Eine derart umfassende Verfeinerung der räumlichen Auflösung der Modellierung bedingt gleichzeitig entsprechend detaillierte Datengrundlagen, die insbesondere mit hochaufgelösten Gebäude- und Vegetationsdaten zur Verfügung standen (SenStadtUm 2014, vgl. Datengrundlage).
Durch die nunmehr vorliegende 10m x 10m-Raster-Auflösung wird eine Nutzbarkeit der Analyseergebnisse auch für Beurteilungs-und Abwägungsprozesse auf der Ebene der verbindlichen Bauleitplanung (Bebauungsplanebene) bzw. entsprechende Projekte möglich.
Eine entscheidende Funktion der modellgestützten Klimaanalyse ist die Erfassung des Prozessgeschehens der bodennahen Luftaustauschströmungen und der Versuch, eine Verbindung zwischen diesen Vorgängen und einer Gliederung des Untersuchungsraumes in klimatisch-(lufthygienische) Gunst- und Ungunsträume herzustellen. Diese beiden Begriffe beschreiben aus klimatischer Sicht die Gliederung des Raumes in Ausgleichsräume, Wirkungsräume und verbindende Strukturen (Leitbahnen) und sein Verständnis als Ausgleichsraum-Wirkungsraum-Gefüge.
“Ein Ausgleichsraum ist dabei ein vegetationsgeprägter, unbebauter Raum, der durch Bildung kühlerer und frischerer Luft über funktionsfähige Austauschbeziehungen lufthygienische oder bioklimatische Belastungen in Wirkungsräumen vermindern oder abbauen kann. Ein Wirkungsraum ist ein belasteter, bebauter oder zur Bebauung vorgesehener Raum, der über Luftaustauschprozesse an einen angrenzenden oder über eine Luftleitbahn erschlossenen Ausgleichsraum angebunden ist.” (vgl. Mosimann, Frey, Trute und Wickenkamp 1999). Diese Verfahrensweise löst sich damit grundlegend von der früher verbreiteten und auch heute noch für Ersteinschätzungen üblichen statischen Betrachtung auf der Basis von Stadtklimatopen, die den Untersuchungsraum in räumliche Einheiten untergliedert, in denen die mikroklimatisch wichtigsten Faktoren relativ homogen und die Auswirkungen wenig unterschiedlich sind. (vgl. VDI 2015)
Die hier gewählte Herangehensweise des Modelleinsatzes mit gekoppelter Auswertung statistischer Grunddaten langjährig betriebener Klimastationen (SenStadtUm 2015a) beinhaltet folgende wichtige Vorteile:
- Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse im Gesamtraum wird gewährleistet
- Neben den qualitativen Aussagen zur Ausprägung einzelner stadtklimatischer Phänomene werden auch quantitative Aussagen zu klimaökologischen Zuständen und zur Austauschprozessen möglich
- Klimaökologische Ausgleichs- und Prozessräume werden im Stadtgebiet verortet und in ihrer (möglichst exakten) räumlichen Ausprägung dargestellt
- Ein wichtiger Aspekt des klimaökologischen Ausgleichspotenziales von Freiflächen – der Kaltlufthaushalt – kann nur auf diese Weise flächendeckend untersucht werden.
Auch mit dieser Anwendung des Klimamodells konnte der schon vielfach bestätigte Zusammenhang zwischen dem Klima verschiedener Stadtgebiete und ihrer Bau-, Freiflächen- und Vegetationsstruktur bestätigt werden. Das typische Lokalklima entsteht aber nicht nur durch die Struktur eines Stadtgebietes, sondern auch durch seine Lage innerhalb der Stadt. So können verschiedene Räume einer Stadt untereinander oder mit dem Umland in Wechselwirkung stehen. Von entscheidender Bedeutung für den klimatischen Austausch sind dabei die Temperaturunterschiede benachbarter Gebiete. Eine Reduzierung dieser Unterschiede, z.B. durch Erhöhung der Baudichte oder Angleichung der Strukturen verschlechtert das Stadtklima. Ziel der vorliegenden aktualisierten Karten 04.10.01 – 04.10.07 ist es, die Ergebnisse der aktuellen Anwendung der Klimamodellierung zu präsentieren.
Gegenüber der letzten Ausgabe 2009 wurde das Themenspektrum der dargestellten Parameter wesentlich erweitert, sowohl hinsichtlich der ausgewerteten Parameter als auch der räumlichen Differenzierung, indem nunmehr sowohl die Original-Rasterauflösung als auch die gemittelten Block(teil)flächenwerte als Grundlage für die Planungshinweiskarten im Geoportal angeboten werden (vgl. Methode, SenStadtUm 2016).
Um eine Vergleichbarkeit mit den bereits im digitalen Umweltatlas veröffentlichten Klimaparametern herzustellen, wird auch die Verteilung der Lufttemperatur zu zwei Zeitschnitten präsentiert, obwohl bei einem direkten Vergleich der alten, auf Messungen, Evaluierungen und Analogieschlüssen basierenden Kartendarstellungen mit den Simulationsergebnissen von Modellanwendungen die verschiedenen Rahmenbedingungen der unterschiedlichen Versionen zu beachten sind. Dieser Hinweis gilt ebenso beim Vergleich der Ergebnisse der nunmehr drei FITNAH- Modellanwendungen der Ausgaben 2003, 2009 und 2016, da einerseits Datenstand, Umfang und Detaillierungsgrad der Eingangsdaten, andererseits auch die Weiterentwicklungen des Modells selbst zu voneinander abweichenden Ergebnissen bzw. auch Klassifikationen führen können.
Besondere Bedeutung haben die Darstellungen zur räumlichen Abgrenzung und Quantifizierung der autochthonen Luftaustauschprozesse. Der Begriff ‘autochthon’ bezeichnet dabei klimatische Vorgänge, die an Ort und Stelle bzw. von selbst (also ohne Fremdwirkung, z.B. durch großräumige Windströmungen) entstehen (Gegensatz: allochthon). Sie begründen sich damit in der klimatischen Leistungsfähigkeit der einzelnen Nutzungsstruktur in ihrem jeweiligen Umfeld und bieten eine begründete Basis zur Ableitung von konkreten Planungsempfehlungen.