Das 20. Jahrhundert mit seinen epochalen Umbrüchen, zwei Weltkriegen und den großen Weltanschauungskämpfen führte zu unzähligen biographischen Verwerfungen und Rissen – und dies häufig mehrfach in einem Leben. Gut bürgerlich aufgewachsene Söhne und Töchter wurden zu Soldaten und Aktivistinnen der kommunistischen Weltrevolution – oder zu fanatischen Nazis. Es konnte aus Einsicht und Überzeugung – aber auch aus Opportunismus – zu neuen politischen Orientierungen kommen. Ex-Kommunisten wurden zu engagierten Vertretern einer “offenen Gesellschaft”; überzeugte Nazis entwickelten sich zu überzeugten Parteigängern der SED-Diktatur – der einst am Massenmord beteiligte Nazi-Funktionär bewies nach 1945 jahrzehntelang streitbaren Einsatz für bedrohte Völker und Minderheiten; der einstige SS-Mann heiratete eine jüdische Frau.
Meist versuchten die Menschen nach Systemumbrüchen, sich mit den neuen Bedingungen zu arrangieren. Biographien werden umgeschrieben, Perioden der Lebensgeschichte verschwiegen und verleugnet.
Die Veranstaltungsreihe “Die biographische Verarbeitung politischer Umwälzungen” will anhand exemplarischer Lebensläufe ein Panorama deutscher Möglichkeiten und Lebenswege im 20. Jahrhundert entfalten – von der Zeit der Weimarer Republik bis zum wiedervereinten Deutschland.
Dahinter stehen Fragen:
Wie glaubwürdig sind politische Neuorientierungen? Wie weit darf und muss eine demokratische Gesellschaft – ohne die eigene Glaubwürdigkeit/Substanz zu gefährden – bei der Integration von Menschen gehen, die einst Parteigänger und/oder gar Schergen eines totalitären Regimes waren? Welches Maß an Integration ehemaliger Täter ist den Opfern zumutbar?