Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin
Verfasser:in: Prof. Piero Bruno (Dott. Arch)
Mitarbeitende: Sergey Kolesov, Franziska Käuferle, Gonçalo Leite,
Sara Sagui, Benedikt Breitenhuber, Lion Schreiber, Katerina Tzouvala
Los 4 „Zwischenstück“
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Beurteilung durch die Jury
Mit dem Entwurf des Stadthauses wird ein souveräner Beitrag zur geplanten Blockrandbebauung entlang der Breite Straße im historischen Zentrum Berlins geleistet.
Bezugnehmend auf historische Vorbilder wird in abstrahierter Form eine klassische Fassade entwickelt, die sich horizontal in drei Teile gliedert: einer klar akzentuierten, eingeschossigen Sockelzone, einem viergeschossigen Mittelbe- reich sowie einem sich über zwei Geschosse erstreckenden, oberen Gebäudebereich mit kraftvoller Attika. Feine Gesimsbänder kennzeichnen die einzelnen Geschosse.
Die Fassade verfügt über acht Achsen mit großformatigen Fensteröffnungen. Wohlproportionierte Pfeiler zwischen den Fenstern gliedern die Fassade in der Senkrechten. Im Erdgeschoss werden jeweils zwei Achsen zu vier großzügigen Öffnungen zusammengefasst. Hier befinden sich der Eingang zum Gebäude, gekoppelt mit einem großen Sichtfenster zu den archäologischen Funden an der Straßenseite. Ebenso befinden sich hier die Eingänge und Schaufensteranlagen zu den Gewerbeeinheiten.
Durch eine feine Abstufung im Schichtenaufbau der einzelnen Fassadenelemente (Gesimse, Pfeiler, Stürze und Fenstereinfassungen) erhält die Fassade eine elegant wirkende Plastizität. Die Fassade aus Backstein in im EG und geschlämmtem Planziegeln in den oberen Geschossen wirkt handwerklich und verspricht eine angenehme Taktilität.
Im Vergleich zur eher formal wirkenden Straßenfassade wirkt die Hoffassade leichter und informell. Sie ist geprägt durch große bodentiefe Fenster und den davor gelagerten, mit Stabgeländern gefassten Laubengängen.
Vertikal wird das Gebäude über eine an der Hoffassade positionierte vierläufige Treppe und daneben befindlicher Aufzugsanlage erschlossen. Je Geschoss gehen rechts und links vom Treppenraum Laubengänge ab über die je Seite bis zu drei Atelier- / Gewerbeeinheiten und in den zwei obersten Geschossen die Wohnungen erreicht werden. Alle Ebenen lassen sich flexibel zu größeren oder kleineren Wohn- bzw. kulturell genutzten Einheiten ausbauen. Konsequent wird über alle Geschosse in der Mittelzone des Gebäudes eine Versorgungsspange für WC’s, Bäder und Teeküchen angeordnet. Alle Einheiten sind von der Hof- zur Straßenseite durchgesteckt und sehr gut belichtet.
Die Wohnungen verfügen über zwei übereinander angeordnete Loggien auf der Westseite, die die Wohnnutzung in den beiden obersten Geschossen zur Breite Straße ablesbar machen.
Die zur Straße hin gelegenen Funde können über ein großes Sichtfenster und Deckenöffnung zum Untergeschoss betrachtet werden. Die zum Hof hin orientierten Funde werden über ein Plateau geschützt, liegen ansonsten natürlich belüftet außerhalb der Gebäudehülle. Unterhalb des Plateaus können die Befunde über eine Treppe ins Untergeschoss begangen werden.
Oberhalb des Plateaus befindet sich ein Teilbereich der nachzuweisenden Kinderspielflächen. Die weiteren Spielplatzflächen befinden sich angrenzend an das Plateau auf Hofniveau.
Kritisch wird gesehen, dass der zur Hofseite gelegenen Müllraum über den ebenerdigen Bereich des Kinderspielplatzes erschlossen wird.
Kontrovers wurde insbesondere vom Bauherrn gesehen, dass auf die mögliche eingeschossige Hofüberbauung verzichtet wurde.
Das Haus könnte in seiner souveränen Haltung zu einem qualitätvollen Stadtbaustein in Berlins Mitte werden.
Die ermittelten Baukosten liegen 7 % über dem Budget.
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Beurteilung durch die Jury
Das explizit als Mittelhaus in der Blockrandbebauung der Breite Straße entworfene Wohn- und Kulturhaus strebt in seiner Volumetrie bewusst diejenige der körperreichen Berliner Stadthäuser an. Die Jury würdigt die plastische Modulation, wie etwa die ausdifferenzierte Gebäudearchitektur der beiden obersten Etagen für die Wohnnutzung und die abwechslungsreichen Fensterausbildungen in den Geschoßen, diskutiert aber auch zugleich kontrovers, ob dies den gewünschten Ausdruck für ein, der Kunst- und Kultur gewidmetes Stadthaus, trifft.
