Gegendarstellung des Bezirksamtes zum Offenen Brief der Initiative Stadt von Unten

Brief

Am 4. April 2019 hat die Initiative Stadt von Unten einen Offenen Brief sowie eine Pressemitteilung zur Werkstatt am 11. und 12. April, die im Rahmen der Erarbeitung der Bau- und Nutzungsanforderungen stattfindet, veröffentlicht. Diesen dokumentieren wir ebenso wie die Gegendarstellung des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg.

  • Offener Brief der Initiative Stadt von Unten

    Mischen impossible! – Warum kaum jemand in diesem Nutzungskarussell mitfährt.
    Ein offener Brief an die Einladenden der „Werkstatt zu den Bau- und Nutzungsanforderungen im Rathausblock“ am 11./12. April 2019

    Wenn auf Einladung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und des Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg nächste Woche Donnerstag und Freitag die Werkstatt für die Bau- und Nutzungsanforderungen zum Sanierungsgebiet Rathausblock stattfindet und nach Aufforderung an „Nutzungskarusellen“ gedreht und rumgemischt wird, werden wir – die Mitglieder der Initiative Stadt von Unten – arbeiten, lernen oder unsere Kinder betreuen. Wie viele weitere Anwohner*innen, Interessierte und seit Jahren am Rathausblock Engagierte werden wir nicht teilnehmen an eurer Werkstatt, denn sie findet unter der Woche und tagsüber statt! Ihr hängt die Hürden zu hoch für eine „offene“ Werkstatt: Statt auf dem Dragonerareal sichtbar zu werden, verschwindet ihr im Rathaus. Statt zu den Menschen zu gehen, mit denen ihr ins Gespräch kommen wollt, sollen sie zu euch finden. Statt in vielen Sprachen einzuladen, hofft ihr darauf, dass alle eure Sprache sprechen. Ihr versprecht einen „Realitätscheck“ – aber wessen Realität soll hier eigentlich gecheckt werden? Da wird kein Hehl drauß gemacht, es geht „vor allem um Fachämter, Träger, Dienstleister etc. die eingebunden werden sollen.“ Die Verwaltung unterhält sich mit sich selbst und stellt dies als Beteiligung dar.

    Stadt von Unten tritt für eine Planung mit Vielen für Viele ein. Das bedeutet konkret: Nutzungsanforderungen lassen sich am besten gemeinsam mit den (zukünftigen) Nutzer*innen, d.h. mit den Menschen die hier arbeiten, wohnen, spazieren gehen, tanzen und ihre Nachbar*innen treffen (werden), ermitteln. Dass dies möglich ist, zeigen die Initiativen des Vernetzungstreffen Rathausblock seit Jahren: Wir organisieren Nachbarschaftsversammlungen, Garagengespräche, das Nachbarschaftsfest Dragonale und leisten nicht zuletzt kontinuierlich Beziehungsarbeit mit vielen Menschen und Gruppen – So „beteiligen“ wir längst mehr Menschen, als die Vielzahl beauftragter professioneller Beteiligungsbüros. Erst am 25. März haben wir erneut auf einer Nachbarschaftsversammlung mit mindestens 50 Nachbar*innen über deren Vorstellungen zur weiteren Entwicklung des Rathausblock gesprochen. Mit unseren Forderungen nach Bezahlbarkeit, dem Schutz der Bestandsmieter*innen und der Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse treten wir für mehr Zugangsgerechtigkeit ein – ein Anliegen, das konterkariert wird durch eine Werkstatt, die nur einer kleinen Gruppe besonders Engagierter mit besonders großen zeitlichen Ressourcen offen steht. Von dieser Art von Karussellfahrten ist uns schon ganz schwindlig.

    Die Bau- und Nutzungsanforderungen sind ein wichtiger Schritt hin zu einem Modellprojekt, das wir lieber früher als später umsetzen wollen. Aber bevor ihr wild drauflosmischt mit euren Nutzungen, müssen wichtige Fragen beantwortet werden:

    Was wurde in fast zwei Jahren zäher Beteiligung erarbeitet?
    Was fehlt? Welche Stimmen wurden nicht gehört? Welche Bedürfnisse bisher ignoriert?
    Und vor allem: Was tun um eine tatsächlich breite Beteiligung zu erreichen?
    Die erste Frage lässt sich nur beantworten mit denjenigen, die mit viel Geduld und Arbeitseinsatz (Zwischen-)Ergebnisse errungen haben im Beteiligungs- und Kooperationsverfahren. Diese Ergebnisse müssen endlich abgesichert werden! Der richtige Ort hierfür ist die Kooperationsvereinbarung zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, die nach wie vor nicht unterzeichnet ist.

