Die Bebauung konzentriert sich, dem Bebauungsplan entsprechend, auf vier Baufelder, die jeweils von einer geschlossenen Bauweise eingefasst werden. Der historische Stadtgrundriss wird dabei aufgegriffen und über die Bebauung zeitgemäß interpretiert. Kritik findet die nur schwach ausgeprägte Sensibilität bezogen auf den Umgang mit denkmalpflegerisch/ archäologisch relevanten Bereichen sowie die Auseinandersetzung mit der vorgegebenen Kleinteiligkeit der Struktur und damit auch der Maßstäblichkeit der Neubebauung.
Im Inneren der Blöcke entstehen kompakte und begrünte Innenhöfe, die aber weitestgehend der öffentlichkeit entzogen werden. Unklar bleibt die Zonierung der Innenhöfe in den Blöcken A und B. Hier treffen öffentliche und gemeinschaftliche Freiraumbereiche unmittelbar aufeinander, ohne dass sich eine besondere stadträumliche Logik dahinter erkennen ließe.
Eine kleinteilig differenzierte Höhenentwicklung mit „grünen Fugen“ prägt das dreidimensionale Bild des neuen Stadtquartiers. Aktive Dachflächennutzungen als Stadtterrassen stehen im Wechselspiel mit extensiv gestalteten bzw. für die Energiegewinnung genutzten Dachflächen. Im übertragenen Sinne soll die Dachlandschaft zur produktiven 5. Fassade des neuen Quartiers werden. Weitere Vorschläge zeigen eine Bandbreite an Angeboten auf, in deren Richtung eine intensivere Betrachtung in der Folge möglich erscheinen soll: über eine urbane Landwirtschaft und Spielflächen bis hin zu intensiven Fassadenbegrünungen. Die Arbeit leistet zweifellos einen eigenständigen und interessanten Beitrag zur gestellten Aufgabe in der Entwicklung eines grünen Quartiers, auch wenn die Darstellungstiefe in der jetzigen Wettbewerbsphase noch Fragen offen lässt.
Entwickelt wird ein weitgehend autofreier Superblock zwischen der Gruner-, Litten-, Stralauer Straße und dem Mühlendamm. Nur Einsatzfahrzeuge und Anlieferverkehre sollen eine Zufahrtserlaubnis erhalten, ohne dass dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings klarer definiert bzw. ausgearbeitet wäre. Das Konzept des Superblocks schafft einen geschützten Raum für Aufenthalt und Bewegung und damit Raum für Menschen, die in dem Quartier wohnen und arbeiten bzw. die die vielfältigen Nutzungsangebote dort wahrnehmen. Der Beitrag stellt somit einen diskussionswürdigen und herausstechenden Ansatz zu einem zukunftsorientierten Mobilitätskonzept dar, so wie dies im Wettbewerb gefordert war. Doch auch hier lässt der Entwurf noch viele Detailfragen offen. So werden die mit dem Superblock-Ansatz verknüpften Möglichkeiten nur ansatzweise genutzt, den öffentlichen Räumen eine neue Qualität jenseits der automobilen Orientierung zu geben. Die eher symbolischen
Plandarstellungen und die willkürlich erscheinenden Baumstandorte lassen nur bedingt bewertbare Aussagen zu. Festzuhalten bleibt auch, dass der Superblock-Ansatz von Teilen der Jury durchaus kritisch gesehen wird. Dies vor allem aus dem Blickwinkel einer unklaren Andienung und einer gewerblichen Vermietbarkeit der Geschäftsflächen.
Eine zweigeschossige und nutzungsoffen gestaltete Sockelzone wird zur Basis der Entwicklung und zum Bezugsraum in der Entwicklung urbaner Qualitäten. Eine vorgelagerte Kolonadenzone soll zur Membran zwischen den öffentlichen Räumen und den Erdgeschossnutzungen werden – was allerdings in der umgreifenden Ausprägung als deutlich überzogen bewertet wird. Kritisiert werden die nur schwach ausgeprägten großflächig angelegten Flächenpotenziale im Sockel, wodurch nur eine eingeschränkte gewerbliche Nutzbarkeit möglich erscheint.
