Aufgrund der in den meisten Fällen größeren aerodynamisch wirksamen Rauhigkeit der Umgebungsstrukturen werden in allen Stadtstrukturtypen-Gruppen sowohl am Tage als auch in der Nacht Reduzierungen der Windgeschwindigkeit gegenüber der Referenzstation Flughafen Tempelhof festgestellt.
Karte 04.03.1 Bodennahe Windgeschwindigkeiten am Tag
Die geringsten Windgeschwindigkeiten weisen die kleinen geschlossenen Innenhöfe der Innenstadtbezirke Kreuzberg, Schöneberg und Prenzlauer Berg auf. Gebiete mit Gartenhofstruktur und Wäldern erreichen zwar eine bessere, aber immer noch sehr geringe Belüftung mit Reduzierungen von etwa 80 % gegenüber dem Referenzwert. In Wäldern verhindert die Struktur des Bestandes ein Eindringen des Windes in den Stammraum, vielmehr wird er zumeist über die Kronen hinweggelenkt. Daher ist in diesen Gebieten die Immissionsgefährdung hoch. Innerstädtische Grünanlagen und Ruderalflächen mit lockerer Strauch- und Baumvegetation sind mit einer Windgeschwindigkeit von bis zu 30 % der in Tempelhof gemessenen Windgeschwindigkeit besser belüftet. Jedoch besteht auch hier, besonders bei Straßenkreuzungen, aufgrund der abschirmenden Wirkung der Vegetation erhöhte Immissionsgefährdung. Günstigere Belüftungsverhältnisse weisen die Außenbereiche mit geringer Bebauungsdichte und -höhe sowie lockeren Vegetationsstrukturen und Gewerbegebiete auf. Ackerflächen, offene Ruderalgebiete und Grünland sind mit bis zu 80 % der in Tempelhof gemessenen Windgeschwindigkeit sehr gut belüftet.
Die höchsten Windgeschwindigkeiten der bebauten Bereiche wurden in Hochhaussiedlungen gemessen. Durch ungünstige Stellung sehr hoher Gebäudekörper werden Turbulenzen, Düseneffekte und Windkanalisierungen erzeugt. Zeitweise kann durch derartige Effekte der Aufenthalt im Freien stark beeinträchtigt werden, u. U. sind auch zusätzlich lufthygienische Belastungen durch Staubaufwirbelungen zu erwarten.
Karte 04.03.2 Bodennahe Windgeschwindigkeiten in der Nacht
Gegenüber der Tagessituation sind die Unterschiede der einzelnen Stadtstrukturen im Vergleich zur Bezugsstation nachts weniger stark ausgeprägt. Der Grund für diese Angleichung ist die allgemeine Abschwächung der Windgeschwindigkeit in der Nacht. So hat sich für die Referenzstation Tempelhof die Windgeschwindigkeit, berechnet auf 2,70 m Höhe, um 35 % verringert und entspricht damit der Reduzierung im langjährigen mittleren Tagesgang 1974 – 1990 (vgl. Deutscher Wetterdienst 1993). Innerhalb der Bebauungsstrukturen zeigen sich dagegen z. T. gegenläufige Tendenzen. Überhaupt keine Veränderung zum Tagesgang der Windgeschwindigkeit zeigen Gebiete mit geschlossenen Innenhöfen; sie sind in der Nacht wie auch tagsüber am schlechtesten belüftet. Die Windgeschwindigkeiten in Gebieten mit Gartenhöfen und in den Wäldern sind in der Nacht ebenfalls wie am Tage sehr gering. Am stärksten reduziert gegenüber der Einstufung am Tage sind die vorwiegend unversiegelten Freiflächen wie Äcker, Grünland, Kleingärten, aber auch die Parkanlagen und ähnlich strukturierte Brachflächen. Hier wirkt sich anders als in den überwiegend bebauten Bereichen durch bodennahe Kaltluftbildung eine zusätzliche Stabilisierung der aufliegenden Luftschicht aus. Aufgrund der damit gegebenen schlechten Belüftungsverhältnisse sind diese Gebiete als stark immissionsgefährdet einzustufen.
Auffallend ist außerdem die um zwei Klassen schlechtere Einstufung der Großsiedlungen gegenüber den Referenzwerten. Da hier aufgrund der großen Baumassen nicht mit einer Stabilisierung der bodennahen Luftschicht zu rechnen ist, kann angenommen werden, daß die in der Nacht herangeführten Winde zu schwach sind, um die am Tage auffälligen Verwirbelungen zu erzeugen. So verringert sich die Windgeschwindigkeit in den Hochhausgebieten gegenüber dem Tag um mehr als 60 %. Hohe Reduzierungen gegenüber der frei angeströmten Station Tempelhof sowie im direkten Vergleich mit ihren Tagwerten weisen auch die durchgrünten Bebauungsbereiche auf. Neben der Abkühlung der Vegetationsflächen wirken sich zusätzlich wie am Tage auch die Abschirmungseffekte der Baumstrukturen aus.
Geringere Veränderungen gegenüber dem Bezugswert sowie ihrem Tagwert zeigen die dicht bebauten, versiegelten Gebiete der Gemeinbedarfs-, Ver- und Entsorgungseinrichtungen und Sondernutzungen. Auch die Kerngebiete verhalten sich ähnlich, die Wärmeabstrahlung der Baumassen verhindert eine wirkungsvolle Stabilisierung der bodennahen Luftschichten.