In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten immer mehr Großbetriebe Maschinen ein, die mit Dampf- oder Wasserkraft betrieben wurden. Dadurch veränderten sich die Arbeitsbedingungen der Fabrikarbeiter. Kinder und Jugendliche arbeiteten häufig unter unhaltbaren Bedingungen.
1839 wurde das sogenannte Preußische Regulativ (Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken) eingeführt, dessen Hauptziel es war, die Kinderarbeit einzuschränken. Das Preußische Regulativ umfasste als erstes Arbeitsschutzgesetz ein Verbot der Beschäftigung von Kindern unter neun Jahren sowie die Beschränkung der Arbeitszeit von Kindern unter sechzehn Jahren auf zehn Stunden. Auch Nacht- und Sonntagsarbeit von Kindern wurde verboten. Die angestrebte Verbesserung der Arbeitsverhältnisse wurde durch das Gesetz jedoch nicht erreicht, da es Ausnahmen gab und es an einer wirkungsvollen Überwachung fehlte.
Verschärfungen der Regeln zur Kinderarbeit folgten 1845 mit der Preußischen Gewerbeordnung und 1853 mit dem Gesetz zur Änderung des Preußischen Regulativs. Letzteres diente einer konsequenteren Durchsetzung der geltenden Arbeitsschutzbestimmungen. In diesem Zusammenhang wurde bereits 1849 die Bestellung von Gewerberäten angeordnet. Die ersten staatlichen Fabrikinspektoren nahmen 1853 ihren Dienst auf. Sie kamen in Uniform und mit Pickelhaube zunächst im Regierungsbezirk Düsseldorf, danach in Aachen und Arnsberg zum Einsatz. Es zeigte sich bald, dass sie tatsächlich Verbesserungen erreichen konnten.
Die preußischen Gesetze zum Arbeitsschutz wurden in den folgenden Jahren auf andere deutsche Länder übertragen, zum Beispiel die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund 1869 oder die Reichsgewerbeordnung von 1871. In Berlin erfolgte die Anstellung von Adalbert von Stülpnagel in 1874. Die Novelle zur Reichsgewerbeordnung in 1878 verpflichtete schließlich alle deutschen Länder zur Anstellung von Fabrikinspektoren.
Duale Struktur im Arbeitsschutz
Während der rasanten Industrialisierung stieg die Unfall- und Krankheitsgefahr für die Arbeiter stark. Zur besseren Absicherung der Arbeiterschaft wurde in den 1880er Jahren zunächst die Krankenversicherung, danach die Unfallversicherung eingeführt. 1889 folgten die Invaliden- und Altersversicherung.
Das Unfallversicherungsgesetz gilt bis heute als zweite Säule im deutschen Arbeitsschutz. Hierfür schlossen sich Unternehmer in Selbstverwaltung zu sogenannten „korporativen Genossenschaften“ zusammen und übernahmen gemeinsam die Finanzierung der Beiträge der Unfallversicherung. Diese Berufsgenossenschaften erhielten die Ermächtigung, Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen und deren Einhaltung durch eigene technische Aufsichtsbeamte überwachen zu lassen – parallel zu den Fabrikinspektoren im Arbeitsschutz. Diese duale Struktur im Arbeitsschutz hat sich bis heute gehalten.
Arbeiterschutzgesetz von 1891
Einen entscheidenden Wandel in der Geschichte des Arbeitsschutzes bewirkte das Arbeiterschutzgesetz von 1891. Nunmehr durften Kinder unter 13 Jahren nicht mehr in Fabriken beschäftigt werden und für junge Leute bis 16 Jahren galt eine tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden. Auch die Sonntagsarbeit wurde ausnahmslos verboten. Die Unternehmer wurden verpflichtet, Vorkehrungen zum Schutz vor betrieblichen Gefahren zu treffen. Der Geltungsbereich der Reichsgewerbeordnung wurde um das Handwerk und kleinere Betriebe erweitert.
So dehnte sich die Zuständigkeit der Fabrikinspektionen auf alle gewerblichen Betriebe aus. Aus Fabrikinspektionen entstanden Gewerbeinspektionen. Am Ende des 19. Jahrhunderts war die Gewerbeaufsicht für drei Bereiche zuständig: Überwachung des sozialen Arbeitsschutzes, Betriebshygiene und technischer Arbeitsschutz. Die Gewerbeinspektoren erhielten die Befugnisse der Ortspolizeibehörden, wodurch die Grundlage für eine wirksame Kontrolle der Arbeitsschutzmaßnahmen gelegt war.
Berliner Gewerbeinspektoren
Auch in Berlin entwickelte sich die Arbeit der Gewerbeinspektoren weiter. Im Jahr 1892 wurde die Industrie- und Handelsmetropole einschließlich Charlottenburg in drei Inspektionsbezirke aufgeteilt. Die preußische Ausbildungsordnung von 1897 führte zu einer Professionalisierung des Wissensstandes. Bis dahin hatte es keine spezielle Ausbildung für die Inspektoren gegeben. Nun wurde ein dreijähriges technisches und ein eineinhalbjähriges rechts- und staatswissenschaftliches Studium gefordert, um Gewerbeinspektor werden zu können. Mit derart qualifiziertem Personal wurden der Stellenwert und die Wirksamkeit der Inspektionen in den Betrieben erhöht.
Quellen
Born, Karl Erich; Henning, Hansjoachim und Tennstedt, Florian (Hrsg.) (1996): Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, bearbeitet von Wolfgang Ayass, Abt. 3, Band 3, https://quellen-sozialpolitik-kaiserreich.de/fileadmin/user_upload/PDFs_der_Baende/QuellensammlungAbt3Band3.pdf (heruntergeladen am 15.08.2023).
Knoblich, Susanne (2021): Gewerbeinspektion / Gewerbeaufsichtsamt Berlin, Bestandsbeschreibung des Landesarchivs Berlin, https://www.archivportal-d.de/item/VKC42J5VCIXIUWUDEA6HGBDB3TR4RFTL (gesehen am 15.08.2023).
Mertens (1978): Der Arbeitsschutz und seine Entwicklung, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung, Dortmund.
Verein Deutscher Gewerbeaufsichtsbeamten Hrsg. (1994): 75 Jahre Schutz von Mensch und Umwelt. 75 Jahre Verein Deutscher Gewerbeaufsichtsbeamten e. V., Wiesbaden.
Verein Deutscher Gewerbeaufsichtsbeamten Hrsg. (2019): 100 Jahre Verein Deutscher Gewerbeaufsichtsbeamten e. V.. 100 Jahre Schutz von Mensch und Umwelt, Dortmund, https://vdgab.de/wp-content/uploads/2020/12/Broschuere_100-Jahre-VDGAB_14-06-2019.pdf (heruntergeladen am 07.11.2023).
Weinmann, Wolfram (2003): 150 Jahre Arbeitsschutz. Ein historischer Rückblick, in Sicherheitsingenieur 5/2003, S. 11.