Wohn- und Geschäftsquartier, Mitte Berlin
Ausschreibung
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Aufgabe
Gegenstand des Werkstattverfahrens war der geplante Neubau eines urbanen Wohn- und Geschäftsquartiers in der Berliner Mitte. Als Teil eines neu zu bebauenden Straßenblocks an der Breiten Straße zwischen Scharrenstraße und Neumannsgasse soll mit alltagstauglichen Angeboten Anziehungskraft entwickelt werden. In diesem Verfahren soll die Umsetzbarkeit und Vereinbarkeit unterschiedlicher Anforderungen an den Neubau geprüft werden. Hierzu gehört der Umgang mit den archäologischen Funden, eine funktionale und gut integrierte Anlieferung sowie ein qualitätsvoller Wohn- und Freiraum. Diese Aspekte galt es zudem auf Wirtschaftlichkeit und planungsrechtlichen Belange zu prüfen.
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Auslobung
Steckbrief
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Kategorie
Städtebau, Architektur, Landschaftsarchitektur
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Typologie
Wohnen, Arbeiten, Gewerbe
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Ort
Mitte, Berlin
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Verfahrenstitel
Wohn- und Geschäftsquartier Breite Straße
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Verfahrensart
Werkstattverfahren
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Teilnehmerkreis
Architekt:innen mit Tragwerksplaner:innen und Landschaftsarchitekt:innen
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Auslober:in
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
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Bauherr:in
WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH
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Bedarfsträger:in
WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH
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Ausgewählter Beitrag
Heide & von Beckerath, Berlin
Architekt:innen: Heide & von Beckerath, Berlin
Verfasser:innen: Tim Heide, Verena von Beckerath
Mitarbeitende: Lena Brandt, Bárbara Roque, Sunghoon GoTragwerksplaner:innen: StudioC, Berlin
Verfasser:innen: Nicole ZahnerLandschaftsarchitekt:innen: Atelier Miething, Paris
Verfasser:innen: Justine Miething
Terminübersicht
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Bekanntmachung und Auslobung
27.05.2021
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Abgabe
14.09.2021
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Jurysitzung
26.11.2021
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Ausstellung der Beiträge
10. bis 20.12.2021
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Ergebnisprotokoll
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Beurteilung durch die Jury
Die Arbeit von Heide & von Beckerath entwickelt aus den komplexen Eigenschaften des Ortes und der Aufgabenstellung ein beispielhaftes Konzept einer gemischten Stadt.
Das Grundstück wird überzeugend in fünf Parzellen für maßstäblich angemessene Stadthäuser gegliedert, deren Lage konzeptionell mit den archäologischen Fundstellen harmoniert.
Die gelungene Gliederung in annähernd fünf gleich große Parzellen mit einer Breite von ca. 25m, die den städtebaulichen Bedingungen und dem geometrischen Zuschnitt des Bebauungsplans folgt, schafft wirtschaftlich effiziente Hausgrößen mit insgesamt fünf Erschließungskernen. Jede Parzelle übernimmt für sich eine spezifische Aufgabe im Blockgefüge (2 Ecken, 2 Anschlussstücke, eines davon als Torhaus und ein Zwischenstück). Die Eckhäuser sind siebengeschossig geplant.
Die Arbeit zeichnet sich durch eine kleinteilige und vielfältige „Hofwelt“ entlang einer Hofpassage aus. Diese Hofpassage ermöglicht es, die Fundstellen in einer dramaturgischen Raumabfolge zu erleben und gleichzeitig an diesem urbanen Ort innerstädtisches Wohnen mit nachbarschaftlichen Qualitäten anzubieten.
Die Hofpassage dient gleichzeitig der rückwärtigen Anlieferung der Gewerbeflächen, was zu einer ungewünschten, hofseitigen Lärmbelastung der Wohnungen führt.
Die Wohnungsgrundrisse bleiben hinter den Erwartungen zurück, bei einem Viertel der Wohnungen wurde kein hofseitig ausgerichteter Aufenthaltsraum nachgewiesen. Bei den Wohnungen, die zum Laubengang ausgerichtet sind wird die fehlende Privatheit kritisiert. Zahlreiche Wohnungen sind mit ungünstigen, schmalen Wohnungszuschnitte geplant. Die Künstlerateliers im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss sind wenig belichtet und ungünstig proportioniert. Jede Parzelle variiert in den Grundprinzipien wie Sockel- und Gebäudehöhe, Material und Fassade. Sie ist als Haus erkennbar und zugleich mit den anderen Häusern verwandt, durch die Verbindung, durch die Hofpassage und den archäologischen Pfad.
Die Arbeit versteht Stadt als differenzierte Großform, die aus einzelnen Häusern besteht. Die urbane Lebendigkeit entsteht nicht bildhaft über die „Buntheit von Fassaden“, sondern über die Vielfalt von Nutzungen, Wohnformen, Erschließungstypologien, Außenraumangeboten, usw.
Neben der gelungenen Integration der archäologischen Fundstellen in das alltägliche Leben, ist der tragwerksplanerische, konstruktive Lösungsansatz aufgrund seiner geringen, wohlplatzierten Eingriffe im Bereich der archäologischen Funde hervorzuheben und verspricht einen angemessenen Umgang mit den wertvollen historischen Funden.
Die Nutzungsmischung bietet einen hervorragenden Ansatz für ein nachbarschaftliches innerstädtisches Wohnen, das zudem auf dem Weg zum Humboldt- Forum alltägliche Erdgeschossnutzungen und weniger touristische Infrastruktur in Aussicht stellt.