    Erst wenn die gemeinsamen Ziele definiert sind, wird der Weg frei für die Umsetzung des Modellprojekts. Es liegt nicht an uns, dass die Kooperationsvereinbarung noch nicht fertig ist: Erst mussten wir über ein dreiviertel Jahr darauf hinwirken, dass diese überhaupt in einem verbindlichen und entscheidungsbefugten Gremium erarbeitet werden kann und aktuell werden dort immer wieder bereits vereinbarte Punkte – wie der Bestandsschutz der Gewerbetreibenden – in Zweifel gezogen. Eine baldige Bebauung des Geländes ist wichtig, also bitte: Lasst uns die Prioritäten endlich an der richtigen Stelle setzen und zum Abschluss der Kooperationsvereinbarung kommen.

    Die zweite Frage erweitert den Kreis an Menschen und Bedürfnissen, der bisher vertreten ist. Um konkrete Menschen und Akteure einzubeziehen, braucht es aber eine konkrete Ansprache! An eine Analyse der Fehlstellen im bisherigen Beteiligungsprozess muss sich deswegen eine gezielte Zusammenarbeit mit konkreten Akteuren (und deren Vertreter*innen) anschließen, erst mit diesen kann gemeinsam auch die dritte Frage beantwortet werden.

    Wir wollen gerne diese Fragen mit euch beantworten! Lernt zu Kooperieren! Endlich!

  • Gegendarstellung des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg

    Gegendarstellung zum offenen Brief von Stadt von Unten vom 04.04.19

    In einem offenen Brief und einer Pressemitteilung hat die Initiative Stadt von Unten die anstehende Werkstatt zur Nutzungsmischung am Dragonerareal am 11. und 12. April im Rathaus Kreuzberg kritisiert und verweigert aus unterschiedlichen Gründen die Teilnahme. Die beiden Werkstätten wurden gemeinsam im kooperativen Gründungsrat des Verfahrens sowie einer Begleitgruppe auch mit zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen aus den AGs des Sanierungsverfahrens Rathausblock vorbereitet. In beiden Runden waren Vertreter*innen von Stadt von Unten beteiligt.

    Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg möchte die Aussagen der Initiative klarstellen und erklärt dazu im Einzelnen:

    1. Stadt von Unten schreibt, dass eine Teilnahme an der Werkstatt nicht möglich sei, weil sie unter der Woche und tagsüber stattfinde und somit fehlende Zugangsgerechtigkeit bestehe.
    Klarstellung: Die Werkstatt findet am Donnerstag und Freitag jeweils von 9-21 Uhr mit unterschiedlichen Formaten statt. Eine Teilnahme in den Abendstunden ist natürlich möglich. Insbesondere für die Menschen, die abends Zeit erübrigen können, gibt es am ersten und zweiten Abend jeweils von 18-21 Uhr einen zentralen Programmteil. Dort kann man sich nicht nur informieren, sondern auch thematisch einbringen. Diese Abendveranstaltungen bilden das Herz der Werkstatt.
    Die Werkstatt an einem Freitag und Samstag durchzuführen wurde überlegt, aber aus unterschiedlichen Gründen verworfen. Bisherige Veranstaltungen im Rathausblock am Samstag hatten eine durchwachsene Resonanz. Den Veranstaltern ist bewusst, dass man nicht alle Zielgruppen mit einer solchen Werkstatt erreichen kann. Aber diesen Anspruch kann kein Veranstaltungszeitpunkt erfüllen. Deshalb bietet die Werkstatt am 11. und 12. April auch nicht die einzige Möglichkeit, sich in das aktuelle Verfahren einzubringen. Neben einer Online-Befragung auf mein.berlin.de gibt es im Vorfeld der Werkstatt eine aufsuchende Beteiligung an öffentlichen Orten in Kreuzberg.

    2. Stadt von Unten kritisiert, die Hürde für eine offene Werkstatt sei zu hoch, man verschwinde im Rathaus, statt auf dem Dragonerareal sichtbar zu werden.
    Klarstellung: Es gab Überlegungen, die Werkstatt auf dem Dragonerareal durchzuführen. Da der ursprünglich für die Werkstatt vorgesehene Kiezraum jedoch noch Baustelle und eine gute Arbeitsatmosphäre nötig ist, findet die Werkstatt im Rathaus Kreuzberg in der Yorckstraße statt. Auch ist das Rathausgrundstück ein ebenso essentieller Bestandteil des aktuellen Prozesses zum Rathausblock wie das Dragonerareal und ein etablierter Ort der demokratischen Debatte. Die Räume im Rathaus werden so hergerichtet, dass eine produktive Werkstattatmosphäre entsteht. Niemand „versteckt“ sich im Rathaus, sondern das Rathaus wird im Rahmen der Werkstatt zu einem einladenden Ort.

