Die Opfer der "Köpenicker Blutwoche"

Während der „Köpenicker Blutwoche“ agierten die Nationalsozialisten gezielt und öffentlich mit Einschüchterung, Folter und Mord gegen politisch Andersdenkende, Jüdinnen und Juden. Die Verbrechen fanden keineswegs im Verborgenen statt, sondern häufig in aller Öffentlichkeit und vor den Augen der Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Viele der Opfer der ersten gezielten SA-Übergriffe im Juni 1933 waren Funktionäre von SPD und KPD sowie Gewerkschafter. Mindestens 500 Personen wurden bei den Gewaltaktionen teilweise schwer verletzt, 23 Menschen wurden ermordet oder starben später an den Folgen der Misshandlungen. Nachfolgend werden diejenigen Opfer der „Köpenicker Blutwoche“ genannt, an die durch Erinnerungs- und Gedenkzeichen im Bezirk Treptow-Köpenick erinnert wird.

Johannes Stelling (12. Mai 1877 - 22. Juni 1933)

Der Reichstagsabgeordnete Johannes Stelling (SPD) war von 1921 bis 1924 Ministerpräsident von Mecklenburg-Schwerin. Am Abend des 21. Juni 1933 wurde er von einem SA-Trupp verhaftet und in das ehemalige Amtsgerichtsgefängnis Köpenick verschleppt. Stelling wurde so grausam gefoltert, dass die SA-Männer ihn bereits für tot hielten und in einen Leinensack einschnürten.

Als sie bemerkten, dass er noch lebte, erschossen sie Stelling und warfen ihn in die Dahme. Nach 1945 wurden mehrere Straßen in Berlin, Schwerin, Lübeck und Greifswald nach Stelling benannt. Eine Gedenktafel vor dem Bundestag erinnert an den sozialdemokratischen Abgeordneten.

Erich Janitzky (21. Juli 1900 - 21. Juni 1933)

Die genauen Todesumstände des KPD-Mitglieds Erich Janitzky sind ungeklärt. Am Abend des 21. Juni 1933 verschleppten ihn SA-Männer aus seiner Wohnung, zerrten ihn in ein Auto und fuhren mit ihm zum Wohnhaus der Familie Schmaus. Wenig später wurde er dort tot aufgefunden. Es ist nicht bekannt, ob er von einem Querschläger aus der Pistole von Anton Schmaus getroffen wurde, als dieser in Notwehr drei SA-Männer niederschoss, oder ob Mitglieder der SA ihn erschossen.

Dr. Georg Eppenstein (7. Dezember 1867 - 3. August 1933)

Ein weiteres Todesopfer war der konfessionslose Unternehmer Georg Eppenstein, der einer jüdischen Familie aus Berlin-Nikolassee entstammte. Der promovierte Chemiker war Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma Ruilos Knoblauch-Verwertungs-G.m.b.H. Eppenstein wurde am 21. Juni 1933 von SA-Männern verhaftet, im Sturmlokal „Demuth“ schwer misshandelt und später in das Amtsgerichtsgefängnis überführt. Seine Frau Marta konnte die Freilassung ihres Mannes erwirken: „Ich erschrak, als ich ihn sah. Er war nicht wieder zu erkennen. Die Brille war weg, die Augen, der Kopf zerschlagen, das Nasenbein zertrümmert.“ Eppenstein erlag am 3. August 1933 seinen Verletzungen. Seine Ermordung war eine der ersten antisemitisch motivierten Tötungen nach der Machtübernahme in Berlin.
Elisabeth-Charlotte Eppenstein (1910-1973) konnte als jüdischer „Mischling I. Grades“ ihr begonnenes Medizinstudium nicht beenden und arbeitete nach dem Tode ihres Vaters als stellvertretende Geschäftsführerin in der Firma Ruilos. Von Februar bis April 1944 wurde sie in die Wittenauer Heilanstalten eingewiesen. In den 1950er-Jahren kämpfte sie um ihre Anerkennung als politisch-rassisch Verfolgte (PrV).

Anton Schmaus (19. April 1910 - 16. Januar 1934)

Wie sein Vater Johann Schmaus war Anton Schmaus Mitglied von SPD und dem sozialdemokratischen Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Weil die SA-Männer die männlichen Familienmitglieder am Vormittag nicht in ihrem Wohnhaus in der Siedlung Elsengrund angetroffen hatten, kehrten sie am späten Abend erneut in die Alte Dahlwitzer Straße zurück. Als sie in das Haus mit der Nr. 2 eindrangen, um Johann Schmaus und seine Söhne Hans und Anton festzunehmen, schoss Anton Schmaus in Notwehr drei SA-Männer nieder und flüchtete. Er stellte sich der Polizei, die ihn das Polizeipräsidium am Alexanderplatz transportierte, wo er aber von Köpenicker SA-Männern umringt und im Handgemenge niedergeschossen wurde. Am 16. Januar 1934 verstarb Anton Schmaus im Polizeikrankenhaus Berlin an den Folgen der während einer „Köpenicker Blutwoche“ erlittenen Schussverletzung.

