Umweltgerechtigkeit Berlin 2021/2022

Methode

Inhaltliche Herangehensweise

Der Berliner Ansatz der Bewertung der Umweltgerechtigkeit beruht im Wesentlichen auf der Auswertung und Aggregation vorhandener Daten. Er ist als zweistufiges Verfahren mit fünf Kernindikatoren:
  • Lärmbelastung
  • Luftbelastung
  • Thermische Belastung
  • Grünversorgung
  • Soziale Benachteiligung
und drei die Einzelbewertungen zusammenführenden Mehrfachbelastungskarten:
  • Mehrfachbelastungskarte Umwelt
  • Mehrfachbelastungskarte Umwelt und Soziales und
  • Berliner Umweltgerechtigkeitskarte

konzipiert.

„Bei der Zusammenführung dieser Datenquellen sind drei besondere Herausforderungen auszumachen: Die sektoralen Daten unterscheiden sich in ihrer Erhebungsmethodik, in ihrer räumlichen Tiefe und in ihrer Periodizität. Als kleinste Analyseeinheit für den Umweltgerechtigkeitsatlas wurde der stadtentwicklungspolitische Planungsraum aus dem System der Lebensweltlich orientierten Raume gewählt, auf den die sektoralen Daten dann umgerechnet wurden. So konnte die heterogene Datenlage hinsichtlich der Erhebungsmethodik und der räumlichen Tiefe für die Zwecke dieser Analyse entschärft werden“ (SenUMVK 2022, S. 6).

In einem ersten Schritt des Analyseverfahrens wurden die Daten zu den drei Kernindikatoren Luft-, Lärm- und Thermische Belastung analysiert und entsprechend dem gesundheitlichen Belastungsrisiko einheitlich in die ordinalskalierten Merkmale „hoch“, „mittel“, oder „gering“. eingestuft. Die Einstufung der weiteren Kernindikatoren “Grünflächenversorgung” und “Soziale Problematik” erfolgte analog in drei Klassenstufen, jedoch ohne eine gesundheitliche Gewichtung.

Im zweiten Schritt wurden die individuellen monothematischen Kernindikatoren-Karten zusammengeführt, um die Verteilung bzw. Überlagerung der Umweltbelastungen („Integrierte Mehrfachbelastungskarte Umwelt“) sowie der Umweltbelastungen einschließlich der Sozialen Benachteiligung („Integrierte Mehrfachbelastungskarte Umwelt und Soziale Benachteiligung“) darzustellen. Die beiden Karten zeigen auf der Ebene der Planungsräume die Spannbreite von PLR ohne starke Belastung auch nur eines der Kernindikatoren bis zu den PLR mit 4fach- bzw. 5fach-Belastungen (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Zusammenführung der Kernindikatoren zu den beiden Mehrfachbelastungskarten und die Berliner Umweltgerechtigkeitskarte (nach SenUMVK 2022)

  • p=. Die Integrierte Mehrfachbelastungskarte Umwelt überlagert die vier Umweltindikatoren Luftbelastung, Lärmbelastung, Grünflächenversorgung und thermische Belastung und macht so Quartiere mit besonders hoher Umweltbelastung sichtbar.

  • p=. ▼

  • p=. Die Integrierte Mehrfachbelastungskarte Umwelt und Soziale Benachteiligung erweitert die Darstellung um den Sozialstatus der in den Planungsräumen lebenden Menschen.

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  • p=. Die Berliner Umweltgerechtigkeitskarte ergänzt die Karte schließlich um Informationen zur lokalen Bevölkerungsdichte und zum Status der Wohnlage.

Damit wurde für jeden Planungsraum der Mehrfachbelastungsfaktor durch Summierung derjenigen Kernindikatoren ermittelt, die der Kategorie 3 („niedrig“/“schlecht“/“hoch”) zugeordnet wurden. Anzahl und Verteilung der mehrfach belasteten Räume sowie die verursachenden Belastungen sind somit nachvollziehbar und transparent.

