Eine Kosmopolitin für die »Kinder am Schloss«

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Nada Iraki
Kitahelferin beim Kitaträger One World Kinder gGmbH

Trotz ihrer Dreisprachigkeit und eines abgeschlossenen Studiums als Business-Managerin liefen unzählige Bewerbungen Nada Irakis ins Leere. Ganz erklären kann sie sich das bis heute nicht, sie ist jedoch froh, dass eine SGE-Stelle diesen Zustand endlich beendet hat.

Weltoffenheit und internationale Perspektiven sind in Nada Irakis Familie quasi naturgegeben. Geboren und aufgewachsen ist Iraki, Jahrgang 1992, in Dubai, das zu den Vereinigten Arabischen Emiraten gehört. Für ihre palästinensischen Eltern war Dubai jedoch nur eine von vielen Stationen. Ihre Mutter kam als kleines Mädchen aus dem Libanon nach Deutschland und wuchs hier auf. Wie Iraki selbst hat sie einen bundesdeutschen Pass und ist »Deutsche mit Migrationshintergrund«. Nach Dubai verschlug es sie erst durch die Ehe mit Irakis Vater, der zuvor in den USA studiert und gearbeitet hatte. »Meine Mutter wollte eigentlich in Deutschland studieren«, erzählt Iraki. »Weil sie damals noch keinen Pass besaß, wurde ihr dies jedoch verwehrt, arbeiten durfte sie ebenso nicht.«

Iraki ging in Dubai auf eine englischsprachige Schule und studierte anschließend Business-Management. Sie jobbte schon während des Studiums, bekam nach dem erfolgreichen Abschluss eine Stelle und arbeitete ein halbes Jahr lang. Dann ging es mit Anfang zwanzig auf Deutschlandreise. »Anlass war die Hochzeit eines Cousins«, sagt Iraki. »Ursprünglich wollte ich sechs Monate bleiben, um Deutsch zu lernen, und dann nach Hause zurückkehren. Meine Eltern entschieden sich kurz nach der Hochzeit jedoch, ganz nach Deutschland auszuwandern. Sie sahen hier bessere Perspektiven und Lebensbedingungen für unsere Familie. Ich blieb also dauerhaft.«

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Das war im Sommer 2015. Inzwischen ist Iraki 29 Jahre alt und hat trotz rund einhundert abgeschickter Bewerbungen nie ein vernünftiges Jobangebot bekommen. »Drei Jahre lang habe ich mein Deutsch verbessert und mich gleichzeitig überall beworben, aber leider nichts gefunden«, erzählt sie. Lediglich Praktika wurden ihr angeboten: Einmal drei Monate lang in einer Kita, ein anderes Mal zwei Monate in einem Sanitätshaus. Selbst auf Ausschreibungen für Büroassistenzen, für die sie eigentlich überqualifiziert ist, bekam sie nur abschlägige Antworten.

Dass jemand mit Irakis Ausbildung keine Arbeit findet, ist ungewöhnlich. Sie hat einen Studienabschluss in der Tasche und spricht drei Sprachen: Arabisch, Englisch und Deutsch. In der Fünfzimmerwohnung, die sie zusammen mit den Eltern und ihren vier jüngeren Geschwistern bewohnt, wird ein Mischmasch aus allen drei Sprachen gesprochen. Die Familie liebt das gesellige Zusammenleben, häufig wird gemeinsam gekocht.

»Ich kann überall in der Verwaltung arbeiten«, sagt Iraki, »in Büros, am Flughafen, in Krankenhäusern. Auch im Organisationsmanagement und sogar in der Buchhaltung kann ich eingesetzt werden. Zwar habe ich nicht explizit Buchhaltung studiert, aber einige entsprechende Kurse belegt. Ich mag alles, was mit Logistik zu tun hat – ich liebe es, zu organisieren und Dinge zu erledigen. Dabei ist es mir wichtig, nicht den ganzen Tag im Büro zu sitzen, sondern auch mit Kunden zu arbeiten. Ich brauche den Austausch mit Menschen.«

In dem Sanitätshaus, wo sie eines ihrer Praktika absolvierte, hätte Iraki gern weitergearbeitet. Aber dort wollte man ihr keinen vollwertigen Vertrag geben. Stattdessen kam vom Jobcenter der Hinweis auf die im Rahmen des Solidarischen Grundeinkommens (SGE) geschaffenen Stellen. »Wahrscheinlich haben sie im Jobcenter gesehen, wo ich mich überall beworben hatte, und mein Engagement gewürdigt«, sagt Iraki. »Auf jeden Fall bekam ich plötzlich den Anruf einer Vermittlerin, die mich fragte, ob ich vielleicht im SGE-Programm arbeiten wolle – mit Vertrag und einer festen Stelle für fünf Jahre. Sie erzählte mir alles über SGE. Ich dachte, ja, das klingt gut, warum nicht!«

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Nun zahlte sich das Praktikum in der Kita aus. Im Jobcenter war bekannt, dass Iraki bereits Erfahrungen in einer Kindertagesstätte gesammelt hatte – man bot ihr eine Stelle als Kitahelferin an. Dieser SGE-Tätigkeitsbereich wurde geschaffen, um Erzieherinnen und Erzieher im Kitaalltag zu entlasten und zu unterstützen. Kitahelferinnen kontrollieren zum Beispiel die Sauberkeit und helfen bei hauswirtschaftlichen Aufgaben oder pädagogischen Angeboten, geben Essen aus oder bereiten Bastelvorlagen vor.

