Bodennahe Windgeschwindigkeiten 1991

Einleitung

Windverhältnisse in Ballungsgebieten

Eine wesentliche Bedeutung für die lufthygienischen Verhältnisse und das Klima einer Region haben die bodennahen Luftaustauschprozesse. Ein Maß für den Luftaustausch stellt die Windgeschwindigkeit dar. Sie beschreibt die Strömungsgeschwindigkeit, mit der gleichzeitig zum Ausdruck kommt, daß die Atmosphäre Luftmassen heranführt bzw. abtransportiert. Innerhalb von bebauten Bereichen ist gegenüber dem freien Umland mit einer Verminderung der Windgeschwindigkeit in Bodennähe um durchschnittlich 20 – 30 % zu rechnen. Bei gleichzeitiger Erhöhung der bioklimatischen und lufthygienischen Belastung ist somit die Zufuhr unbelasteter Luftmassen auf der einen Seite sowie die Verwirbelung, Verdünnung und der Abtransport dieser belasteten Luft auf der anderen Seite häufig nicht mehr gewährleistet. In direkter Umgebung einzelner Baustrukturen und im Straßenbereich kann es jedoch zu so starken Erhöhungen der Windgeschwindigkeit durch Böen und Windkanalisierungen kommen, daß unangenehme Wirkungen auf Menschen (Windbelastung, Staubaufwirbelung, Augenreizung etc.) verursacht werden können.

Bestimmt wird der Wind als vektorielle Größe über seine Richtung und Geschwindigkeit. Die kontinuierliche Messung des Windes erfolgt nach internationaler Absprache (World Meteorological Organisation 1983) an festen, möglichst ungestörten Stationen in einer Höhe von 10 m über dem Erdboden.

Das vertikale Profil der Windgeschwindigkeit wird entscheidend von der jeweiligen Bodenrauhigkeit bestimmt (vgl. Abb. 1).

Abnahme der Windgeschwindigkeit unter dem Einfluß von unterschiedlichen Bodenrauhigkeiten

Abb. 1: Abnahme der Windgeschwindigkeit unter dem Einfluss von unterschiedlichen Bodenrauhigkeiten

Als weitere Einflussfaktoren können besonders in austauscharmen Strahlungsnächten mit geringem Bewölkungsgrad durch reliefbedingte Kaltluftabflüsse oder in Stadtgebieten auch durch Flurwindeffekte eigene Windsysteme aufgebaut werden.

Die durch die starke Erwärmung der Stadt aufsteigenden Luftmassen bewirken ein Nachströmen kühlerer Luft aus dem Umland. Flurwindeffekte können aber nur dann innerstädtisch wirksam werden, wenn vom Stadtzentrum ausgehend Luftleitbahnen oder zumindest durchlässige Baustrukturen bis an die städtische Peripherie vorhanden sind. Für sehr große Ballungsgebiete wie Berlin spielen die Flurwindeffekte vor allem eine Rolle im Nahbereich geeigneter kaltluftproduzierender Flächen an der Stadtperipherie, aber auch bei Grünflächen in innerstädtischer Lage. Der Nachweis solcher Flurwinde ist sehr aufwendig und für Berlin bisher lediglich im Modell simuliert worden (vgl. Wagner 1993 und Karte 04.07, SenStadtUm 1993).

Windrichtung und Geschwindigkeit

In Berlin liegen für verschiedene Wind-Messstationen z. T. langjährige Messreihen der horizontalen Windverhältnisse vor. Die meteorologische Station auf dem Flugfeld Tempelhof gibt im Vergleich aller Stationen die ungestörtesten und für den regionalen Maßstab repräsentativsten Windgeschwindigkeiten wieder (vgl. SenStadtUm 1994).

Im regionalen Maßstab werden die Windverhältnisse Berlins durch die Lage im Übergangsbereich zwischen kontinental und mehr ozeanisch geprägtem Klima bestimmt – West- bis Nordwestwinde entsprechen der ozeanischen Komponente mit zumeist wenig schadstoffbelasteter Meeresluft, Ost- bis Südostwinde der kontinentalen Komponente mit geringeren Windgeschwindigkeiten und vor allem im Winter erhöhter Schadstoffkonzentration (vgl. Abb. 2 und 3). Innerhalb des Stadtgebietes jedoch beeinflussen auch kleinräumige Faktoren, wie Temperatur- und Druckunterschiede zwischen verschiedenen Stadtstrukturen, die Windströmungen.

Relative Häufigkeit der Stundenmittel der Windrichtung und -geschwindigkeit an der Station Flughafen Tempelhof 1975 - 1990, Meßhöhe 10 m

Abb. 2: Relative Häufigkeit der Stundenmittel der Windrichtung und -geschwindigkeit an der Station Flughafen Tempelhof 1975 – 1990, Messhöhe 10 m

Die Häufigkeitsverteilung der Windrichtungen für den Berliner Raum ist sowohl für Tages- als auch für Nachtstunden repräsentativ (vgl. Abb. 2). Die häufigste Windrichtung ist West mit 21 % aller Stunden, gefolgt von Südwest mit 16 %. Bei beiden Windrichtungen treten Windgeschwindigkeiten > 4 m/s am häufigsten auf. Nord und Nordost sind als Windrichtungen am wenigsten vertreten.

Die mittlere Windgeschwindigkeit (über das Jahr gemittelt) ist bei den häufigsten Windrichtungen (West und Südwest) am größten (vgl. Abb. 3). Winde aus Südosten weisen im Mittel die geringsten Windgeschwindigkeiten auf. Der Jahresgang der Windgeschwindigkeit hat ein Maximum im Winterhalbjahr und ein Minimum in den Sommermonaten.

Abb. 3: Mittlere Windgeschwindigkeit im Jahresgang und in Abhängigkeit von der Windrichtung an der Station Flughafen Tempelhof 1975 – 1990, Messhöhe 10 m

Abb. 3: Mittlere Windgeschwindigkeit im Jahresgang und in Abhängigkeit von der Windrichtung an der Station Flughafen Tempelhof 1975 – 1990, Messhöhe 10 m

Immissionsklimatologisch ungünstige Wetterlagen mit Windgeschwindigkeiten < 2 m/s bzw. Windstillen werden mit einem Anteil von 18 % registriert. Im Winter ist die Häufigkeitsverteilung wie erwähnt zu höheren Geschwindigkeitswerten hin verschoben.
Danach ist der offene Messstandort Flughafen Tempelhof weder insgesamt noch während der Wintermonate als immissionsklimatologisch ungünstiger Standort einzustufen.

Verteilung der Windrichtung

Ein Vergleich langjähriger Messreihen von vier Stationen in Berlin (Ostkreuz, Buch), Potsdam und Schönefeld zur Windrichtungsverteilung zeigt für alle Messorte ebenfalls ein ausgeprägtes Vorkommen von West- bis Südwest-Winden (vgl. Abb. 4). Für die langjährige Berliner Bezugsstation Dahlem werden Windrosen zusätzlich für die Halbjahreszeiträume Sommer (Mai – Oktober) und Winter (November – April) dargestellt (vgl. Abb. 5).

Relative Häufigkeiten der Windrichtungen an den Stationen Berlin-Buch, Berlin-Ostkreuz, Schönefeld und Potsdam 1962 - 1976

Abb. 4: Relative Häufigkeiten der Windrichtungen an den Stationen Berlin-Buch, Berlin-Ostkreuz, Schönefeld und Potsdam 1962 - 1976

Die Windrosen in Abbildung 5 zeigen ebenfalls, allerdings jahreszeitlich unterschiedlich stark ausgeprägt, die genannten Verteilungen. Dabei fällt auf, dass besonders die übrigen Windrichtungen bei allen Stationen unterschiedlich stark vertreten sind. Die Ursache für diese Abweichungen liegt in der jeweils spezifischen Umgebung der Messstationen. Eine ähnliche Heterogenität der Messergebnisse zeigen auch Karten der bodennahen Windrichtung (Karten 04.03.3 und 04.03.4, SenStadtUm 1985). Danach gelten die dargestellten Windrichtungen nur für den jeweiligen Messort, anders als bei den Windgeschwindigkeiten sind die Aussagen innerhalb vergleichbarer Stadtstrukturen nicht übertragbar.

Abb. 5: Relative Häufigkeit der Windrichtungen an der Station Berlin-Dahlem im Gesamtjahr, Sommer (Mai – Oktober) und Winter (November – April) 1971 – 1990 (SenStadtUm 1994)

Abb. 5: Relative Häufigkeit der Windrichtungen an der Station Berlin-Dahlem im Gesamtjahr, Sommer (Mai – Oktober) und Winter (November – April) 1971 – 1990