Diese Statusbestimmung durch das zweistufige Berliner Umweltgerechtigkeitsmonitoring stellt somit einen Überblick über die Umweltqualität in den 542 Planungsräumen der Stadt – und zukünftig auch im Vergleich zu den Analysen der vorherigen Jahrgänge – zur Verfügung.

Kernindikator Lärmbelastung

Als Lärm werden Schallereignisse beschrieben, die durch ihre individuelle Ausprägung als störend und/oder belastend für Wohlbefinden und Gesundheit wahrgenommen werden. Lärm kann insbesondere im städtischen Raum als ein zentraler, die Gesundheit beeinträchtigender Faktor benannt werden. Lärmimmissionen können je nach Expositionsumfang, -zeitraum und -dauer direkte und indirekte gesundheitliche Wirkungen nach sich ziehen.

Tab. 1: Die wichtigsten Auswirkungen von Lärm (BAFU 2009)

  • Physiologische Auswirkungen

    Hörverlust
    Vegetative Funktionsstörung
    Herz-Kreislauf-Probleme
    Kardiovaskuläre Symptome
    Blutdruckerhöhung
    Verringerung der Schlaftiefe
    Kopfschmerzen

  • Psychologische Auswirkungen

    Belästigung
    Stress, Nervosität
    Niedergeschlagenheit
    Störung von Kommunikation
    Leistungsbeeinträchtigung
    Verärgerung
    Psychosomatische Symptome

  • Soziale Lärmwirkungen

    Kommunikationserschwerung
    Urteil über andere Menschen
    Nachlassen des Hilfeverhaltens
    Aggressionen
    Soziale Entmischung

  • Ökonomische Lärmwirkungen

    Miet- und Immobilienpreise
    Lärmschutzkosten
    Gesundheitskosten
    Produktionsausfälle
    Raumplanerische Kosten

Die Datenbasis für die Angaben zur Lärmbelastung der Planungsräume waren die Strategischen Lärmkarten für den Ballungsraum Berlin für das Jahr 2017, welche entsprechend den Anforderungen der 34. Bundesimmissionsschutzverordnung (BlmSchV) und europarechtlichen Vorgaben erarbeitet wurden. Gemäß § 47c Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) sind Lärmkarten alle fünf Jahre zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren. Alle Lärmkarten des Erfassungsjahres 2017 sind im Geoportal des Landes Berlin veröffentlicht (Schlagwortsuche „Lärmkartierung“).

Für die Bewertung der Lärmbelastung im Rahmen des Umweltgerechtigkeitsansatzes wurde die Gesamtlärmkarte „Strategische Lärmkarte Fassadenpegel Gesamtlärm L_N (Nacht) 2017 (Umweltatlas)“ herangezogen, diese stellt über die Anforderungen der Umgebungslärmrichtlinie hinaus eine summarische Betrachtung (Pegeladdition) der untersuchten Verkehrslärmquellen für die Zeit der Nachtstunden (22:00 bis 06:00) dar. „Dazu wurden die Nachtwerte der Lärmpegel jedes Fassadenpunktes mit den zugehörigen Personenzahlen herangezogen und für die jeweiligen Planungsraume aufsummiert, sodass mit Hilfe der Gesamtbevölkerungszahl eines Planungsraumes ein (personen-)gewichteter Mittelwert der Lärmwerte für jeden Planungsraum erzeugt werden konnte“ (SenUMVK 2022).

Um die ermittelten Mittelwerte je Planungsraum den drei Bewertungskategorien „Belastung gering, mittel, hoch“ zuzuordnen, fand eine quartilsbezogene Unterteilung statt. Die besten 25% der Werte wurden von allen personen- und planungsraumbezogenen nächtlichen Mittelwerten bis 41,8 dB(A) eingenommen, die schlechtesten 25% lagen über dem Schwellenwert von 44,5 dB(A) (vgl. Abb. 3).

Abb. 3: Quartilsbezogene Bestimmung der Bewertungskategorien für den Kernindikator Lärmbelastung. Dargestellt wird die Lärmbelastung in Quartilen. Die "besten 25 %" aller Planungsräume sind mit 41,8 dB oder weniger gering belastet, die "schlechtesten 25%" mit 44,5 dB oder mehr hoch belastet.

