Tagung
Schöner Schein und Wirklichkeit. Die SED-Diktatur zwischen Repression, Anpassung und Widerstand
Über 40 Jahre lenkte die SED-Führung das Leben der DDR-Bürger und kontrollierte ihr Handeln. Der Herrschaftsanspruch der SED gründete nicht nur darin, die einzig richtige Weltanschauung zu vertreten und in allen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen über die alleinige Entscheidungskompetenz zu verfügen. Die Staatspartei war zudem jederzeit bereit, ihre Macht rücksichtslos durchzusetzen.
Die Präsenz sowjetischer Truppen, von Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl, Staatssicherheitsdienst, Sicherheitsapparat und politischer Haft gaben den Rahmen vor. Jede Abweichung gegen die herrschende Staatsdoktrin rief den repressiven Apparat auf den Plan, der mit massiven Schikanen und Strafen das Andersdenken und Anderssein zu verhindern suchte. Gleichzeitig wurden der Bevölkerung aber auch Bindungsangebote unterbreitet, damit die Menschen stillhielten und sich in den vorgegebenen Grenzen einrichteten. Durch das Zusammenspiel von “Zuckerbrot und Peitsche” sollte offenen Protesten, Opposition und Widerstand in der kommunistischen Diktatur entgegengewirkt werden. Die Bevölkerung reagierte höchst unterschiedlich: Während sich die breite Mehrheit mit dem System arrangierte, einige gar zu dessen Stützen wurden, entschlossen sich andere immer wieder zu Widerspruch und Widerstand. Tatsächlich gelang es dem Regime nur durch latenten Druck, Verfolgung und
Repression, seine Herrschaft über vier Jahrzehnte am Leben zu erhalten. Echte Unterstützung der Menschen oder dauerhafte innenpolitische Stabilität waren so jedoch nicht zu erzielen – das zeigen der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 und die Friedliche Revolution 1989.
Die Tagung setzt sich mit der Frage auseinander, wie und in welcher Form offene und verdeckte Einschüchterung, Willkür und Repression den Alltag in der DDR bestimmten. Dabei soll vor allem das Wirken des Partei-, Staats- und Sicherheitsapparates in den verschiedenen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens untersucht werden. Zugleich wird aber auch in den Blick genommen, durch welche Maßnahmen jenseits der Repressionsmechanismen die Bevölkerung dazu bewegt wurde, stillzuhalten und mitzumachen. Ziel ist es, die Herrschaftsmechanismen der Diktatur besser zu verstehen, die der langjährigen Sicherung des SED-Systems dienten.
Programm:
Begrüßung: Dr. Anna Kaminsky (Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)
Alltagswelten: Leben in der DDR zwischen Repression, Anpassung und Widerstand
Einführungsvortrag: Prof. Dr. Christoph Kleßmann (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam)
Podiumsdiskussion:
- Andrej Hermlin (Pianist und Bandleader des Swing Dance Orchestra)
- Roland Jahn (Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik)
- Prof. Dr. Christoph Kleßmann (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam)
- Dr. Stefan Wolle (Wissenschaftlicher Leiter des DDR Museums)
Moderation:
Angela Elis (Journalistin)
Strukturen der Macht im Alltag der Menschen
Vorträge:
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Den “Neuen Menschen” schaffen: Die ideologische Grundlage der kommunistischen Herrschaft
Prof. Dr. Tilman Mayer (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)
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Zuckerbrot und Peitsche: Methoden zur Stabilisierung der SED-Diktatur
Dr. Ehrhart Neubert (Religionssoziologe und Historiker)
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“Die Partei, die Partei, die hat immer Recht!”: Staatsorgane, Parteien und Massenorganisationen im DDR-Alltag
Prof. Dr. Rainer Eckert (Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig)
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“Sozialistische Gerechtigkeit”: Wirkungen von Sicherheitsorganen und Justiz auf die Gesellschaft
Dr. Klaus Bästlein (Referent beim Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen)
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Vom FDGB-Ferienplatz zum Hausbuch: Gesellschaftliche Kontrolle und Überwachung
Christian Booß (Projektkoordinator beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen)
Zeitzeugenpodium: “Der Sozialismus ist für alle da, er braucht alle und hat für alle Platz”:
Das Individuum im System der Diktatur
- Dr. Hans-Georg Aschenbach (Skisprung-Olympiasieger (DDR) und Sportarzt)
- Rainer Eppelmann (Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)
- Günter Georgi (Fotokünstler)
- Helga Schubert (Schriftstellerin)
Moderation: Gerald Endres (Journalist)
Zwischen Eigen- und Fremdbestimmung: Leben in der SED-Diktatur
Vorträge:
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Die Erziehung zur “sozialistischen Persönlichkeit”: Der Einfluss von Bildung und Erziehung in der DDR
Prof. Dr. Gert Geißler (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung)
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“Arbeite mit, plane mit, regiere mit”: Die Arbeitswelt in der DDR
Dr. Dierk Hoffmann (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte Berlin, Privatdozent an der Universität Potsdam)
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Zwischen künstlerischer Autonomie und Zensur: Kultur als Freiraum in der Diktatur?
Prof. Dr. Günther Rüther (Hauptabteilungsleiter Begabtenförderung und Kultur der Konrad-Adenauer-Stiftung)
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“Wenn ich groß bin, gehe ich zur Volksarmee”: Militarisierung der DDR-Gesellschaft
Dr. Torsten Diedrich (Wissenschaftlicher Direktor am Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam)
Der 17. Juni 1953 und seine Folgen
Thematische Einführung:
Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk (Projektleiter beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen)
Podiumsdiskussion:
- Prof. Dr. Arnulf Baring (Historiker und Publizist)
- Dr. Fred Ebeling (Mitbegründer des Demokratischen Aufbruchs)
- Dr. Heidi Roth (Historikerin)
- Dr. Jens Schöne (Stellvertretender Berliner Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen)
Moderation: Dr. Ulrich Mählert (Leiter des Arbeitsbereiches Wissenschaft der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)