Präsidentenkonferenz fordert verbindliche Gesamtplanung für IT-Megaprojekt
Die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder hat im Rahmen der Herbstkonferenz vom 10. bis 11. Oktober in Augsburg folgende Erklärung zum IT-Megaprojekt KONSENS (Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung) beschlossen:
Augsburger Erklärung zu KONSENS
Steuereinnahmen des Bundes und der Länder von jährlich rund 600 Mrd. € müssen endlich mit einheitlicher Steuer-IT effizient verwaltet werden. Das hat überragende Bedeutung für die Steuergerechtigkeit und für die Sicherung des Steueraufkommens gerade in Zeiten besonderer Herausforderungen an staatliche Haushalte.
KONSENS (Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung) ist das größte Digitalisierungsprojekt in der Steuerverwaltung. Schon seit 15 Jahren arbeiten der Bund und die Länder zusammen an der Entwicklung, Einführung und fortlaufenden Pflege einer einheitlichen Steuer-IT, bis heute bei den Kernverfahren ohne Erfolg. Gründe dafür sind u. a. eine fehlende Ausrichtung auf Projektstrukturen und verbindliche Gesamtplanung sowie Interessenskonflikte zwischen der Pflege des bisherigen laufenden Systems und der Erstellung einer neuen Lösung.
Wichtige Bestandteile von KONSENS sind die drei Kernverfahren
- ELFE (zur Festsetzung der Steuer),
- BIENE (zur Erhebung der Steuer),
- GINSTER (zur Verwaltung der Grunddaten der Steuerpflichtigen).
Auf diese Kernverfahren und die dort abgelegten Daten soll eine Vielzahl anderer KONSENS-Verfahren zugreifen. Die Einführung dieser drei Verfahren ist damit ein wesentlicher Meilenstein für KONSENS.
Bislang sind für KONSENS Ausgaben der Länder und des Bundes in Höhe von annähernd 1,6 Mrd. € angefallen. Für die Jahre 2022 bis 2026 sind weitere 1,25 Mrd. € eingeplant. Das Vorhaben verzögert sich trotz des erheblichen Ressourceneinsatzes immer weiter. Wann das Ziel einer bundesweit einheitlichen Steuer-IT erreicht sein wird und die unterschiedlichen landeseigenen Altverfahren abgelöst werden können, ist noch nicht absehbar. So soll die Fertigstellung der Software für das Steuerfestsetzungsverfahren ELFE durch „geeignete Maßnahmen“ vom Jahr 2029 auf 2026/2027 vorgezogen werden. Belastbar sei das jedoch erst mit Vorlage einer verbindlichen Detailplanung. Die Grobplanung der Gesamtleitung („Roadmap“) zur Bereitstellung der neuen Kernverfahren ist unklar.
Die lange Entwicklungsdauer hat schwerwiegende Folgen: Sie verlängert die Phase erheblich, in der die Altverfahren der Länder mit hohem Aufwand parallel zu den neuen KONSENS-Verfahren fortgeführt werden müssen. Das für Pflege und Wartung der Altverfahren gebundene Personal fehlt für die Softwareentwicklung in KONSENS. Der Fortschritt des Vorhabens KONSENS wird hierdurch verzögert. Prüfungen des Bundes- und der Landesrechnungshöfe haben ergeben, dass 2018 für annähernd 200 Altverfahren rund 150 Vollzeitarbeitskräfte erforderlich waren.
Die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder fordern für KONSENS eine verbindliche Gesamtplanung. Wann werden die drei essenziellen Kernverfahren bereitstehen, damit die Altverfahren abgelöst werden können? Der Bund und die Länder müssen darlegen, welcher zeitliche und finanzielle Aufwand hierfür noch erforderlich ist. Dies ist notwendige Voraussetzung für die Bereitstellung der Haushaltsmittel.
Die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder bittet den Vorsitzenden, die Empfehlung der Konferenz zum Projekt KONSENS an den Bundestag sowie die Länderparlamente, an den Bundesminister der Finanzen sowie die Finanzminister/-innen und -senatoren der Länder und an die KONSENS-Gremien Steuerungsgruppe-IT und Gesamtleitung zu übersenden.
