Über die Hirtenstraße gelangen wir zur Almstadtstraße, der ehemaligen Grenadierstraße, und über die Münzstraße zur parallel dazu verlaufenden Dragonerstraße (heute Max-Beer-Straße). Hier befand sich mit dem Scheunenviertel das Zentrum der ostjüdischen Auswanderung. Die Menschen flüchteten aus Litauen, Polen und der Ukraine vor Pogromen nach Berlin und wollten meist weiter Richtung Amerika. Der Anteil der armen, meist streng orthodoxen Ostjuden an der Wohnbevölkerung der Straßen betrug hier bis zu 70 Prozent. Ein großer Teil von ihnen war illegal hierher geflohen.
Es gab Betstuben, Druckereien hebräischer Bücher, Ritualienverkäufer und koschere Läden. Die strenggläubigen Ostjuden sahen sich deutlich unterschieden vom liberalen Berliner Westjudentum. In den 1880er Jahren setzte die Entwicklung ein, die nach 1918 ihren Höhepunkt erlebte. Nach 1933 konnten sich die Einwohner des Viertels eine Emigration überwiegend nicht leisten, weshalb 1938 viele von den Nationalsozialisten nach Polen abgeschoben wurden. Der Versuch, via Berliner Scheunenviertel in ein besseres Leben zu flüchten, endete dort häufig mit einem grausamen Tod. Heute erinnert auf den Straßen nichts mehr an die dichte Atmosphäre der Vorkriegszeit.