Überblick

Organisatorische Zuordnung und Zuständigkeit

Die Enteignungsbehörde des Landes Berlin ist der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Abteilung VI – Ministerielle Angelegenheiten des Bauens, Grundsatz und Recht –, organisatorisch zugeordnet.

Die Aufgaben der Enteignungsbehörde sind die Durchführung von Enteignungs-, Entziehungs-, Entschädigungsfeststellungs- und Besitzeinweisungsverfahren nach dem Baugesetzbuch oder nach dem Berliner Enteignungsgesetz in Verbindung mit Spezialgesetzen (z.B. Berliner Straßengesetz, Bundesfernstraßengesetz und Allgemeinen Eisenbahngesetz). Darüber hinaus ist die Enteignungsbehörde in Berlin Feststellungsbehörde für Planungsschäden und Festsetzungsbehörde nach dem Wertausgleichsgesetz.

Wann wird die Enteignungsbehörde tätig?

Bei der Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben, wie dem Straßenbau, dem Schienenbau oder der Städtebauplanung in Sanierungs- und Entwicklungsgebieten, werden zur Durchführung der jeweiligen Maßnahmen private Flächen bzw. private Grundstücke benötigt. Des Weiteren können auch Rechte Dritter, wie Miet- oder Pachtrechte, Grundschulden oder Wegerechte von einer Maßnahme betroffen werden. Die betroffenen Eigentümer sind jedoch oftmals nicht bereit, ihr Privateigentum bzw. ihre Rechte zu den Bedingungen abzugeben, die ihnen vom Vorhabensträger in freihändigen Verhandlungen angeboten werden. Ist eine solche einvernehmliche Regelung nicht möglich und droht das geplante Vorhaben deshalb zu scheitern, sehen verschiedene gesetzliche Bestimmungen die Möglichkeit einer Enteignung vor.

Welche Stellung hat die Enteignungsbehörde im Verfahren?

Die Enteignungsbehörde ist bemüht, den Hoheitsakt der Enteignung als staatlichen Eingriff in das im Grundgesetz verbürgte Eigentumsrecht möglichst zu vermeiden und ihrer gesetzlichen Verpflichtung, in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, gerecht zu werden. Sie versteht sich dabei nicht als verlängerter Arm des jeweiligen Maßnahmeträgers, sondern als abwägender, neutraler Vermittler zwischen den konkurrierenden Interessen der am Verfahren Beteiligten. Die Enteignungsbehörde arbeitet dabei ähnlich einem Gericht weisungsfrei.

Die historische Entwicklung des Entschädigungsrechts

Schon 1794 wurde erstmals der Grundsatz aufgestellt, dass der Bürger im Falle eines Sonderopfers gegen den Staat einen Anspruch auf Entschädigung hat. In der Einleitung zum preußischen allgemeinen Landrecht (EALR) von 1794 wurde erstmals geregelt, dass der Bürger mangels öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes hoheitliche Zugriffe zwar “dulden” müsse, aber vom Staat eine Entschädigung bei besonderen Opfern “liquidieren” könne.

  • § 74 EALR

    Einzelne Rechte und Vortheile der Mitglieder des Staates müssen den Rechten und Pflichten zur Befoerderung des gemeinschaftlichen Wohls, wenn zwischen beiden ein wirklicher Widerspruch (Collision) eintritt, nachstehen.

  • § 75 EALR

    Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine besonderen Rechte und Vortheile dem Wohle des gemeinsamen Wesens aufzuopfern genoethigt wird, zu entschaedigen gehalten.

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde erstmals bereits vor allem für die Beschaffung von Grundstücken für die Eisenbahn die Enteignung durch einfache Gesetze bestimmt (z.B. Preußen 1874). Enteignung wurde dabei als Vorgang der Güterbeschaffung verstanden.

Die Weimarer Reichsverfassung (Artikel 153 WRV) garantierte erstmals mit Verfassungsrang, dass Enteignungen nur aufgrund eines Gesetzes zulässig sind. Die Verfassung begründete damit den Gesetzesvorbehalt für den Grundrechtseingriff, erschöpfte sich aber auch in dieser Regelung. Erst das Grundgesetz (GG) schrieb 1949 in Art. 14 Absatz 3 Satz 2 GG vor, dass ein Enteignungsgesetz auch die Entschädigung für den Eingriff regeln muss.

  • Art. 14 Grundgesetz

    (Eigentum, Erbrecht und Enteignung)

    1. Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
    2. Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
    3. Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, dass Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Seit 1949 hat sich das Enteignungsrecht als verfassungsrechtlich abgesichertes Institut entwickelt. Zahlreiche eigenständige Gesetze sehen die Möglichkeit einer Enteignung vor. Voraussetzung dafür ist, dass das Wohl der Allgemeinheit es erfordert, der Zweck der Enteignung anders nicht erreicht werden kann und ein ernsthaftes schriftliches Kaufangebot abgelehnt wurde.