Hintergrund:
Zweimal im Jahr erörtern die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder in der Präsidentenkonferenz übergreifende Fragen der externen Finanzkontrolle. Ziel ist es, einheitliche Meinungen herbeizuführen, Auffassungen in Einzelfällen zu koordinieren, Prüfungsvereinbarungen zu schließen und sich wechselseitig über Prüfungserfahrungen und – ergebnisse zu informieren. An den Präsidentenkonferenzen nehmen regelmäßig auch das deutsche Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, die Präsidentin des Rechnungshofs der Republik Österreich und der Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle teil.
ZU ELFE, BIENE und GINSTER
Siehe Quelle: https://www.steuer-it-konsens.de/
ELFE (Einheitliche länderübergreifende Festsetzung)
Wie hoch ist meine Steuerschuld? Zwischen Steuererklärung und -bescheid steht die Festsetzung, ohne die der Staat erst gar keine Steuern einnehmen könnte. Hier kommt das Verfahren ELFE mit seiner automationstechnischen Lösung für ein einheitliches Besteuerungsverfahren in den Finanzämtern ins Spiel: ELFE verarbeitet die Daten, die elektronisch über ELSTER bzw. über die Steuererklärungsvor-drucke eingehen, und erstellt daraus Steuerbescheide, die die Rechenzentren der Steuerverwaltungen versenden.
Wichtige Erfolge bisher? Die Bearbeitungsdialoge in den Finanzämtern sind vereinheitlicht. Einheitliche Datenhaltungssysteme stehen bereit. Rechtsänderungen müssen bundesweit nur einmal programmiert werden. Als nächstes steht nun die schrittweise Abkehr von Großrechnersystemen an.
Zuständige Länder: Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Verfahrensmanagement in Bayern, weitere Mitarbeit durch die Länder Hessen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Thüringen
BIENE (Bundeseinheitliches integriertes evolutionär neu entwickeltes Erhebungsverfahren)
Ziel von BIENE ist es, ein einheitliches Programm zur Steuererhebung für alle Länder zur Verfügung zu stellen.
Bei der Steuererhebung geht es darum, die festgesetzten Steuern einzunehmen. Dabei gilt es zum Beispiel Fälligkeiten zu berücksichtigen, Ein- und Auszahlungen zu dokumentieren, Mahnungen oder Erstattungen anzustoßen. Verjährungen und Zahlungserinnerungen spielen ebenso eine wichtige Rolle. Der gesamte Zahlungsverkehr mit den Banken und die Buchführung werden in BIENE abgebildet.
Durch moderne IT-Standards und Automatisierungen ist eine effiziente und jederzeit transparente Abwicklung sämtlicher Steuererhebungsaufgaben möglich. Technische Hemmnisse entfallen, Kommunikationswege werden erleichtert und Abläufe vereinfacht. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das bundesweit einheitliche moderne IT-Programm ebenfalls eine Vereinfachung: die gesamte Abwicklung zum Thema Steuern wird übersichtlicher und zugänglicher, die Aufgaben und Prozesse der Steuerverwaltung dadurch aussagefähiger und verständlicher.
Zuständige Länder: Bayern und Niedersachsen, Verfahrensmanagement in Bayern
GINSTER (Grundinformationsdienst Steuer)
Wer, wo, was? Damit Briefe ankommen oder Zahlungen ihr Ziel erreichen, müssen die Stammdaten stimmen: Name, Anschrift, Bankverbindung und Daten zur Steuerpflicht zum Beispiel. Sie sind die Schnittstelle des integrierten und automatisierten Besteuerungsverfahrens – und sie werden im Verfahren GINSTER verwaltet.
Andere Verfahren können auf diese Querschnittinformationen zugreifen, die bei der Namensabfrage und beim Datenaustausch helfen und Anwenderinnen und Anwender von Routinetätigkeiten entlasten. Dabei sind sorgfältig gepflegte Stammdaten nicht nur die Basis für eine effiziente und gerechte Besteuerung, sondern machen auch weitere Digitalisierungsvorhaben möglich – elektronische Anträge, Unterstützung bei der digitalen Bekanntgabe von Verwaltungsakten und sonstigen Schreiben oder die Verwaltung elektronischer Vollmachten beispielsweise.
Zuständiges Land: Hessen