    3. Stadt von Unten kritisiert, eine Einladung nur in Deutsch sei zu wenig.
    Klarstellung: Das komplexe Thema der Bau- und Nutzungsanforderungen kann im Rahmen dieser Werkstatt nur in Deutsch besprochen werden, damit alle mitreden und „mitmischen“ können. In anderen Sprachen bräuchte es andere Formate in kleineren Kreisen. Gerade weil im Stadtquartier so viele Menschen mit unterschiedlichen Sprachen leben, hat sich die für die Werkstatt beauftragte Bürogemeinschaft nonconform/ BSQB bemüht, eine Sprache zu benutzen, die viele Menschen verstehen. Die Bürogemeinschaft gewährleistet in der Werkstatt gute und verständliche Information über das, was in den letzten Jahren bereits erarbeitet worden ist – auch für Menschen, die noch nicht erreicht wurden und für die das alles neu ist. Die Informationen werden im Rahmen der Veranstaltung verständlich aufbereitet sein.

    4. Stadt von Unten kritisiert, ein Realitätscheck finde ohne Bürger*innen statt.
    Klarstellung: Dem Bezirksamt und der Bürogemeinschaft ist wichtig, dass die technischen Anforderungen durch diejenigen in den Prozess eingebracht werden, die sie auch inhaltlich verantworten, d. h. die entsprechenden Stellen der Verwaltung, die am Ende aus ihrer Verantwortlichkeit „Ja“ zu den Vorstellungen der Entwicklung des Dragonerareals sagen müssen. Sie gehören genauso zu den Abwägungen wie die anderen Diskussionen, die im Rahmen der Werkstatt stattfinden. Am Freitagabend werden alle Gespräche gemeinsam nachbesprochen. Im Anschluss daran kann mit den erarbeiteten Inhalten auf vielen Ebenen weitergearbeitet werden.

    5. Stadt von Unten kritisiert, Planungen mit zukünftigen Nutzer*innen fehlten und es würde wild drauf los gemischt.
    Klarstellung: Da noch nicht klar ist, wer die zukünftigen Bewohner*innen und konkreten Gewerbetreibenden in ein paar Jahren sein werden, muss aus Sicht der Veranstalter eine Planung erfolgen, die Bestehendes aufgreift, aber auch Angebote und Platz für spätere Nutzer*innen beinhaltet. Dies ist eine übliche Situation bei größeren Neubauvorhaben.
    Die Veranstalter wollen gemeinsam im Prozess weiterkommen. Dazu ist es nötig, die vielen Dinge, die schon im Prozess erarbeitet wurden, miteinander abzugleichen und diskussionsfähig zu machen. Es werden Fehlstellen aufgezeigt: Wo fehlen Informationen? Wo besteht noch Diskussionsbedarf? Auch dies wird verständlich aufbereitet und wichtiges Thema der Werkstatt sein. Ein „wildes Mischen“ erfolgt also nicht.

    6. Stadt von Unten möchte zunächst Inhalte in der Kooperationsvereinbarung absichern, bevor weiter über die Bau- und Nutzungsanforderungen gesprochen werden soll.
    Klarstellung: Alle Kooperationspartner*innen im Gründungsrat sind intensiv bemüht, die Kooperationsvereinbarung abzuschließen. Allerdings kann darin nicht alles auf einmal erledigt werden. Manche Entscheidungen zur Zukunft des Rathausblocks müssen später und auch an anderen Stellen getroffen werden. Darüber sind die Kooperationspartner*innen schon länger im Austausch. Der Bestandsschutz der Gewerbetreibenden wird vom Bezirk als dafür Zuständigem nicht in Zweifel gezogen. Durch die komplexe Gemengelage und verschiedene Ansichten sowie Belange aller Kooperationspartner*innen ist dies tatsächlich ein langwieriges Verfahren zu dem Alle auf Ihre Weise beitragen.

  • Offener Brief der Initiative Stadt von Unten zu der Werkstatt Bau- und Nutzungsanforderungen

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  • Gegendarstellung des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg

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