SW23: Auf den Spuren der Vergangenheit – Teil II: Entlang der Stammbahn

Gedenkstein in Düppel

Revier Dreilinden

Wanderkarte

Fahrgäste der S-Bahnlinie S1 stehen auf dem Bahnsteig Berlin-Zehlendorf und warten auf ihren Zug. Der Blick schweift in die Umgebung und fällt auf den verwaisten Nachbarbahnsteig. Die Gedanken schweifen ab und im Kopf formulieren sich plötzlich Fragen, wie: “Warum wohl dort noch ein Bahnsteig ist? Ob hier früher mal solch ein reger Bahnverkehr geherrscht hat, dass man vier Gleise und mehr gebraucht hat? Wo führt die Trasse wohl hin? Wie geht es dahinten weiter?” Je länger man darüber nachdenkt, umso interessanter wird die Trasse, die ins Unbekannte führt. