Gleichzeitig wird auch die relative Luftfeuchtigkeit vermindert, da Vegetationsflächen und die davon ausgehende Verdunstung fehlen. Dies kann zum Auftreten von Extremwerten führen, die das menschliche Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen können. In diesem Zusammenhang spielen nicht-versiegelte Flächen wie z. B. Parkanlagen eine große Rolle; schon ab 1 ha Größe sind positive klimatische Auswirkungen auf das menschliche Wohlbefinden nachweisbar. Auch auf die Staub- und Schadstoffgehalte der Luft haben vegetationsbestandene Flächen Einfluss, da sie durch ihre großen Blattoberflächen in der Lage sind, Stäube und andere Luftschadstoffe zu binden.
Die Auswirkungen der Versiegelung auf das Berliner Stadtklima sind ausführlich in verschiedenen Karten des Bereiches Klima beschrieben.
Neben den oben beschriebenen Folgen auf den Naturhaushalt hat der Grad der Versiegelung eines Stadtgebietes auch eine unmittelbare Auswirkung auf den Lebensraum des Menschen. So ist eine hohe Versiegelung meist gepaart mit einem Missverhältnis zwischen Einwohnerzahl und Freiflächenangebot. Die Aneinanderreihung von Gebäuden, häufig nur durch Asphalt- oder Betonflächen unterbrochen, kann auf die Bewohner eine bedrückende, monotone Wirkung haben. Natur, wie z. B. der Wechsel der Jahreszeiten, kann in der direkten Wohnumgebung nicht mehr erlebt werden. Naherholung am Stadtrand erzeugt wiederum Verkehr mit ebenfalls negativen Umweltauswirkungen.
Versiegelungsdaten werden in zahlreichen für den Umweltschutz sowie die Stadt- und Landschaftsplanung wichtigen Zusammenhängen regelmäßig genutzt. Dabei ist die Nutzung und Verarbeitung in verschiedenen Modellen (Stadtklima, Wasserhaushalt) oder Bewertungsverfahren – wie z.B. im Bodenschutz – ein Anwendungsschwerpunkt. Aber auch der Dokumentation des Zustandes der Beeinträchtigung von Natur und Landschaft durch Versiegelung kommt eine wichtige Bedeutung zu. Nicht zuletzt wird im politischen Raum zunehmend nach zeitlich hoch aufgelösten und regelmäßig erhobenen Versiegelungsdaten verlangt, um im Rahmen eines Monitorings den Verlauf umweltpolitischer oder stadtplanerischer Strategien messen zu können (vgl. Reusswig et al. 2016, Klimafolgenmonitoring SenStadtUm 2016a).
Instrumente zur Reduzierung von Versiegelung und Flächenneuinanspruchnahme
In der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist seit 2002 das Ziel formuliert, bis 2020 die Flächenneuinanspruchnahme auf 30 ha pro Tag zu reduzieren (Die Bundesregierung 2002). Die tägliche Flächenneuinanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Deutschland beträgt aktuell 69 ha (2014) (UBA 2016). Die Flächenneuinanspruchnahme hat sich in den letzten Jahren zwar verringert, ist aber noch weit entfernt vom für 2020 formulierten Ziel. Modellrechnungen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sagen voraus, dass die Flächenneuinanspruchnahme ab 2015 bei ca. 64 ha pro Tag verharren wird (Deutscher Bundestag 2015).
Im September 2015 wurde auf dem UN-Gipfel in New York die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Die darauf aufbauende Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2016 (Die Bundesregierung 2016) berücksichtigt die besondere Notwendigkeit des nachhaltigen Schutzes der Ressource Boden vor dem Hintergrund zunehmender Urbanisierung und Klimaveränderungen (Sustainable Development Goal – SDG 15). Bei der Umsetzung des Ziels einer land- und bodendegradationsneutralen Welt der Agenda 2030 wird die Bedeutung des Bodens für Artenvielfalt und Klimaschutz besonders hervorgehoben (Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland 2016).
