Bodennahe Windgeschwindigkeiten 1991

Methode

Windklimatische Fragestellungen spielen auf der Ebene objektbezogener Untersuchungen zur Auswirkung geplanter Bebauungen seit langem eine Rolle und können unter Zuhilfenahme entsprechender technischer Hilfsmittel (Windkanalstudien) auch ohne eigene Messungen ‚vor Ort‘ zufriedenstellend gelöst werden. Für ein großstädtisches Gebiet ist dieser Ansatz jedoch kaum durchführbar. Aus diesem Grunde wurden in die klimatischen Untersuchungen zum vorliegenden Umweltatlas Windmessungen eingebunden. Hierüber wurden Windgeschwindigkeiten ausgewählter Baustrukturen ermittelt, die mit den entsprechenden Werten der als ungestört eingestuften Referenzstation Flughafen Tempelhof in Beziehung gesetzt wurden.

Da grundsätzlich beim Tagesgang der Windgeschwindigkeit das Maximum in den Mittagsstunden bzw. am frühen Nachmittag und das Minimum in der Nacht liegen, wurden Tag- und Nachtmessungen getrennt ausgewertet. Die somit an den einzelnen Messpunkten vorliegenden zwei Mittelwerte wurden den im Umweltinformationssystem (UIS) Berlin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz enthaltenen Stadtstrukturtypen zugeordnet (vgl. Karte 06.07, SenStadtUm 1995).

Die Stadtstrukturtypen konnten zu 14 Gruppen zusammengefasst werden, in denen sich die Windgeschwindigkeitsverhältnisse jeweils gleichen. Für jede dieser Gruppen wurde wiederum nach den Tageszeiten getrennt ein Mittelwert der Messfahrtergebnisse errechnet. Als Ergebnis lagen somit mittlere Werte der Windgeschwindigkeit am Tage und in der Nacht in 2,70 m Höhe und bezogen auf 14 Strukturtypen-Gruppen vor.

Als Vergleichswerte für relativ unbeeinflusste Windverhältnisse wurden – bezogen auf die Zeitpunkte der Tag- und Nachtmessfahrten – die mittleren Windgeschwindigkeiten an der Station Flughafen Tempelhof herangezogen (vgl. Deutscher Wetterdienst 1992). Da die Werte in Tempelhof in 10 m über Grund gemessen werden, erfolgte hier unter Berücksichtigung der Bodenrauhigkeit eine Umrechnung auf die für die übrigen Messungen benutzte Messhöhe von 2,70 m. Als Berechnungsergebnis lag das Mittel der Zeiträume aller Tagfahrten für die Station Tempelhof in 2,70 m Höhe bei 3,6 m/s bzw. das der Nachtfahrten bei 2,3 m/s.

In einem weiteren Arbeitsschritt wurden die mittleren Werte der Windgeschwindigkeiten der einzelnen Strukturtypen-Gruppen prozentual zu den Werten vom Flughafen Tempelhof in Beziehung gesetzt, wobei die Tages- und Nachtwerte von Tempelhof jeweils 100 % gesetzt wurden. Die Windgeschwindigkeiten in Blockinnenhöfen und in Waldgebieten konnten aus den oben genannten Forschungsarbeiten in Verbindung mit den Messfahrten ermittelt werden (vgl. Abb. 6). Für den Bereich der Gewässer wurde aufgrund allgemeiner Kenntnisse normativ die jeweils geringste Abweichung gegenüber der Referenzstation festgesetzt.

Mittel der Windgeschwindigkeit der Strukturtypen-Gruppen in 2,70 m Höhe über dem Erdboden in Abhängigkeit von der Referenzstation Flughafen Tempelhof in %

Abb. 6: Mittel der Windgeschwindigkeit der Strukturtypen-Gruppen in 2,70 m Höhe über dem Erdboden in Abhängigkeit von der Referenzstation Flughafen Tempelhof in % (Tempelhof = 100 % tagsüber und nachts)

Die gewählte methodische Vorgehensweise stellt für jede Gruppe der Stadtstrukturtypen mittlere Windgeschwindigkeiten für repräsentativ ausgewählte Tag- und Nachtsituationen dar. Dabei können lokale Eigenheiten einzelner Flächen innerhalb jeder Gruppe aufgrund des jeweiligen Flächenzuschnittes, der besonderen Vegetationsstruktur, der Lage im Stadtgebiet etc. nur teilweise Berücksichtigung finden. Hier sind gezielte Untersuchungen im Einzelfall notwendig. So können die Windgeschwindigkeiten innerhalb der Strukturgruppe Acker, Ruderal-/Brachfläche ohne oder mit wiesenartiger Vegetation sehr unterschiedlich sein. Sehr hohe Werte weisen tagsüber in der Regel die großen Ackerflächen am Stadtrand auf, während zur selben Tageszeit für innerstädtische zumeist kleinere Flächen ähnlicher Struktur reduzierte Geschwindigkeiten typisch sind. Nachts spielt dieser Flächengrößen- und Lageunterschied ebenfalls eine wesentliche Rolle. Stadtrandlagen und Großflächigkeit fördern den Aufbau stabiler bodennaher Luftschichten und bewirken damit eine hohe Windgeschwindigkeitsreduzierung. Innerstädtische kleinere Flächen unterliegen diesem Effekt weit weniger stark. Die hier weitgehend labile Luftschichtung fördert eher höhere Windwerte auch in der Nacht. Eine ähnliche Situation ist auch bei Gewässern zu beobachten. Die großen seenartigen Ausbuchtungen der Havel und Spree lassen im Vergleich zur Stadtspree und zu den Kanälen höhere Geschwindigkeiten zu. Um diese Schwankungen innerhalb einer Strukturgruppe zu berücksichtigen, wurden die Windgeschwindigkeiten für die Darstellung klassifiziert.