Interview mit Sarah Strandt, ZusammenStelle

In unserer Serie „Rathausblock im Porträt“ stellen wir die Menschen vor, die sich auf vielfältige Weise für den Rathausblock und das Dragonerareal einsetzen. Manche sind ehrenamtlich in Initiativen aktiv, andere porträtieren wir auf Grund ihres Berufs als Planer*innen oder weil sie vor Ort arbeiten oder schon lange für eine Rekommunalisierung des Dragonerareals kämpfen.

Sarah Strandt

Rathausblock im Portrait mit Sarah Strandt von der ZusammenStelle

Die ZusammenStelle bildet als wichtiger Bestandteil des Modellprojekts zum einen eine zentrale Unterstützungsstruktur des Vernetzungsstreffens zahlreicher Initiativen und ist gleichzeitig Anlaufstelle für Anwohnende und Interessierte rund um die Entwicklung des Dragonerareals. Wir sprechen mit Sarah Strandt über die Arbeit in der ZusammenStelle und ihre Erfahrungen in dem Modellprojekt.

Liebe Sarah, Du bist Mitglied der ZusammenStelle im Modellprojekt Rathausblock. Was bzw. wer genau ist die ZusammenStelle überhaupt?
Die Zusammenstelle ist eine Unterstützungsstruktur der Zivilgesellschaft im Modellprojekt Rathausblock, die aus dem Bedarf der Initiativen des Vernetzungstreffen Rathausblock (VTR) entstand. Das VTR ist Kooperationspartner im Modellprojekt, genauso wie der Bezirk, die WBM und Co. Eine gleichwertige Mitarbeit im Modellprojekt, das heißt auf Augenhöhe mit institutionellen Kooperationspartnern, ist mit rein ehrenamtlich arbeitende Initiativen in einem derart komplexen Verfahren kaum möglich. Deswegen unterstützt die ZusammenStelle, die zum großen Teil vom Bezirk finanziert wird.
Neben der Zusammenarbeit mit dem VTR besteht eine weitere Hauptaufgabe der ZusammenStelle darin, eine Anlaufstelle für Anwohnende, und Interessierte zu sein, die sich im Modellprojekt bisher noch nicht beteiligt haben. Im Kern sind wir fünf Leute mit verschiedenen beruflichen Hintergründen, die verschiedene Aufgaben übernehmen.

Arbeitet ihr bei der ZusammenStelle ehrenamtlich?
Zum Teil ja. Die Finanzierung vom Bezirk ist für eine bestimmte Anzahl an Arbeitsstunden abgedeckt. Wir arbeiten nicht in Vollzeit, sondern teilen uns die Stunden untereinander im Team auf. Bei mir sind es zum Beispiel circa zwei Tage pro Woche, bei meinen Kolleg*innen ist es ähnlich. Häufig geht die Arbeit allerdings darüber hinaus und dann sind wir ehrenamtlich tätig.

Eine wichtige Rolle im Modellprojekt nimmt die Zivilgesellschaft ein. Diese ist in zahlreichen Initiativen organisiert, die sich im Rahmen des Modellprojekts engagieren. Kannst du uns einen Überblick über die involvierten Initiativen geben?

Die Vernetzung besteht aus Initiativen, die sich auf verschiedenste Themenbereiche fokussieren. Im VTR haben wir zum Beispiel Initiativen, die sich vor allem mit der Geschichte des Ortes beschäftigen. Sie setzen sich für einen Geschichts- und Lernort Kreuzberg (Anm.: GLOX) ein und sind teilweise schon seit über 10 Jahren am Standort aktiv.
Es gibt Initiativen, die sich konkret mit dem Thema Wohnen befassen. Sie arbeiten vor allem daran, leistbares und solidarisches Wohnen zu realisieren. Außerdem haben wir eine Initiative, die Gemeinschaftswerkstätten, wie zum Beispiel eine Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt, auf dem Areal errichten möchte. Zusätzlich gibt es eine Initiative, die sich für die ökologisch-nachhaltige Entwicklung im Rathausblock einsetzt. Das ist aber nur ein Auszug aller Ininiativen im VTR.

Viele Themen kommen im Vernetzungstreffen Rathausblock zusammen. Hier wird das Wissen gebündelt und die Initiativen entwickeln gemeinsame Forderungen und Haltungen für den Kooperationsprozess.