Abb. 3: Quartilsbezogene Bestimmung der Bewertungskategorien für den Kernindikator Lärmbelastung.

Kernindikator Luftbelastung

Zur Bewertung der lufthygienischen Belastung gelten die beiden Stoffe Partikel (PM2,5) und Stickstoffdioxid (NO2) trotz der erreichten immissionsmindernden Erfolge (vgl. Umweltatlas-Karte 03.12.1 „Langjährige Entwicklung der Luftqualität“) weiterhin als gesundheitlich relevant und wurden daher auch in diesem Kontext zur Bewertung herangezogen.

Im Zuge der Auswertungen und Verschneidung mit den Planungsräumen fand eine Konzentration auf den Schadstoff NO2 statt, da dieser sehr viel stärker von lokalen Berliner Quellen beeinflusst wird und mithin auch lokal beeinflussbar ist.

„Da NO2 räumlich sehr viel stärker variiert, wurden hier anhand einer Landnutzungs- Regressionsanalyse unter Berücksichtigung der Bebauungsstruktur (Geschossflächenzahl und Grundflächenzahl) und des Verkehrsaufkommens die Daten der mittlerweile fast fünfzig NO2-Messpunkte statistisch auf einem regelmäßigen 100-Meter-Raster interpoliert. Diese Methode gibt die räumliche Struktur des NO2-Feldes sehr gut wieder“ (SenUMVK 2022).

Aus den NO2-Daten wurden, vergleichbar dem Vorgehen bei der Lärmbelastung, für jeden Planungsraum flächengewichtete Mittelwerte berechnet und diese den vier gleich großen Quartilen zugeordnet. Die entscheidenden Grenzen zur Bestimmung der Belastungskategorien „gering“ bzw. „hoch“ befinden sich ebenfalls bei 25 und 75% der Daten (vgl. Abb. 4).

Abb. 4: Quartilsbezogene Bestimmung der Bewertungskategorien für NO2 für den Kernindikator Luftbelastung. Dargestellt werden die Mittelwerte der Lärmwerte pro Planungsraum in Quartilen. Die "besten 25 %" aller Planungsräume sind mit 41,8 dB oder weniger gering belastet, die "schlechtesten 25%" mit 44,5 dB oder mehr hoch belastet.

Abb. 4: Quartilsbezogene Bestimmung der Bewertungskategorien für NO2 für den Kernindikator Luftbelastung

Kernindikator Thermische Belastung

Als Grundlage zur Bewertung des Einflussfaktors „sommerlicher Hitzestress“ wurden die Analysedaten des Klimamodells Berlin 2015 genutzt, die in einem Raster von 10*10 m² vorliegen. Dabei wurde – in Abänderung des methodischen Vorgehens im Pilotvorhaben 2008-2015 – in eine Bewertung der Situation am Tage zum Zeitpunkt des Sonnenhöchststandes (14:00 Uhr) und einen Bewertungszeitpunkt in der Nacht (04:00) unterschieden. Diese Zweiteilung wurde mit Blick auf die menschliche Gesundheit vorgenommen, da bei der Bewertung der lokalen bioklimatischen Situation vor allem diese Beurteilungskriterien besonders wichtig sind:
  • Grad der Hitzebelastung am Tage
  • Potenzial einer ausreichenden nächtlichen Abkühlung und
  • Vorhandensein räumlich naher Erholungsräume.

„Zur Bewertung der thermischen Behaglichkeit am Tage wird dabei der bioklimatische Index PET (Physiologisch Äquivalente Temperatur) herangezogen. Er stellt einen wissenschaftlichen Standard dar, der die wichtigsten auf den Körper wirkenden meteorologischen Einflussfaktoren berücksichtigt und seine Angaben in Grad Celsius (°C) liefert, die einzelnen thermischen Belastungsstufen zugeordnet werden können“ (SenUMVK 2022, S. 9).