Die Obergeschosse sind ausschließlich dem Wohnen gewidmet. In Verbindung mit den teils großen grünen Innenhöfen und der Dachlandschaft sind hohe Wohnqualitäten zu erwarten. Kritisch gesehen werden die ungewöhnlich tiefen Gebäude, die angesichts der einseitig hohen Lärmbelastungen anspruchsvolle Grundrisslösungen und Lärmschutzmaßnahmen in der Fassade erfordern. Ganz besonders trifft dies auf das Wohnen in den unteren Obergeschossen zur Grunerstraße zu, die aufgrund der hohen Lärmbelastung nur eingeschränkte Qualitäten haben dürften. Diesen Funktionsnachweis durch die Darstellung von Grundrissen bleibt die Arbeit jedoch schuldig.
Aus denkmalpflegerischer/ archäologischer Sicht kritisch bewertet wird die Interpretation des Großen Jüdenhofes, die keine akzeptable Antwort auf die herausfordernde Aufgabe darstellt. Kritik findet auch der Abriss des Bestandsgebäudes K44, für das keine vergleichbaren Raumpotenziale geschaffen werden. Mit Blick auf die Integration archäologischer Funde liefert der Entwurf, zumindest zum gegenwärtigen Entwurfsstand, keine Antworten. Über die geschlossene Ausprägung des Blocks A wird kaum auf den Kontext des angrenzenden Neuen Stadthauses und des Nikolaiviertels reagiert. Das Freistellen der ehemaligen Klosterkirche als Ruine auf einer Freifläche korrespondiert in der vorgeschlagenen Form nicht mit der Zielsetzung des Bebauungsplanes. Allerdings schafft der konzeptionelle Ansatz des Superblocks über die Verkehrsentlastung der Klosterstraße auch ganz andere Bedingungen zu einer stadträumlich wirksamen Freiraumgestaltung, die allerdings in den Plänen nicht wirklich
nachvollzogen werden kann.
Mit Blick auf die vorgegebenen Zielgrößen werden die entsprechenden Wohn-Geschossflächen erreicht, dagegen werden die Zielgrößen für Gewerbe/ Soziales/ Kultur im Block C deutlich unterschritten. Die kulturellen Nutzungen werden im Block D konzentriert, wodurch das vorgesehene Kulturband in seiner urbanen Vielfalt stark geschwächt werden dürfte.
Angesichts der städtebaulichen Konzeption und des kleinteiligen Nutzungsmixes sind die Überlegungen zu einem gemeinschaftlichen Betriebskonzept und Organisationsprozess sehr bemerkenswert, notwendig und zukunftsweisend. Vorgesehen ist eine baufeldübergreifende Programmierung der Erdgeschosse zur Finanzierung leistbarer Mieten sowie die Einrichtung eines Qualitätsbeirates und eines Quartiersmanagements. Es sind dies kluge Überlegungen, die möglicherweise in einer späteren Phase des Planungs- und Umsetzungsprozesses von größter Relevanz sein werden.
Insgesamt leistet die Arbeit einen diskussionswürdigen Beitrag zur Aufgabenstellung, der sich insbesondere über ein innovatives Verkehrs- und Mobilitätskonzept wie über das weiterführende Betriebs-, Management- und Finanzierungskonzept auszeichnet und hervorhebt. Jenseits der zum Ausdruck gebrachten Kritik an der städtebaulichen Struktur, leistet der Entwurf damit pointierte Diskussionsbeiträge zu einem zukunftsfähigen, öffentlichen, bezahlbaren und grünen Quartier, so wie dies in der Auslobung über die Leitlinien ausgerufen wird.