Hans Schmaus, der älteste Bruder von Anton Schmaus, war nach den Zwischenfällen in seinem Elternhaus zunächst ins Saarland und später in die Tschechoslowakei emigriert. Die älteste Tochter Christina flüchtete mit ihrem Ehemann Alfred Wartmann in die Tschechoslowakei. Die jüngste, damals 13-jährige Schwester Margaretha wurde wenig später über die tschechoslowakische Grenze gebracht. Vergeblich versuchte Katharina Schmaus, Witwe von Johann Schmaus, die Rückgabe des 1933 von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Wohnhauses in der Siedlung Elsengrund zu erwirken.

Johann Schmaus (5. Dezember 1879 - 22. Juni 1933)

Der Gewerkschafter und Sozialdemokrat Johann Schmaus wurde am Abend des 21. Juni 1933 von SA-Männern in seinem Haus gefoltert und getötet. Sein Leichnam wurde am nächsten Tag erhängt im Geräteschuppen des Hauses aufgefunden. Offensichtlich sollte sein Tod als Selbstmord getarnt werden.

Paul Pohle (4. November 1883 - 21. Juni 1933)

Paul Pohle, Sozialdemokrat und Reichsbanner-Mitglied arbeitete in der Apotheke des Krankenhauses Köpenick. Im März 1933 schmuggelte er Fotografien ins Ausland, die Opfer von SA-Gewalt zeigten, die ärztlich behandelt werden mussten. Am 21. Juni 1933 wurde Paul Pohle in das gegenüber seinem Wohnhaus gelegene Sturm-lokal „Demuth“ verschleppt, dort schwer misshandelt und vermutlich am 21. Juni 1933 ermordet.

Götz Kilian (7. Oktober 1891 - 6. August 1940)

Götz Kilian war KPD-Organisationsleiter (Org.-Leiter) im Bezirk, Stadtrat und Bürgerdeputierter für Kunst und Kultur. Seine Ehefrau Liddy Kilian war Bezirksverordnete in Köpenick. Am 21. Juni 1933 wurde auch ihr Mann verhaftet. Seine Tochter Isot war neun Jahre alt, als sie zusehen musste, wie ihr Vater durch die Straßen geprügelt wurde: „Ich sah meinen Vater, als ich aus der Schule kam, auf einem vollbesetzten Lastwagen klemmen zwischen lauter SA-Leuten. […] Ich heulte ununterbrochen, bis wir zuhause ankamen und noch weiter. Wie eine Sirene. Keiner konnte mich beruhigen.“ Kilian wurde in das Horst-Wessel-Haus (die von der SA besetzte KPD-Zentrale am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz) gebracht und dort festgehalten. 1934 musste die Familie Berlin verlassen und lebte fortan in Hamburg. Götz Kilian verstarb 1940 an den Folgen der Misshandlungen während der „Köpenicker Blutwoche“.

Paul von Essen (1. März 1886 - 21. Juni 1933)

Am 21. Juni 1933 wurde der Sozialdemokrat und Gewerkschafter Paul von Essen auf offener Straße und in der Nähe seines Wohnhauses zunächst in das Sturmlo-
kal „Seidler“ verschleppt und gefoltert. Angehörige der SA brachten ihn später ins ehemalige Amtsgerichtsgefängnis, wo er vermutlich am 21. Juni 1933 erschossen wurde.

Richard Julius Karl Aßmann (16. Dezember 1875 - genauer Todestag unbekannt)

In der Chronologie der Ereignisse gehört Richard Aßmann, Sozialdemokrat und Kreisleiter des Reichsbanners, zu den ersten Opfern der „Köpenicker Blutwoche“. In den Morgenstunden des 21. Juni 1933 wurde er von SA-Männern in das Sturmlokal „Seidler“ verschleppt und dort misshandelt. Sein Leichnam wurde am 11. Juli 1933 aus dem Oder-Spree-Kanal geborgen. Der Sterbeurkunde zufolge konnte der genaue Todeszeitpunkt von Richard Aßmann nicht bestimmt werden.