Oberflächentemperaturen bei Tag und Nacht 2000

Methode

Bei den IR-Thermalaufnahmen wird die Oberflächentemperatur nicht direkt gemessen, sondern über die von den zu erfassenden Strukturen ausgehende langwellige Strahlung berechnet; erfasst wird die sogenannte Strahlungstemperatur. Dabei handelt es sich um einen Energietransport mittels elektromagnetischer Wellen, wobei die Strahlung der Fluss der elektromagnetischen Wellen pro Fläche und Zeit ist. Strahlung und Temperatur eines Körpers unmittelbar an seiner Oberfläche stehen in einem funktionalen Zusammenhang, ausgedrückt durch das Gesetz von Stefan-Boltzmann. Dieser Zusammenhang besteht, wenn die Oberflächen annähernd ihr volles Emissionsvermögen (Emissionswert = 1) erreichen. Dies ist für alle wichtigen Oberflächenelemente innerhalb des erfassten Wellenlängenbereichs von 10,4 bis 12,5 µm gegeben, so dass der Einfluss der Atmosphäre auf das Emissionsverhalten vergleichsweise gering bleibt. Die Differenz zwischen der vom Satelliten erfassten Strahlungstemperatur und der berechneten Oberflächentemperatur ist somit in der Regel vernachlässigbar. Nur Metalloberflächen, wie sie z.B. bei Flachdächern Verwendung finden, weichen mit Emissionswerten von 0,1 beträchtlich ab und müssen daher auch bei der Interpretation eine Sonderstellung einnehmen.

Auflösung

Von größerer Bedeutung ist dagegen der Grad der räumlichen Auflösung der Bildelemente in Pixel von 60 m x 60 m. Diese werden zwar vor Übergabe an den Bearbeiter durch die Bodenstation der ESA in Pixel von 30 m x 30 m umgerechnet. Doch bedeutet die Ausgangsgröße in vielen Fällen die Erfassung von Mischsignaturen, die z.B. die Bestimmung von Straßenzügen, kleineren Stadtplätzen oder unterschiedlichen Vegetationsstrukturen erschwert. Für jedes etwa 3600 m² große Raster liegt somit zunächst nur die über alle im Raster enthaltenen Flächenstrukturen integrierte mittlere Strahlungstemperatur vor.

Datenverarbeitung

Die digitale Bearbeitung des Ausgangsmaterials erfolgte mit dem Bildverarbeitungssystem ERDAS. Die geometrische Korrektur der Szenen wurde mittels Passpunktbestimmung bezogen auf die Vektordaten der Bebauungsstrukturen Berlins und der Zuordnung der satellitenbildsicheren Objekte durchgeführt. Diese wurden aus dem panchromatischen Datensatz vom 14.08. extrahiert, da hier die beste räumliche Auflösung der Satellitendaten (15m x 15m) vorlag. Diese Daten wurden mit Hilfe der über das ganze Stadtgebiet verteilten Passpunkte geometrisch entzerrt.

Die Strahlungstemperaturen konnten aus den Grauwerten der Satellitendaten abgeleitet werden. Dazu müssen die Grauwerte zunächst in spektrale Strahldichten umgerechnet werden. Diese werden in einem nächsten Bearbeitungsschritt in die Oberflächentemperaturen des beobachteten Gebiets umgerechnet. Die in der Auswertung erhaltenen Werte in °C wurden zur Vereinfachung und Reduzierung der Datenmenge jeweils auf 1°C gerundet.

Differenzenkarte

Die Berechnung der Tag-/Nacht Temperaturdifferenzen wurde für das Szenenduo Tag und Nacht durchgeführt. Die Ergebnisse wurden ebenfalls auf 1 °C gerundet. Aussagen zum Temperaturniveau, auf dem sich die Differenzen bewegen, d.h. ob es sich um relativ hohe oder niedrige Werte handelt, können den Hinweisen in Abbildung 2 entnommen werden.

Interpretationshinweise

Als Grundlage für die Interpretation und vergleichende Analyse der Tag- und Nachtsituation soll abschließend nochmals auf die von der beschriebenen Aufnahmetechnik und den Erfassungszeitpunkten bestimmten Möglichkeiten und Grenzen hingewiesen werden:

  • Kleinteilig differenzierte horizontale und vertikale Strukturen (Innenhöfe, Straßenbereiche, Stadtplätze) können nur als Mischpixel erfasst werden.
  • Die Überfliegungszeitpunkte Morgen und früher Abend erfassen nicht die Zeitpunkte größter Erwärmung bzw. größter Abkühlung. Vielmehr spielen die materialabhängigen Wärmeleit- und Wärmespeichervermögen eine besondere Rolle. So besitzt – besonders bei windschwachen Strahlungswetterlagen – der trockene, an Luftporen reiche Sandboden der Äcker und abgestorbenen Brachflächen eine schlechte Wärmeleitung und erzeugt damit eine rasche vormittägliche Erwärmung bzw. abendliche Abkühlung im Kartenbild. Umgekehrt führen die gut wärmespeichernden Eigenschaften der Baumaterialien Beton, Asphalt und Stein zu einer verlangsamten Erwärmung und Abkühlung und somit zu einer nur eingeschränkten Wiedergabe der “Wärmeinsel Stadt”.
  • In Hinsicht auf die Freiflächen sind auch die durch den jahreszeitlichen Wechsel hervorgerufenen Veränderungen von Bedeutung. Insbesondere bei Ackerflächen und Magerrasen werden durch die Erntezeitpunkte bzw. das weitgehende oberirdische Absterben der Bestände z.T. entscheidende Modifikationen im Temperaturverhalten erzeugt.