen darstellen als auch Erholungs-, Landschaftsbild- und abiotische Funktionen im Naturhaushalt erfüllen.

Der Detaillierungsgrad der in der Karte der Freiflächenentwicklung dargestellten Flächen orientiert sich an der block- und blockteilflächenbezogenen Betrachtung der Nutzungskarten des Umweltatlas. Die Vorgabe einer Mindestflächengröße von etwa 1 ha führt zu einer generalisierenden Darstellung, die es in jedem Falle erlaubt, die Schwerpunkte der städtebaulichen Entwicklung zu verorten und nachzuvollziehen. Für kleinräumigere Aussagen unterhalb der 1-ha-Grenze, z. B. zur inneren grünen Struktur der Wohnbau- und Gewerbeflächen oder zur tatsächlichen versiegelten Fläche baulicher oder Grün- und Freiflächennutzungen, sind im Umweltatlas weitere Datenbestände verfügbar („Stadtstruktur – Flächentypen differenziert“ (06.08), „Versiegelung“ (01.02), „Vegetationshöhen“ (06.10.2) und „Grünvolumen“ (05.09)).

Die Beschränkung der Freiflächenverluste auf eine Darstellung in größeren Zeitabschnitten, für die Zeiträume seit 1970 in Dekaden, ist damit begründet, dass eine höhere zeitliche Auflösung – z. B. auf Jahresbasis – nur mit einem unvertretbar hohen Aufwand zu realisieren wäre.