Grundsätzlich ist zu jeder Jahreszeit eine zweigipflige Verteilung anzutreffen. Ein Gipfel repräsentiert Wetterlagen mit geringen Windgeschwindigkeiten und relativ starker Bewölkung. Der andere Gipfel repräsentiert die sowohl klimatisch als auch lufthygienisch problematischen Wetterlagen mit geringen Windgeschwindigkeiten und hoher Strahlungsintensität. In den Wintermonaten neigen diese Wetterlagen zu austauscharmen Situationen mit hohem Schadstoffanteil in der Atmosphäre. Im Sommer werden sie zumeist durch stationäre Hochdruckgebiete verursacht, in deren Verlauf sich lokal ein erhebliches bioklimatisches Belastungspotential entwickeln kann. In den Sommern der Untersuchungsjahre 1991 – 1993 traten diese Wetterlagen in mehr als 38 % aller Beobachtungsfälle auf.
Vor allem vor dem Hintergrund dieser großräumig bedingten problematischen Wetterlagen sind klimatisch günstig und entlastend wirkende Strukturen von Bedeutung. Dies sind zum einen die an der Peripherie der Städte gelegenen großflächigen Freiräume mit ihren zum Teil bis in den Stadtkern reichenden Ausläufern. Ausschlaggebend für ihre Wirksamkeit sind Reliefverhältnisse, Vegetationsstrukturen und die Bebauungsdichte in den Übergangsbereichen zwischen Stadtkern und Umland. Selbst schwach geneigte Täler oder ebene Belüftungsbahnen, die in Richtung Stadt verlaufen, können klimatisch und lufthygienisch entlastend wirken, wenn diese Bereiche offen strukturiert sind.
Mit zunehmender Entfernung vom Stadtrand und nachlassender Verbindung zu den klimatischen Ausgleichsflächen des Umlands gewinnen kleinräumige Windsysteme zwischen innerstädtischen Freiräumen und ihrer unmittelbaren Umgebung an Bedeutung. Die über der bebauten erwärmten Fläche aufsteigenden Luftmassen werden durch kühlere Luft aus den benachbarten Freiflächen ersetzt (Flurwindeffekt). Innerhalb der Grünflächen selbst ist je nach Vegetationsstruktur eine starke Verminderung der Belüftung zu erwarten. Bei austauscharmen Wetterlagen führt die dort gebildete bodennahe Kaltluft zu einer zusätzlichen Stabilisierung der bodennahen Luftschicht. Die Immissionsgefährdung von Grünflächen muss daher als sehr hoch eingestuft werden. Dies verdeutlicht, dass die positiven Wirkungen von Freiräumen auf die Umgebung nur dann voll entfaltet werden können, wenn klimatische Ausgleichsräume nicht durch bodennahe Emittenten belastet werden. Die räumliche Ausdehnung
des Wirkungsbereiches wird durch die Struktur der Randbebauung bestimmt.
Untersuchungen und Messungen im Großen Tiergarten belegen die beschriebenen Zusammenhänge; sie beziehen sich allerdings auf die Zustände vor den umfangreichen Baumaßnahmen der 90er Jahre. Die gemessenen Temperaturdifferenzen zwischen dem inneren Bereich des Großen Tiergartens und den südwestlich und nördlich angrenzenden dicht bebauten Gebieten betrugen zu dieser Zeit bis zu 7 °C. Die breit angelegten Straßen innerhalb dieses Freiraumes führten zu einer Aufteilung der Kälteinsel in mehrere Teilbereiche (Horbert und Kirchgeorg 1980). Die in Hochlage geführte S- und Fernbahntrasse behindert den Austausch der Luft zwischen dem Großen Tiergarten und der Umgebung nach Norden und Nordwesten. An den Unterführungen im Süden und Osten konnten dagegen damals erhebliche Reichweiten festgestellt werden. Nach Westen reichen die Auswirkungen entlang der Straße des 17. Juni noch über den Ernst-Reuter-Platz hinaus, nach Südwesten bis zum Breitscheidplatz (v.
Stülpnagel 1987). Die Folgen der Bebauung in den Bereichen Potsdamer Platz, Ministergärten, Pariser Platz/Brandenburger Tor bis zum Spreebogen werden in den oben erwähnten Klimakarten und auch hier unter Kartenbeschreibung erläutert.
Aufgrund der begrenzten Reichweite von Freiflächen sind für die Entlastung von Ballungsgebieten auch Maßnahmen im bebauten und verdichteten Gebiet selbst erforderlich. Von großer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die Begrünung von Stadtplätzen, Straßen, Gebäuden und Innenhöfen. Die Überwärmung kann so vermindert, der Feuchtigkeitsgehalt der Luft erhöht und Staub gebunden werden.
Die Erwärmung von Dächern hängt sehr stark von ihrer Farbe und ihrem Material ab (vgl. Karte 04.06, SenStadt 2001d). Am günstigsten verhalten sich begrünte Dächer, wobei die Art der Pflanzen eine große Rolle spielt. Jedoch muß die positive Auswirkung von hoch gelegenen Dächern auf den stärker belasteten Straßenraum als begrenzt angesehen werden. Insgesamt dürfte die Begrünung von Fassaden klimatisch wirksamer ausfallen. Umfangreiche Untersuchungen zur Bedeutung von Fassaden- und Dachbegrünungen für das Mikroklima wurden von Bartfelder und Köhler (1987) in Berlin durchgeführt.
Zur klimatisch-lufthygienischen Verbesserung des Wohnumfeldes gehört auch die Gestaltung bzw. die Vegetationsausstattung von Innenhofbereichen (Horbert, v. Stülpnagel, Welsch 1986, Horbert 1992). Enge geschlossene Höfe zeichnen sich durch eine Verminderung der Tagestemperaturen und eine geringe Abkühlung in den Abend- und Nachtstunden aus. Die Besonnung ist stark eingeschränkt. Dies gilt auch für den Luftaustausch, woraus sich eine hohe Immissionsgefährdung ergibt. Die Begrünung dieser Höfe verbessert die klimatischen Bedingungen, wobei zur Förderung des Luftaustausches eine Wandbegrünung günstiger ist als das Pflanzen von Bäumen. Größere Hofanlagen erreichen gegenüber engen Höfen und gegenüber dem Straßenraum deutlich günstigere klimatische Eigenschaften, vor allem, wenn der Versiegelungsgrad gering und die Begrünung locker strukturiert ist. Die Abkühlungsrate in den Abend- und Nachtstunden ist hoch. Der Luftaustausch gilt als sehr gut. Eine Verbindung mit
benachbarten kleineren Höfen über Baulücken fördert deren Be- und Entlüftung.