In Berlin ist der Kraftfahrzeugverkehr seit Jahren ein erheblicher Verursacher nicht nur der Lärmimmissionen, sondern auch der Luftverschmutzung, insbesondere seit die anderen Verursachergruppen in ihrem Beitrag zur Luftbelastung in Berlin wesentlich reduziert wurden.
In der Nähe hoher Schadstoffemissionen, wie z.B. in verkehrsreichen Straßenschluchten, treten auch hohe Immissionskonzentrationen auf. Anders als in den meisten Industriegebieten sind in verkehrsreichen Straßen viele Menschen – ob als Anwohner, Kunden oder Beschäftigte – einer erhöhten Schadstoffbelastung ausgesetzt. Um den Vorgaben der EU-Richtlinie 2008/50 sowie insbesondere der 39. BImSchV – Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen – nach Einhaltung der Grenzwerte am Ort der höchsten Exposition Rechnung zu tragen, ist eine möglichst lückenlose Quantifizierung der Schadstoffbelastung notwendig.
Dazu werden in Berlin seit langem die kontinuierlichen Messungen der Luftgüte mit Modellrechnungen in allen verkehrsreichen Straßen, in denen Grenzwerte potenziell überschritten werden, ergänzt.
Allerdings spielt selbst in einer verkehrsbelasteten Straßenschlucht der Anteil der durch die übrigen Quellen in der Stadt oder durch Ferntransport von Schadstoffen erzeugten Vorbelastung eine wichtige Rolle. Deshalb wurde für die Planung von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in Berlin ein System von Modellen angewandt, das über die Ebenen
- Straßenschlucht,
- städtische und
- regionale Hintergrundbelastung
sowohl den großräumigen Einfluss weit entfernter Quellen als auch den Beitrag aller Emittenten im Stadtgebiet bis hinein in verkehrsreiche Straßenschluchten berechnen kann.
Die Ergebnisse der Messungen der vergangenen Jahre und die für das Jahr 2015 durchgeführten umfangreichen Modellrechnungen lassen u.a. folgende Schlussfolgerungen zu:
- Die gemessene NO2-Belastung sowohl in den Berliner Vororten als auch in Wohngebieten und an Hauptverkehrsstraßen ist nur geringfügig zurückgegangen und liegt in Straßenschluchten fast durchgängig über dem Grenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit von 40 µg/m³. Im Mittel wurden im Jahr 2015 an Hauptverkehrsstraßen Jahresmittelwerte zwischen 41 und 73 µg/m³, in innerstädtischen Wohngebieten von 27 µg/m³ und am Stadtrand von 14 µg/m³ gemessen. Auch 2017 lagen die Jahresmittel an Hauptverkehrsstraßen durchgängig noch über dem Grenzwert vom 40 µg/m³ zwischen 41 und 63 µg/m³. Trotz Verbesserung der Abgastechnik der Fahrzeuge und trotz einer leichten Abnahme des Kfz-Verkehrs in Berlin zwischen 2010 und 2015 hat sich die erwartete starke Abnahme der NO2-Immissionen bis jetzt nicht eingestellt. Der stärkste Rückgang ist am Hardenbergplatz zu verzeichnen. Die dort vorwiegend verkehrenden BVG-Busse sind in den letzten Jahren sukzessive mit Stickstofffiltern nachgerüstet oder durch neue saubere Busse ersetzt worden.
- Wurde 2014 dort noch ein NO2-Jahresmittelwert von 62 µg/m³ gemessen, so sank dieser 2015 auf 53 µg/m³ und 2017 auf 45 µg/m³.
- Einer der Gründe für den allgemein geringen Rückgang der NO2-Werte ist die starke Zunahme der Dieselfahrzeuge in Berlin. Hatten im Jahr 2002 noch ca. 14 % aller PKW und leichten Nutzfahrzeuge Dieselmotoren, so stieg der Anteil im Jahr 2015 auf ca. 35 %. Dieselfahrzeuge stoßen wesentlich mehr Stickoxide aus als Benzinfahrzeuge. Auch der Anteil von NO2 im Abgas hat sich in den letzten 10 Jahren von unter 10 % auf über 40 % erhöht. Damit tragen Diesel-Kfz überproportional zur NO2-Belastung an Hauptverkehrsstraßen bei. Zudem hat sich gezeigt, dass Dieselfahrzeuge des neueren Abgasstandards EURO 5 zum Teil höhere NOx-Emissionen erzeugen als Dieselfahrzeuge mit dem älteren EURO 4-Standard.
Prognose für 2020 und 2025:
- Zur Berechnung der für 2020 und 2025 prognostizierten Emissionen wurde das Emissionskataster unter Berücksichtigung der wachsenden Stadt, der verbesserten Heizungstechnik, des Umstieges von Kohle auf andere Energieträger und der Effizienzsteigerung bei den Großfeuerungsanlagen sowie der normalen Kfz-Flottenerneuerung fortgeschrieben. Alle bis 2017 beschlossenen Maßnahmen im Verkehrssektor (z.B. geplante Erweiterung des Busangebotes, Fertigstellung von Straßenbahnlinien, Fertigstellung von neuen Straßenabschnitten, Förderung des Fahrradverkehrs etc.) wurden berücksichtigt.
