Seine Sprachkenntnisse, so stellte sich bald heraus, reichten jedoch bei Weitem nicht aus, um in dem neuen Land Fuß zu fassen. »Ich konnte tatsächlich gar nichts«, fasst Fagundes zusammen. Trotzdem fand er wie erhofft eine Anstellung – wie schon in Portugal und Spanien arbeitete er als Grillmeister in einem brasilianischen Restaurant. »Aber da bringt einem auch niemand Deutsch bei«, sagt er. »Ich habe also versucht, überall so viel wie möglich mitzubekommen, und habe die Sprache schließlich gelernt.« Inzwischen spricht er fließend Deutsch, nur seinen brasilianischen Akzent hört man noch. Seine Kinder wachsen sogar trilingual auf: Sie lernen Deutsch, Spanisch und Portugiesisch.
Fagundes’ erstes Kind wurde 2013 geboren – ein »Sommerjunge«. Zwei Jahre später, im Winter, bekam die Familie erneut Zuwachs, ein Mädchen. »Nach der Geburt unseres Sohnes wollte ich die Gastronomiebranche verlassen und eine familienfreundlichere Beschäftigung finden«, erzählt Fagundes. Er wechselte den Job und arbeitete bis 2019 in einem Umzugsunternehmen. Lernbereitschaft und eine schnelle Auffassungsgabe waren ihm auch hier von Vorteil. Schon nach kurzer Zeit kannte er einen Großteil der Berliner Straßen und die entsprechenden Postleitzahlen. »Wenn Sie mir eine Postleitzahl sagen, weiß ich genau, wo das ist – ob in Kreuzberg oder in Pankow oder sonst wo.«
Die schlecht bezahlte und körperlich anstrengende Arbeit bot Fagundes jedoch keine langfristige Perspektive, und so meldete er sich im November 2018 arbeitslos. »Fast zwei Jahre dauerte diese Phase.« Zu Hause auf der faulen Haut zu liegen, entsprach nicht seinem Naturell. Fagundes wollte unbedingt arbeiten und belegte am Flughafen Tegel einen Qualifizierungslehrgang zum Bodensteward, den das Jobcenter vermittelte. »Der Kurs begann im Herbst 2019, während Tegel noch in Betrieb war – und endete, als sich Deutschland mitten in der Coronakrise befand und der Flughafen wie geplant zugunsten des BER geschlossen wurde.« Nach Kursende lud man Fagundes zum Vorstellungsgespräch ein, das letztlich an seinen mangelnden Englischkenntnissen scheiterte.
Die nächste Gelegenheit packte er bereits kurze Zeit später prompt beim Schopfe. »Besagtes Gespräch fand am Flughafen Schönefeld statt. Auf dem Rückweg in der S-Bahn sah ich eine Person in roter Jacke, die einen Mann im Rollstuhl schob«, erzählt er. »Als die beiden näher kamen, las ich auf der Jacke: ›VBB Bus & Bahn-Begleitservice‹. Ich wurde sofort neugierig und wollte wissen, was das für ein Service ist.« Zu Hause angekommen, recherchierte er im Internet und rief kurzerhand im Servicebüro an. Zwei Tage später hatte er das nächste Vorstellungsgespräch – ohne zu ahnen, was auf ihn zukommen würde.
Was Fagundes zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste: Er hatte einen Mobilitätshelfer bei der Arbeit gesehen, der im Rahmen des Pilotprojektes »Solidarisches Grundeinkommen« (SGE) angestellt war. Diese Servicemitarbeiterinnen und -mitarbeiter begleiten mobilitätseingeschränkte Menschen und bringen diese sicher zu amtlichen sowie zu Arzt- oder Freizeitterminen. Die Wege werden unter Nutzung des Berliner ÖPNV zurückgelegt. Ziel und politischer Auftrag sind es, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, soziale Kontakte zu stärken und den betroffenen Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.