Die Arbeit gewinnt aus den Besonderheiten des Ortes einen unverwechselbaren Charakter. In diesem Sinne liefert die Arbeit eine sehr geeignete Grundlage für den weiteren Qualifizierungsprozess.
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Beurteilung durch die Jury
Unter dem Titel “Haus der Vielfalt” schlägt die Arbeit einen Komplex aus 9 Bausteinen vor, die sich zu einer 5-geschossigen Gesamtform aneinanderreihen. Alternierend werden diese um ein rückspringendes Dachgeschoss ergänzt. Im Regelgeschoss liegen die gewerblichen Flächen in den beiden tiefen, an den westlich angrenzenden Nachbar reichenden Parzellen sowie auf der Südecke. Dadurch ergeben sich für die Wohnhäuser Parzellen ähnlichen Zuschnitts, die mit 3- und 4-Spänner-Typologien bespielt werden. Ähnlich den Berliner Altbau- Vorderhäusern verfügen diese über ein rückwärtiges Treppenhaus, größere seitlich durchgesteckte sowie kleinere straßenseitige Wohnungen. Den archäologischen Funden wird viel Aufmerksamkeit geschenkt, indem die drei betreffenden Häuser großzügige Schauräume erhalten, die sich über EG und UG erstrecken.
Die Arbeit ist angesichts der zahlreichen zu bearbeitenden Themen durch eine gewisse vereinfachende Systematik gekennzeichnet. Dies ist im Endergebnis nicht unproblematisch, da Widersprüche, die sich aus der Aufgabenstellung ergeben, nicht gelöst werden. So wird beispielsweise den archäologischen Funden zwar viel Raum gegeben, die gewählten Formen des Displays wirken jedoch wenig durchdacht. Die Schallschutzthematik zum Verkehrslärm an der Breite Straße und Brandüberschläge an den Gebäude-Innenecken werden nicht gelöst. Die interne Anlieferung über das eigene Grundstück ist nicht gegeben. Das dargestellte Holztragwerk steht weder im Zusammenhang mit der Raumgeometrie noch nimmt es Rücksicht auf die archäologischen Funde. Auch das gewählte Motto “Haus der Vielfalt” findet keine Entsprechung durch die einheitlichen Baukörper- und Fassadengestaltung in Klinker.
Zusammenfassend ist positiv festzustellen, dass die Arbeit versucht, zu allen gestellten Teilfragen eine Antwort zu finden.
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Beurteilung durch die Jury
Die Arbeit übersetzt die Aufgabenstellung als Addition von sieben Gebäuden mit vier unterschiedlichen Grundrisstypen. Durch den Einsatz der vorgeschlagenen Typen entsteht ein Wechselspiel unterschiedlicher Fassadenbreiten. Gleichzeitig modellieren die Autor:innen die Höhen der Fassadenfronten zur Breiten Straße an den Ecken mit ansteigenden Höhen. Diese Differenzierung schafft zwar zusätzliche Flächenangebote, eine überzeugende Gesamtfigur gelingt durch die einfache Reihung am Ende nicht.
Die Gliederung der Fassaden erfolgt ebenso direkt und pragmatisch – die Erdgeschosszonen heben sich gegenüber den aufgehenden Geschossen als geschäftlich genutzte Zonen ab. Auf die archäologischen Funde wird durch bogenförmige Fenster im Erdgeschoss aufmerksam gemacht.
Das Motiv bleibt bewusst Nische im Straßenbereich. Die Arbeit entwickelt an vielen Stellen Lösungen, eine darüberhinausgehende Haltung und weiterführende Idee wird jedoch vermisst.Die auf den ersten Blick einfache Logik und Klarheit der Lösung wirkt bei näherer Betrachtung eher eindimensional und kann an dem so besonderen Geschichtsort, dem Stadtraum und der geplanten Nachbarschaft keine Vielschichtigkeit entwickeln.
Die Wohnungsgrundrisse überzeugen durch ihre Orientierung und Zuschnitte, insbesondere die Anforderungen an den Lärmschutz werden hervorragend umgesetzt. Die wohlproportionierten Ateliers um den gemeinschaftlichen Werkhof im Hochparterre sind wenig belichtet. Insgesamt verbleibt jedoch die Feinjustierung der Flächen und die gestalterische Durchwirkung auf einer pragmatischen Entscheidungsebene.
Die Außenräume stellen sich undifferenziert dar. Die Gestaltung bleibt durch die Anordnung der Balkone und Fassadenöffnungen als etwas beliebiger Wohnhof im Gedächtnis.
Im Erd- und Untergeschoss wird auf die archäologischen Bodendenkmale eingegangen, die Qualität der Erschließung der archäologischen Fenster wird als nicht bewältigt gesehen. Lange, dunkle Flure, die mit der Anlieferung für die Läden zusammenfallen, entbehren positiver dramaturgischer Wirkung.
Insgesamt wurden beim Umgang mit den Fundamenten der vormaligen Bebauung entscheidende Chancen auf eine zukunftsfähige Inszenierung von Stadtgeschichte vergeben: Wandscheiben gehen zu dicht an die Kellermauern, weit gespannte Decken belasten die Konstruktionen unnötig und führen zu bisher unberücksichtigten Konstruktionshöhen.
Insgesamt löst die Arbeit die Anforderungen in vielen einzelnen Punkten, das Zusammenspiel und die gestalterische Haltung bleiben jedoch qualitativ hinter den Möglichkeiten des Ortes und der Auslotung von Programm und Geschichte deutlich zurück.
Kontakt
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
Referat Architektur, Stadtgestaltung, Wettbewerbe