Und welche Rolle nimmt die ZusammenStelle ein? Fließt die Arbeit der Initiativen in der ZusammenStelle zusammen?
Die Vernetzung der Initiativen im Modellprojekt ist unterschiedlich stark ausgeprägt und die Initiativen sind mal mehr und mal weniger aktiv. Um das VTR in der Durchsetzung seiner Ziele voranzubringen, unterstützen wir zum Beispiel in der Informationsvermittlung, was in einem komplexen Verfahren mit so vielen Akteur*innen enorm wichtig ist. Außerdem organisieren wir diverse kollektive Lernformate, wenn die Initiativen ein bestimmtes Thema bearbeiten wollen. Wir kümmern uns auch um die Öffentlichkeitsarbeit des VTR, um dessen Arbeit und Aktivitäten so transparent wie möglich zu machen. Wir arbeiten also nicht für einzelne Initiativen, sondern eben die Gesamtheit der Vernetzung.

Die Initiative „Stadt von unten“ hat sich Ende 2021 ganz aus dem Modellprojekt zurückgezogen. Ist das in der Vergangenheit schon einmal vorgekommen und wie beeinflusst der Austritt eure Arbeit?
Ja, es ist bereits vorgekommen. Das Kiezbündnis am Kreuzberg war z.B. auch mal eine Initiative der Vernetzung. Sie sind aber vor allem aus Zeitgründen vor ein paar Jahren ausgestiegen.
Mit dem Austritt von Stadt von Unten werden sich die Initiativen jetzt genauer auseinandersetzen. Es gibt Prozesse und Gesprächsrunden, in denen das reflektiert wird.

Welche Auswirkungen wird der Austritt der Initiative auf das Modellprojekt haben?
Es ist natürlich eine Expertise, die im Vernetzungstreffen weggebrochen ist. Es sind allerdings noch viele andere Initiativen in unserem Netzwerk aktiv. Das Kooperationsverfahren wird nichtsdestotrotz weiterbestehen und die noch beteiligten Initiativen werden weiterhin dafür eintreten, ihre Ziele im Modellprojekt zu verwirklichen.

Wenn ich als einzelne Bürger*in, Anwohner*in oder einfach Interessierte an dem Modellprojekt mitwirken und mich bei der Gestaltung eines neuen Stück Berlins einbringen möchte – Wie gehe ich am besten vor? Komme ich einfach zu euch? Wer ist meine Ansprechpartner*in für mein Anliegen?
Eine gute, erste Anlaufstelle, im wahrsten Sinne des Wortes, ist die AnlaufStelle, die von der ZusammenStelle betreut wird. Wir stehen zurzeit immer donnerstags von 17:00 bis 19:00 Uhr vor dem LPG-Biomarkt am alten Tankwarthäuschen für Fragen und Informationen zur Verfügung. Hier können Interessen und Möglichkeiten der Beteiligung besprochen werden. Per E-Mail erreicht man uns über zusammenstelle@rathausblock.org. Auch das Forum Rathausblock ist ein tolles Format, um sich erstmals mit aktuellen Projekten und dem Areal vertraut zu machen. Das Forum findet im Jahr 2022 jeden dritten Dienstag eines jeden ungeraden Monats statt.
Außerdem informieren wir bei der Zusammenstelle, wie man sich bei Interesse bei den offenen Arbeitsgruppen „Ökologie und Nachhaltigkeit“ sowie „Verkehr und Mobilität“ engagieren oder einer Initiative anschließen kann.
Man kann sich natürlich auch online Informationen holen. Es gibt zum einen die Seite des Vernetzungstreffen Rathausblock und über diese Seite kann man sich über das gesamte Modelprojekt informieren.

Inwieweit hat sich eure Arbeit unter den Umständen der Pandemie verändert?
Viele Formate und Veranstaltungen im Rathausblock können seit langem nicht vor Ort stattfinden, was den Austausch natürlich schwieriger macht. Auch der fertiggestellte Kiezraum kann beispielsweise zurzeit nur sehr eingeschränkt genutzt werden.
Wir versuchen neben digitalen auch weiterhin analoge Formate zu organisieren, sofern es die Bedingungen zulassen. Wir haben beispielsweise unter Federführung der Gemeinwesenarbeit im Rathausblock im Januar einen Wintermarkt auf dem Dorfplatz, der sich im Inneren des Geländes befindet, mitorganisiert. Er hat viele Nachbar*innen angelockt und war ein voller Erfolg. Wir haben gemerkt, wie sehr sich die Menschen nach solchen Formaten sehnen. Auch deswegen freuen wir uns alle auf ein Ende der Pandemie.