- Für die Berechnung der verkehrsbedingten Emissionen wurde das Verkehrsmodell auf die Jahre 2020 und 2025 angepasst. Da zur korrekten Ermittlung der Emissionen aus dem Verkehrssektor der Stauanteil einen wesentlichen Faktor bildet, wurde eine neue Methode entwickelt, ausgehend von der Ist-Situation unter Berücksichtigung der prognostizierten Fahrleistungen auf die zukünftig zu erwartenden Stauanteile zu schließen. Die so ermittelten Verkehrskennzahlen für 2020 und 2025 wurden verwendet, um die verkehrsbedingten Emissionen zu berechnen. Hierbei wurde auch die Wirksamkeit der „Software-Updates“ für Euro-5- und Euro-6-Diesel-Pkw berücksichtigt.
- Aufgrund der Flottenerneuerung gehen die NOx-Emissionen aus dem Verkehrssektor um durchschnittlich ca. 26 % bis 2020 zurück, bei annähernd gleichbleibender bzw. leicht gestiegener Fahrleistung und etwas schlechteren Verkehrszuständen.
- Die höchsten NOx-Emissionsminderungen im Verkehrssektor werden mit 56 % für die Linienbusse vorhergesagt, schwere Lkw werden ca. 31 %, Reisebusse ca. 26 %, Pkw ca. 20 % und leichte Nutzfahrzeuge ca. 11 % weniger NOx in Berlin ausstoßen. Hierbei wurden die Erneuerung der BVG-Busflotte und die Nachrüstung berücksichtigt, was zu den erheblichen Emissionsminderungen geführt hat.
- Die Immissions-Prognose für 2020 hat ergeben, dass weiterhin an ca. 3,5 km Straßenzügen NO2-Konzentrationen über 40 µg/m³ vorhergesagt werden, an denen ca. 4.000 Menschen leben. Geht man von einer Unsicherheit von ca. 4 µg/m³ aus, u.a. weil das Rechenmodell im Vergleich zu Messwerten tendenziell etwas unterschätzt oder die Emissionseigenschaften der Fahrzeuge gegebenenfalls zu optimistisch eingeschätzt werden, sind 2020 ca. 15 km Straßenabschnitte noch von Grenzwertüberschreitungen betroffen, an denen ca. 16.000 Menschen leben. Noch nicht berücksichtigt sind Maßnahmen wie die gerade laufende/geplante Anordnung von Tempo 30, Flottenverbesserungen durch verstärkten Kauf von Elektrofahrzeugen, eine Hardware-Nachrüstung von Diesel-Pkw und leichten Lkw und sonstige nicht-infrastrukturelle Maßnahmen, wie z.B. die Förderung des Umweltverbundes.
- Die höchst belasteten Straßenabschnitte liegen mit für 2020 prognostizierten 61 µg/m³ an der Leipziger Straße zwischen Wilhelmstraße und Bundesrat, mit 56 µg/m³ zwischen Charlottenstraße und Friedrichstraße und mit 51 µg/m³ zwischen Friedrichstraße und Leipziger Straße 21. Auch an der Stadtautobahn zwischen Neuer Kantstraße und Spandauer Damm werden ähnlich hohe Werte simuliert. Allerdings ist das hier verwendete einfache, für Simulationen im gesamten Hauptverkehrsstraßennetz vorgesehene Berechnungsmodell nicht geeignet, um die dort vorhandene komplexe Straßenraumsituation mit der Stadtautobahn in Troglage und den 5 m oberhalb angrenzenden Gebäuden korrekt abbilden zu können.
- Oberhalb 50 µg/m³ wird voraussichtlich auch die Brückenstraße zwischen Köpenicker Straße und Rungestraße liegen. Die übrigen von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßenabschnitte liegen zwischen 40 und 50 µg/m³.
- Ursachen der hohen NO2-Belastung an der Leipziger Straße sind:
- 81 % der Belastung stammen aus dem Berliner Straßenverkehr, davon 92 % aus Dieselfahrzeugen und nur 8 % aus Ottofahrzeugen;
- etwas mehr als die Hälfte der vom Kfz-Verkehr stammenden NO2-Belastung wird von Diesel-Pkw verursacht, zusammen mit leichten Nutzfahrzeugen macht der Anteil sogar mehr als 70 % aus;
- Linienbusse an der Leipziger Straße tragen nur noch ca. 11 % zur NO2-Zusatzbelastung bei. Damit ist der Beitrag der Linienbusse an der NO2-Belastung stark gesunken, was sich messtechnisch am Hardenbergplatz bereits abzeichnet und somit bestätigt wird.
- Zusätzliche nicht-infrastrukturelle Maßnahmen, wie beispielsweise die im Mobilitätsgesetz vorgesehene verstärkte Förderung des Umweltverbundes und die neue Tarifstruktur des ÖPNV, werden als Szenario in einem weiteren Schritt hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Kfz-Verkehr sowie auf die Luftschadstoffsituation bis 2020 bewertet.
- Im Jahr 2025 werden voraussichtlich alle Luftschadstoffgrenzwerte eingehalten.
Bewertung anhand eines Indexes
Die aus den Modellrechnungen abgeleitete Karte präsentiert die räumliche Verteilung der verkehrsverursachten Luftbelastung für NO2 und PM10 für das Prognosejahr 2020. Für beide Stoffe wurde eine zusammenfassende Bewertung vorgenommen. Der ermittelte Index gewichtet die berechneten Konzentrationen anhand der jeweiligen Grenzwerte in dem für diesen Zweck auf rund 12.000 Straßenabschnitte erweiterten Hauptverkehrsnetz und addiert die Quotienten. Ein Index von 1,00 ergibt sich z.B. dann, wenn beide Komponenten 50 % des Grenzwertes erreichen. Alle Abschnitte, die einen Indexwert größer 1,8 (über 90 % Ausschöpfung des jeweiligen Grenzwertes) aufweisen, erfordern zukünftig ein besonderes Augenmerk.