Für die Bewertung der Nachtsituation wurde aus fachlichen Gründen (in der Nacht fehlt die Sonneneinstrahlung als eine wichtige Teilkomponente zur Nutzung des PET) auf die modellierte Verteilung der Lufttemperatur zurückgegriffen.

Zentraler Transformationsansatz zur Standardisierung der Modelldaten zum PET und zur Lufttemperatur war das statistische Verfahren der Z-Transfomation. Dieses hat den Vorteil, eine auf das Untersuchungsgebiet, hier Berlin, zugeschnittene Vergleichbarkeit von Werten zu ermöglichen, die aufgrund verschiedener ‚Messinstrumente‘, hier Bewertungsparameter, ermittelt wurden. Die Ergebnisse stellen somit keine absolute Vergleichbarkeit mit anderen Regionen her, da sie sich auf die Abweichungen vom lokalen, hier also Berliner, Mittelwert beziehen.

Die Bewertung konzentrierte sich auf die für Wohnzwecke genutzten Baublöcke, für die Tagsituation wurden jedoch auch Blöcke mit größeren Arbeitsplatzanteilen (Gewerbe, Industrie, Gemeinbedarf, Verwaltung) sowie das öffentliche Straßenland einbezogen (sogenannte „Raumkulisse“). Grundlage zur Auswahl der Blöcke und Teilblöcke waren die Flächentypen des Umweltatlas (Karte 06.08 „Stadtstrukturtypen, Flächentypen differenziert“, SenStadtWohn 2021).

Beide Bewertungszeitpunkte, Tag und Nacht, wurden mit ihren Raumkulissen in eine 4-stufige Ordinalskala mit den Klassen „sehr günstig“, „günstig“, „weniger günstig“ und „ungünstig“ überführt.

Die Zusammenführung von Tag- und Nachtbewertung, noch auf der Ebene der differenzierten Baublöcke, wurde anhand einer logischen „wenn-dann“-Verknüpfung durchgeführt, um die vorkommenden Kombinationen in eine Gesamtbewertung zu überführen.

Für die abschließende Aggregation auf die Planungsraumebene fand eine flächengemittelte Summation der betroffenen Blöcke und ihrer Kategorien statt, bevor diese mittels Intervallbildung in die drei Belastungsstufen des Umweltgerechtigkeitsansatzes überführt wurden.

Abbildung 5 erläutert das Vorgehen schematisch.

Abb 5: Bewertungsablauf „Thermische Belastung“ Tag und Nacht entsprechend dem Berliner Umweltgerechtigkeitsansatz

Kernindikator Grün- und Freiflächenversorgung

Grundlage zur Bewertung ist der aktuelle Stand der „Versorgungsanalyse Grün“, dargestellt und ausführlich erläutert in der Umweltatlaskarte 06.05 „Versorgung mit wohnungsnahen, öffentlichen Grünanlagen 2020“.

Die Ergebnisse der dortigen Bewertung konnten unmittelbar für die Einbindung in den Umweltgerechtigkeitsansatz genutzt werden.

„Diese blockspezifischen Dringlichkeitsstufen wurden unter Berücksichtigung der jeweiligen Bevölkerungszahl auf die Planungsraume aggregiert. Im Ergebnis ergibt sich erneut eine Einordnung in drei Kategorien: von sehr gut / gut über mittel bis schlecht / sehr schlecht / nicht versorgt. Ausschlaggebend waren damit nur die verfügbaren Grünflachen und die Bevölkerungszahl; die Ausstattungsqualität der Grünflachen blieb unberücksichtigt“ (SenUMVK 2022).

Kernindikator Soziale Benachteiligung

Grundlage zur Bewertung waren die Ergebnisse des stadtweiten Monitorings Soziale Stadtentwicklung (MSS), durch das seit 1998 im Rahmen eines kontinuierlichen, alle 2 Jahre fortgeschriebenen „Stadtbeobachtungssystems“ die soziale Lage der Bevölkerung auf der Ebene der Planungsräume ausgewertet und bereitgestellt wird.

Aktuelle und frühere Ergebnisse des MSS stehen im Geoportal des Landes Berlin online zur Verfügung.