Die niedrigschwellige und zugleich publikumswirksame Integration der unter- schiedlichen archäologischen Funde, die ein zentrales Thema der Bearbeiter bei diesem Gebäudeentwurf einnimmt, wird vorbildlich umgesetzt, indem die Funde aus allen Richtungen, in einer hausübergreifenden Verbindung zueinander und aus unterschiedlichen Höhenlagen in einem für die Öffentlichkeit frei zugänglichen Außenraumanbindung betrachtet und erkundet werden können.
Die für das vorgegebene Nutzungsprogramm entwickelten Grundrisse, Kulturnutzung in den unteren fünf und Wohnnutzung in den beiden oberen Etagen, sind, begünstigt durch die Holzbauweise ab dem 2. Obergeschoß, extrem flexibel, da es dadurch gelingt einzig 2 Stützenachsen je Gebäudeseite anzuordnen. Lediglich die Platzierung des Erschließungskerns mit dem Aufzug sehr nah an der Straßenfassade schränkt diese erarbeitete Nutzungsflexibilität ein. Die Kostenbetrachtung hat gezeigt, dass das Gebäude um ca. 7% über dem Kostenbudget liegt, obgleich eine sehr günstige Fassade ausbildet wurde, mit kostengünstigen Materialien und wenig großformatigen Verglasungsflächen.
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Beurteilung durch die Jury
Die Arbeit besticht mit der klaren Fassadengliederung und seinem architektonischen Ausdruck.
Der Entwurf für das Haus mit kulturnahem Gewerbe und Wohnen präsentiert sich eigenständig. Seine Fassaden sind zurückhaltend gestaltet.
Mit seinen rationalen Fassaden korrespondiert der Neubau gut mit dem gegenüberliegenden Gebäude der Zentral- und Landesbibliothek.
Die besondere Programmatik wird in der Fassade subtil zum Ausdruck gebracht. Zur Straße und zum Hof sind die Fassaden in der Gliederung und Materialität vom Erdgeschoss bis Dachgeschoss einheitlich gestaltet. Mit dem Wechsel von großzügiger Verglasung und vorgeblendetem perforierten Klinker entsteht eine Transparenz, die interessante Ein- und Ausblicke sowohl für die Öffentlichkeit als auch für die Nutzer ermöglicht.
Die konsequente Rasterung der Fassade macht den Verzicht auf die Ausformulierung und Hervorhebung des Eingangs nachvollziehbar, schafft so aber keine angemessene Adressbildung.
Die Grundrissstruktur folgt ebenfalls einem klaren Prinzip, das in den Obergeschossen Flexibilität für unterschiedliche Nutzungsszenarien schafft.
Mit der Lage des Treppenraums ist eine Aufteilung von großflächigen bis kleinteiligen Gewerbeeinheiten möglich. Die durchgesteckte Erschließung zwischen Breite Straße und Hofpassage mit dem belichteten Treppenhaus gibt dem Gebäude eine gewisse Großzügigkeit.
Im Erdgeschoss schlagen die Verfasser eine große Gewerbefläche vor, aus der die archäologischen Funde sichtbar gemacht werden und räumlich zugänglich sind. Die vorgeschlagene räumliche Anbindung schränkt die Nutzungsmöglichkeiten der Gewerbefläche ein und wird kritisch bewertet.
Im 5. und 6. Obergeschoss sind zum Hof einseitig belichtete Apartments und durchgesteckte Maisonette-Wohnungen geplant. Mit den geplanten Wohntypen können besondere Wohnungen in der Nachbarschaft zu den kulturnahen Nutzungen angeboten werden. Die besonderen Wohnformen sind eine Bereicherung für den Nutzungsmix mit den Kulturnutzern.
Durch die Konstruktion eines regelmäßigen Stützenrasters können in den Obergeschossen flexible Räume geschaffen werden. Nicht überzeugend ist die Ausführung des Stützenrasters ohne Bezug und Rücksicht auf die Funde im Untergeschoss.
Zur Sicherung des zweiten Rettungswegs ist ein durchgehender Fluchtbalkon zum Hof geplant. Die Auskragung führt zu Überschreitungen der Baugrenzen. Mit den hochwertigen Fassaden werden die Kosten um 15 % überschritten. Insgesamt stellt der Entwurf einen wertvollen Beitrag für die gestellte Aufgabe dar.
Kontakt
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
Referat Architektur, Stadtgestaltung, Wettbewerbe