Für empirische Untersuchungen und Risikoabschätzungen zur Folge des Flächenverbrauchs im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wurde der Indikator “Flächenneuinanspruchnahme” entwickelt. Die Flächenneuinanspruchnahme errechnet sich aus der täglichen Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche (SuV). Diese ist nicht mit der versiegelten Fläche gleichzusetzen. In der SuV sind auch Flächen enthalten, die nur wenig versiegelt sind (Hausgärten, Kleingärten, Parkanlagen, Verkehrsgrün etc.). In einem Ballungsraum wie Berlin ist die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche jedoch ein nur wenig geeigneter Indikator für die Inanspruchnahme von Böden (vgl. Karte „Freiflächenentwicklung“ (06.03). Aus diesem Grund wurde in Berlin für das Nachhaltigkeitsmonitoring unter 16 Kernindikatoren der Indikator Nr. 6
„Flächenversiegelung“ festgelegt, um unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit den sparsamen Umgang mit der Ressource Boden zu dokumentieren. Zur Darstellung der zeitlichen Entwicklung des Versiegelungsgrades werden auch die Daten des Umweltatlas genutzt (Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2014).
Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) hat im Jahr 2005 eine Expertengruppe aus Bund und Ländern eingesetzt, um ein geeignetes Schätzverfahren zur Ermittlung der Bodenversiegelung auf Bundesländerebene zu entwickeln, das den Nachhaltigkeitsindikator “Flächenneuinanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflächen” um die Komponente Versiegelung erweitern sollte.
Die Ergebnisse der Expertengruppe fließen in die Umweltökonomische Gesamtrechnung der Länder (UGRdL) ein und wurden im Bericht “Indikator Versiegelung” dokumentiert (Frie & Hensel 2007).
In den LABO – Berichten an die Umweltministerkonferenzen von 2010, 2011 und 2012 werden die Entwicklung der Flächenneuinanspruchnahme sowie die Aktivitäten der Länder zur Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme dokumentiert. Laut Umweltökonomischer Gesamtrechnungen der Länder nehmen versiegelte Flächen in Deutschland 2014 einen Flächenanteil von 6,17 % ein. Das entspricht einer versiegelten Fläche von 2,2 Mio. ha. In Berlin beträgt der Flächenanteil der versiegelten Fläche 2015 34,92 % (rund 31.140 ha) (Statistische Ämter der Länder 2016).
Siehe dazu den Exkurs: Versiegelungsdaten 2005, 2011 und 2016 im Vergleich zum Indikator “Versiegelung” der Umweltökonomischen Gesamtrechnung der Länder (UGRdL, Statistische Ämter der Länder 2016).
Die mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie angestrebte Reduzierung des Flächenverbrauchs soll durch flächensparendes Bauen, Verdichtung der Innenstädte, Bündelung von Infrastruktur, Bereitstellung von Ausgleichsflächen und Wiedernutzbarmachung von nicht mehr genutzten Flächen (Flächenrecycling) erreicht werden. Mit der Steigerung der Qualität des Wohnumfeldes in den Siedlungen soll das verdichtete Wohnen in der Stadt wieder als Alternative zum Haus im Grünen etabliert werden (Die Bundesregierung 2007). Länder und Kommunen sollen diese Ziele im Rahmen ihrer Raumordnungs- und Bauleitpläne umsetzen. Mit der Anpassung des Städtebaurechts an die-UVP-Änderungs-Richtlinie wurde im März 2017 die Novellierung des Baugesetzbuches beschlossen. Die Novelle hat u.a. den Schwerpunkt der Einführung einer neuen Gebietskategorie „Urbanes Gebiet“, die eine stärkere Verdichtung gemischter Nutzungen unter Reduzierung des Flächenverbrauchs ermöglichen soll
(Deutscher Bundestag 2017). Mit Inkrafttreten der Bundes-Bodenschutz-Gesetzgebung wurde der Boden mit seinen Bodenfunktionen erstmals durch bundeseinheitliche Regelungen unter Schutz gestellt. Das Bodenschutzrecht bietet im Hinblick auf Nutzungsänderungen oder bauliche Inanspruchnahme von Böden allerdings keine unmittelbare materiell-rechtliche Handhabe. Die Entsiegelungspflicht nach § 5 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG 1998) stellt zwar grundsätzlich ein Instrumentarium dar, dauerhaft nicht mehr genutzte Flächen zu entsiegeln und so die natürlichen Bodenfunktionen nach § 2 Abs. 2 BBodSchG zurückzugewinnen (Oerder 1999). Da hierbei jedoch Kosten und Zumutbarkeit als zusätzliche Kriterien berücksichtigt werden, hat sich diese Regelung in der Praxis nicht bewährt.