Wie bist du denn konkret zur ZusammenStelle gekommen? Was war bzw. ist deine Motivation Teil des Modellprojekts Rathausblock zu sein?
Ich war Mitglied bei der Initiative „Stadt von unten“ und habe dann parallel bei der ZusammenStelle angefangen. Das war 2019. Wir haben aber gemerkt, dass beides zusammen auf Dauer nicht funktioniert. Auf der einen Seite die Interessen einer Initiative aktiv zu vertreten und gleichzeitig keine Initiative im VTR zu bevorzugen und eine gewisse Neutralität zu bewahren, ist schwer vermittelbar. Da ich noch mehr ins Modellprojekt eintauchen wollte, bin ich bei Stadt von Unten ausgestiegen und habe mich nur noch der ZusammenStelle gewidmet.
Ein gemeinwohlorientiertes Stadtquartier durch kooperative Verfahren zu entwickeln, sehe ich als eine große Chance. Das Beteiligungslevel in der Kooperation ist außergewöhnlich hoch und lässt so das Wissen der Nachbarschaft und der Zivilgesellschaft in das Modellprojekt mit einfließen. Bei all den Herausforderungen hoffe ich, dass dieses Format in Zukunft modellhaft für andere Projekte genutzt werden kann.

Worauf sollte ich mich einstellen, wenn ich in das Modellprojekt Rathausblock aktiv eintauchen möchte? Hast du Tipps, wie ich meine Anliegen am besten vermitteln kann?
Das komplexe Verfahren erfordert viele zum Teil zeitintensive Aushandlungsrunden und Abstimmungen. Die anderen Kooperationspartner*innen im Projekt vertreten natürlich auch ihre eigenen Interessen. Diese mit den Interessen der Zivilgesellschaft in Einklang zu bringen ist nicht immer einfach. Einzelne Personen und Initiativen können da weniger erreichen, weshalb sich die Initiativen vernetzt haben und zusammen für bestimmte Forderungen eintreten.
Wie individuelle Anliegen am besten vermittelt werden können, muss man auch individuell sehen. Dafür ist, wie bereits beschrieben, unsere Anlaufstelle an der LPG für einen ersten Austausch geeignet.

Ist es denn so, dass ihr in der Regel Interessierte an bestehende Initiativen vermittelt bekommt, sodass sie für Ihre Anliegen gemeinsam einstehen können?
So direkt vermitteln wir eher selten. Wir können als ZusammenStelle nur Angebote machen, wo Interessierte sich mit ihren Ideen einbringen können, dann müssen sie selber aktiv werden.
Wir klären aber auch auf, wenn Anliegen vielleicht erst in der Zukunft eine konkrete Rolle spielen, weil das Verfahren noch gar nicht so weit ist oder im Gegenteil bestimmte Dinge bereits feststehen und die Wünsche dann leider nicht mehr realisierbar sind.
Da wir gut in der Nachbarschaft vernetzt sind, gibt es aber oft Teilhabemöglichkeiten, auch außerhalb der konkreten Arbeit der bestehenden Initiativen. Formate wie die Stadtwerkstatt Friedrichshain-Kreuzberg, die im letzten Sommer hier auf dem Gelände stattgefunden hat, sind für viele Menschen interessant. Dort gab es zur gemeinwohlorientierten Stadt verschiedene Themenabende, wie z. B. zu Kiezblocks oder Parklets.

Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft: Wie siehst du die Zukunft des Modellprojekts? Was sind deiner Ansicht nach große Herausforderungen, Ziele oder Befürchtungen für den künftigen Rathausblock?
Das oberste Ziel des Modellprojekts Rathausblock bleibt es, ein gemeinwohlorientiertes Stadtquartier zu entwickeln. Der Kooperationsprozess mit allen Akteur*innen erfordert sehr viel Zeit und Kraft. Eine intensive Abstimmung ist aber für nachhaltige Ergebnisse unausweichlich. Das alles muss in einem passenden Zeitrahmen geschehen. Das ist ein Dilemma, mit dem wir ständig konfrontiert sind.
Aktuell stellt das Erschaffen gemeinwohlorientierter Räume, deren Organisation und Finanzierung, alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Dies kann man zurzeit beispielsweise an der Entwicklung der Trägerstruktur für den Kiezraum sehen.
Nichtsdestotrotz blicke ich positiv in die Zukunft. Es wurde schon viel erreicht und ich bin immer wieder begeistert, mit wie viel ehrenamtlichem Engagement so viele Menschen im Prozess mitarbeiten.

Vielen Dank für deine Zeit, Sarah!
Das Gespräch führte Wiebke Köker (S.T.E.R.N.). Weitere Informationen zur Arbeit der ZusammenStelle sind auf der Homepage der ZusammenStelle zu finden.