Für den Umweltgerechtigkeitsansatz wurden die aktuellen Ergebnisse 2021 genutzt, die den Beobachtungszeitraum der Jahre 2019 und 2020 umfassen.

Die Grundlage für die Darstellungen nach Status und Dynamik (Veränderung über zwei Jahre) sowie die Berechnung des Status- und Dynamik-Index bilden die folgenden drei Index-Indikatoren:
  • Arbeitslosigkeit (nach SGB (Sozialgesetzbuch) II),
  • Transferbezug der Nichtarbeitslosen (nach SGB II und XII) und
  • Kinderarmut (Transferbezug SGB II der unter 15-Jährigen) (SenSBW 2022).

„Für den Umweltgerechtigkeitsatlas wurde der Status-Index zugrunde gelegt: Je höher die Anteile von Arbeitslosigkeit, Empfang von Transferleistungen und Kinderarmut in den Planungsräumen, desto niedriger fallt deren Status-Index aus. Die Dynamik dieser Bereiche wird hierfür nicht betrachtet.
Die Kategorien „niedrig“ und „sehr niedrig“ wurden zusammengefasst, um die Zahl der Ergebniskategorien wie bei den anderen Kernindikatoren von vier auf drei zu reduzieren.
Planungsräume mit weniger als 300 Einwohner*innen werden von der Indexberechnung ausgeschlossen, um kleinräumige Verzerrungen zu vermeiden (im Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2021 betraf dies fünf Planungsräume)“ (SenUMVK 2022, S. 10).

Zusammenführung der Kernindikatoren zu Mehrfachbelastungskarten und der Berliner Umweltgerechtigkeitskarte

Umweltgerechtigkeit kann nur als ein multidimensionales Thema betrachtet werden, es bedarf der integrierten Analyse und zusammenführenden Darstellung verschiedener Umweltbelastungen, aber auch von Umweltressourcen in ihrer sozialräumlichen Verteilung.

Im Ergebnis des zweistufigen Umweltgerechtigkeitsmonitorings wurden folgende (integrierte) Mehrfachbelastungskarten erarbeitet (vgl. Abb. 2):
  1. Integrierte Mehrfachbelastungskarte Umwelt“,
    sie zeigt die vier umweltbezogenen Mehrfachbelastungen (Kernindikatoren Luft, Lärm, Thermische Belastung und Grünflächenversorgung)
  2. Integrierte Mehrfachbelastungskarte Umwelt und Soziale Benachteiligung“,
    sie erweitert die erste Karte um den 5. Kernindikator Soziale Problematik
  3. Berliner Umweltgerechtigkeitskarte 2021/2022“,
    sie stellt neben den fünf Kernindikatoren noch die Betroffenheit (Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner in den Planungsräumen) sowie den Status der Wohnlage dar.

Die „Integrierte Mehrfachbelastungskarte Umwelt“ überlagert und summiert die vier umweltbezogenen Kernindikatoren pro Planungsraum. Die Kernindikatoren Luft-, Lärm- und thermische Belastung sowie Grünversorgung fließen als Einzelbelastung immer dann in die Bewertung ein, wenn sie im Hinblick auf die planungsraumbezogene Belastung nach der jeweiligen 3er-Klassifikation der schlechtesten Kategorie zugeordnet sind. Damit werden insbesondere diejenigen Planungsräume hervorgehoben, die multifaktoriell belastet sind, wobei sich mehrfache Umweltbelastungen ja nicht ausschießlich additiv, sondern auch kumulativ auswirken können.

Um die räumliche Konzentration der Belastung durch Umweltfaktoren bei gleichzeitiger sozialer Beeinträchtigung zu visualisieren, wurde die Mehrfachbelastungskarte Umwelt um die Komponente der sozialen Benachteiligung („niedriger Statusindex“) erweitert („Integrierte Mehrfachbelastungskarte Umwelt und Soziale Benachteiligung“).