Zusätzlich umfassen das Baurecht (BauGB 2014) und z.T. das Naturschutzrecht einschlägige Regelungen, die das Schutzgut Boden betreffen. Dazu zählen u.a. die sogenannte Bodenschutzklausel nach § 1a Abs. 2 BauGB und das Rückbau- und Entsiegelungsgebot nach § 179 BauGB. Seit der Einführung der Strategischen Umweltprüfung 2004 ist u.a. eine Bestandaufnahme und Beschreibung der Bodenfunktionen vorzunehmen. Im Ergebnis sind Maßnahmen zur Vermeidung, Verringerung und zum Ausgleich nachteiliger Auswirkungen zu beschreiben und zu bewerten sowie Planungsalternativen aufzuzeigen. Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG 2013) sind Böden so zu erhalten, dass sie ihre Funktionen im Naturhaushalt erfüllen können. Unvermeidbare Eingriffe in Natur und Landschaft sind gem. § 15 Abs. 1 und Abs. 2 BNatSchG auszugleichen oder zu kompensieren.
Im Land Berlin sollte bei zunehmender Versiegelung insbesondere eine qualitative Betrachtung dahingehend erfolgen, welche Böden beansprucht werden oder besonders geschützt werden sollten. Dazu dienen die Karte der „Planungshinweise zum Bodenschutz“ (01.13) und die zusammenfassende Darstellung „Leitbild und Maßnahmenkatalog für den vorsorgenden Bodenschutz in Berlin“ (SenStadtUm 2015).
Der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen fordert in seinem Umweltgutachten 2016 unter anderem die Einführung einer Prüfpflicht, ob für eine Versiegelung an anderer Stelle entsiegelt werden kann (SRU 2016). Hervorgehoben wird dabei das im Land Berlin entwickelte Projekt der systematischen Erfassung von Entsiegelungsflächen, die im Rahmen der naturschutzfachlichen Ausgleichsregelung nach einer Entsiegelung und der Wiederherstellung der Bodenfunktionen dem Naturhaushalt dauerhaft zur Verfügung gestellt werden können (Karte „Entsiegelungspotenziale“ (01.16)).
Finanzielle Anreize auf privater Ebene können ebenfalls zur Reduzierung bestehender Versiegelungen führen. So gibt es z.B. seit dem 1. Januar 2000 in Berlin eine getrennte Abrechnung des Niederschlagswasserentgeltes. Die Einführung dieses sogenannten Entgeltsplittings geht auf Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 12.06.1972) und des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (Urt. v. 14.06.1968 und 10.04.1980) zurück. Danach müssen Kommunen, in denen der Anteil der Kosten für die Ableitung des Niederschlagswassers mehr als 15 % der Gesamtkosten der Abwasserentsorgung beträgt, die Entgelte getrennt abrechnen. So ist das Niederschlagswasserentgelt nicht mehr proportional an das Abwasserentgelt gekoppelt. Es wird gemäß des Anteils der versiegelten Fläche des Grundstücks berechnet, von dem aus in die Kanalisation eingeleitet wird (BWB 1998). Seit 2000 sind Eigentümer deshalb darauf bedacht, die versiegelte Fläche ihres Grundstücks
möglichst gering zu halten und damit Abwasserkosten zu sparen. Seit Inkrafttreten der neuen Niederschlagswasserfreistellungsverordnung von August 2001 (Verordnung über die Erlaubnisfreiheit für das schadlose Versickern von Niederschlagswasser – NWFreiV vom 24. August 2001) ist es möglich, erlaubnisfrei durch Maßnahmen zur Entlastung der Regenwasserkanalisation durch die Versickerung auf dem eigenen Grundstück eine anteilige oder vollständige Befreiung des Niederschlagswasserentgeltes zu erreichen (SenStadt 2001).