»Ich bekam einige Stellenangebote geschickt, die ich durchsah. Vier suchte ich heraus«, erzählt Iraki. »Eines war in einem Flüchtlingsheim, in dem es eine kleine Kita gab. Das war eineinhalb Stunden Fahrtweg von zu Hause weg. Ich habe dort einen Tag zur Probe gearbeitet, mich aber nicht wohlgefühlt. Es war sehr anstrengend. Mir wurde klar, dass ich mich für eine andere Stelle entscheiden würde.« Den zweiten Versuch startete sie in einer Kindertagesstätte in Steglitz, diesmal nur ein paar Minuten von ihrer Wohnung entfernt. Doch nach einer weiteren eintägigen Hospitanz war auch hier klar: Die Chemie stimmt nicht.

Aller guten Dinge sind bekanntlich drei, und in der dritten Kita funkte es sofort. »Ich habe für zwei Tage hospitiert«, sagt Iraki. »Alles war perfekt. Die Erzieherin war richtig nett, die Kitaleiterin war richtig nett, und ich hatte ein gutes Gefühl. Dort wollte ich arbeiten.« Inzwischen ist sie seit einem Jahr angestellt und rundum zufrieden. Die Arbeit mit Kindern und der Austausch mit den Eltern liegt ihr. »Manche Eltern sind richtig lieb«, erzählt Iraki. »Letztes Jahr zu Weihnachten haben sie uns einen großen Adventskalender geschenkt. Ich habe mich riesig gefreut, obwohl ich gar kein Weihnachten feiere. Aber das war sehr schön.«

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Irakis Arbeitgeberin ist die One World Kinder gGmbH, ein freier Träger, der drei Kitas in verschiedenen Bezirken betreibt. Eine davon ist die Kindertagesstätte »Kinder am Schloss«, wo Iraki nun arbeitet. Sie liegt direkt neben dem Schloss Charlottenburg. In der Einrichtung begegnen sich Kinder aus zahlreichen Nationen, sie sprechen neben Deutsch unterschiedlichste Sprachen wie Arabisch, Albanisch, Türkisch, Französisch, Russisch, Polnisch, Englisch, Ukrainisch, Serbisch, Thailändisch oder Vietnamesisch. Sprachenmix und Atmosphäre sind ganz nach Irakis Geschmack. Kitaleiterin Gabi Höner wiederum war aus dem Stand von der jungen Frau überzeugt: »Wir haben, wie überall in Berlin, Fachkräftenotstand. Deswegen bekommt aber noch lange nicht jeder eine Stelle bei uns. Es muss schon passen, sonst bleibt man sowieso nicht lange.«

Bei One World Kinder werden die Kinder nach dem Pyramide-Konzept betreut, einem ganzheitlichen reformpädagogischen Bildungsprogramm, das seinen Ursprung in den Niederlanden hat.

Einen Pyramide-Workshop hat Iraki schon hinter sich und mittlerweile allerlei Details über die frühkindliche Entwicklung verinnerlicht. »Es ist erstaunlich, wie groß die Unterschiede trotz gleichen Alters sein können, das musste ich wirklich erst lernen«, sagt sie. »Meine ersten Kinder sind schon eine Gruppe weitergewechselt, sind schon groß geworden.« Momentan ist Iraki für die Krabbelgruppe eingeteilt und kümmert sich um die Kleinsten. »Natürlich gibt es manchmal richtig stressige Tage, aber eigentlich komme ich sehr gut klar. Zurzeit haben wir zwei Eingewöhnungskinder, die beide wirklich liebenswürdig sind und gern zusammen spielen. Das ist nicht immer so, manche schreien nach Mama und Papa. Besonders die ›Corona-Kinder‹ sind nicht viel rausgekommen und haben mitunter spürbar größere Probleme.«

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Allein dass sie mit der SGE-Stelle einen Fünfjahresvertrag mit Weiterbeschäftigungsgarantie angeboten bekam, war für Iraki Grund zur Freude. Mit dem Bruttogehalt von 1.900 Euro ist sie zufrieden. Positiv war sie von den unerwarteten Extras überrascht, die mit dem Job einhergehen. »Ich bekomme sogar Weihnachtsgeld, obwohl wir, wie gesagt, Weihnachten gar nicht feiern«, erzählt sie. Vor allem aber hat sie nicht damit gerechnet, eine Jobcoachin an die Seite gestellt zu bekommen. Monatlich hat sie Kontakt zu einer Mentorin, die abklopft, wie alles läuft, und wertvolle Tipps gibt. »Sie hilft mir wirklich viel«, sagt Iraki. Ihre Mentorin wies sie beispielsweise darauf hin, dass Iraki berufsbegleitend zum SGE sogar eine anerkannte Ausbildung zur Erzieherin machen könne.

Das wäre ein Schritt in den vollgültigen Erzieherinnenberuf für die Zeit nach dem SGE. Angesichts ihres Ausbildungshintergrundes möchte Iraki über einen solchen Schritt noch nachdenken. »Eigentlich habe ich ja schon etwas anderes studiert«, sagt sie. Mittelfristig will sie eine Rückkehr in ihren erlernten Beruf deswegen nicht ausschließen.

Text: Katrin Rohnstock / Rohnstock Biografien