Nicht berücksichtigt werden können mit dem bisherigen Ansatz die individuelle Exposition und Vulnerabilität des/der Einzelnen, also zum Beispiel physiologische Faktoren (etwa genetische Disposition, Stoffwechsel) sowie das individuelle Gesundheitsverhalten. Daher „kann eine Exposition trotz gleicher Intensität zu unterschiedlichen gesundheitlichen Wirkungen führen. Verantwortlich hierfür ist die individuelle Vulnerabilität, die den sogenannten Expositionseffekt modifizieren kann.“ (BZgA online 2022).

Die in der Methodik des Berliner Umweltgerechtigkeisansatzes abschließende Karte „Berliner Umweltgerechtigkeitskarte 2021/2022“ überlagert die Umwelt- und sozialen Belastungsfaktoren noch mit der Anzahl der Betroffenen (Gebiete mit mehr als 10.000 Einwohner*innen pro Quadratkilometer [km²]) und der Kennzeichnung von Planungsräumen mit überwiegend einfacher Wohnlage (mehr als 66% der betroffenen Adressen). Durch diese Kennzeichnungen kann auch innerhalb der stark belasteten Gebiete (mindestens 3fach) nochmals nach Handlungsdringlichkeiten priorisiert werden.

Räumliche Konzentration auf die bewohnten Gebiete

Der Berliner Umweltgerechtigkeitsansatz konzentriert sich auf die Lebensbereiche und Wohnorte der Bewohnerinnen und Bewohner. Gebiete außerhalb der Siedlungsräume wie die Wälder, großen Park- und Freizeitanlagen sowie Flächen, die als Arbeitsstätten genutzt werden, besitzen im gesamtstädtischen Kontext ebenfalls wichtige Funktionen, werden aber in den Umweltgerechtigskarten ausgeblendet. Zu diesem Zweck überlagert die Kartenebene „weitgehend unbewohnte Flächen“ die Gesamtdarstellungen.

Relevanz und Grenzen des methodischen Vorgehens:

Umweltdaten wie Daten allgemein haben in der Regel, zumal wenn sie aus verschiedenen thematischen Bereichen stammen, unterschiedliche Hintergründe, vor allem bezogen auf folgende Punkte:
  • Art der Erfassung und Bewertung der Einzeldaten (messen, modellieren, abschätzen);
  • gibt es vorgegebene bundes- / EU-weite Grenzwerte oder werden die Daten in Relation der Betrachtungsräume untereinander verglichen?
  • räumliche Auflösung der Originaldaten und Raumbezug der Zielaussage;
  • der zeitliche Abstand zwischen wiederkehrenden Aktualisierungen und
  • methodische und andere fachliche Weiterentwicklungen im Laufe der Fortschreibungszyklen.

Diese Rahmenbedingungen erschweren bereits den Vergleich unterschiedlicher Versionsstände innerhalb eines Themas, sie wirken sich naturgemäß noch weitreichender aus, wenn verschiedene Umwelt-, Gesundheits- und Sozialthemen in einem gemeinsamen Ansatz miteinander in Beziehung gesetzt werden.

Auf der anderen Seite ist das große Potenzial zu würdigen, dass durch einen multifaktoriellen Vergleich im Hinblick auf Hinweise besteht, Ungleichheiten durch Umweltbelastungen und soziale Benachteiligung entgegenzuwirken. Das „Zielgebiet“ stellt das Land Berlin in seiner aktuellen „Umweltgerechtigkeits-Ausprägung“ dar, daher erscheint der Ansatz einer Kategorisierung auf der Basis eines relativen Vergleichs der Planungsräume von „gut bis schlecht“ untereinander als sinnvoller Weg, (räumliche) Prioritäten für Handlungstrategien in Berlin datenseitig zu unterstützen.

Für die zukünftigen Fortschreibungen des Berliner Umweltgerechtigkeitsansatzes wird die „behutsame“ Weiterentwicklung in Methode und Vorgehen wahrscheinlich weiterhin notwendig sein, immer im Sinne einer transparenten Beschreibung des angewandten Verfahrens, um den Aspekt eines Monitoring und einer Evaluierung entlastender Maßnahmen zu unterstützen (siehe auch SenUMVK 2022, Kapitel „Umweltgerechtigkeit: Grenzen der Aussagekraft“, S. 11).