Wissenschaftliche Forschungen belegen seit längerem, dass das Weltklima sich verändert und weiterhin verändern wird. Im Rahmen der Berichterstattung des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC 2014) werden der jeweils neueste Forschungsstand zur bisherigen und anzunehmenden zukünftigen weltweiten Entwicklung publiziert. Städte, insbesondere die großen Metropolen, sind in diesem Zusammenhang nicht nur verantwortlich für die Minderung der Treibhausgas-Emissionen, sondern sie sind auch Betroffene in Form zunehmender Belastungen für verschiedene Bereiche der städtischen Infrastruktur.
Aktuellen Berechnungen des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung (PIK) zufolge wird Berlin im Jahresgang von Temperatur und Niederschlägen im Jahr 2100 das Klima haben, das die südfranzösische Stadt Toulouse heute aufweist (Reusswig, Becker et al. 2016). Insbesondere die Zunahme von Extremwetterereignissen wie beispielsweise andauernde Hitze- und Trockenperioden oder Starkniederschläge stellen Politik, Verwaltung und Bevölkerung vor enorme Herausforderungen.
Der Senat von Berlin hat die Dringlichkeit, die sich aus diesen Prognosen für die Stadt ergibt, bereits seit längerem erkannt und mit Plänen und Maßnahmen sowohl zu dem Bereich der Minderung und Vermeidung (Mitigation) als auch zu demjenigen der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaption) reagiert bzw. entwickelt diese kontinuierlich weiter.
Für das Handlungsfeld des Klimaschutzes mit seinen verschiedenen Bausteinen wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen mit dem Berliner Energiewendegesetz (EWG Bln 2016) und den Strategien und Maßnahmen zur Klimaneutralität bis 2050 im Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 (Abgeordnetenhaus Berlin 2016) festgelegt.
Der Bereich Klimaanpassung wird in Berlin in unterschiedlichen Zuständigkeiten wahrgenommen.
Die Kernelemente der Berliner Anpassungsstrategie an den Klimawandel bestehen aus drei Bausteinen:
- dem strategischen Konzept zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (AFOK) (Reusswig, Becker et al. 2016), das einerseits Klimaprojektionen für die Zukunft für die Gesamtstadt enthält und andererseits sektorale Vulnerabilitäten aufzeigt und Klimaanpassungsmaßnahmen empfiehlt,
- dem Stadtentwicklungsplan (StEP) Klima (SenStadtUm 2011), der bereits 2011 vorgelegt wurde und vor allem Handlungsempfehlungen für den Bereich der räumlichen Planung enthält. Er wurde 2016 mit dem StEP Klima KONKRET (SenStadtUm 2016a) auf die Herausforderungen der wachsenden Stadt fokussiert und
- der neuen dreiteiligen Planungshinweiskarte Stadtklima des Umweltatlas (SenStadtUm 2016b), die flächenscharf aufzeigt, welche Bereiche der Stadt bereits heute unter klimatischen Belastungen leiden und wo Berlin Potenziale der Entlastung besitzt.
Die Planungshinweiskarte stellt den Abschluss einer umfangreichen Stadtklimamodellierung dar, die neben den flächendeckenden Simulationen auch Auswertungen langjähriger Zeitreihen an den Berliner Stationen Alexanderplatz, Dahlem, Grunewald, Tegel und Tempelhof sowie Potsdam ermöglichte (SenStadtUm 2015). In einem Exkurs wurde bereits im Rahmen des EFRE-Projektes „Gis-gestützte Modellierung von stadtklimatisch relevanten Kenngrößen auf der Basis hochaufgelöster Gebäude- und Vegetationsdaten“ (SenStadtUm 2015a) eine stationsbezogene Abschätzung möglicher Klimawandeleffekte mit dem Regionalen Klimamodell WETTREG2010 Szenario A1B (CEC-Potsdam o.J.) durchgeführt, deren Ergebnisse auch für die hier vorgelegten Karten Verwendung fanden.
Als klimatologischer Kenntag wird ein Tag bezeichnet, an dem ein festgelegter Schwellenwert eines meteorologischen Parameters erreicht oder überschritten wird. Im Kontext mit dem Thema Stadtklima sind vor allem die folgenden Kenntage relevant, da sie eng mit dem Auftreten bioklimatischer Belastungen in Siedlungsräumen verknüpft sind:
- 04.12.01 Sommertage (Maximumtemperatur ≥ 25 °C),
- 04.12.02 Hitzetage (Maximumtemperatur ≥ 30 °C),
- 04.12.03 Tropennächte (Minimumtemperatur ≥ 20 °C).
Die langjährigen Messungen von Klimaparametern zeigen im Sommerhalbjahr für die verschiedenen Messstandorte im Stadtgebiet eine charakteristische Verteilung der Minimum- und Maximumtemperaturen. Die Verteilung spiegelt das unterschiedliche Wärmeverhalten der Stadt wider, das sich aus den verschiedenen Nutzungsstrukturen aber auch aus der Lage eines Standortes innerhalb des Stadtgebietes als Ganzes ergibt. Die räumliche Lage innerhalb der Stadt bestimmt so bei sonst vergleichbarer Nutzung, inwieweit ein Standort von der kühleren Umgebung profitieren kann oder im Einfluss überwärmter angrenzender Stadtteile steht. Eine Freifläche im Einfluss der städtischen Wärmeinsel wird einen flacheren Tagesgang zeigen als eine vergleichbare Fläche außerhalb der Stadt. Da das absolute Niveau der sommerlichen Temperatur in erster Linie von der vorherrschenden Wetterlage bestimmt wird und nur eine Modifikation durch die Lage des Standortes im Stadtgebiet erfolgt, lassen sich auf Grundlage der charakteristischen Temperaturdifferenzen Rückschlüsse von den gemessenen Temperaturen eines Standortes auf das Niveau an einem anderen Standort ziehen.
Das Überschreiten festgelegter Werte der Tagesminima bzw. -maxima bestimmen das Auftreten der sogenannten Kenntage. Da gerade die Tagesextrema und ebenso die zeitgleich gemessenen Temperaturdifferenzen der Stationen untereinander eine charakteristische Verteilung zeigen, kann durch Kenntnis der Temperaturdifferenz zu einem Referenzstandort ermittelt werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es auch dort zum Überschreiten der Schwellenwerte kommt. Bei Kenntnis der Häufigkeiten der Kenntage pro Jahr an einem Referenzstandort können somit die Häufigkeiten an einem anderen Standort abgeschätzt werden.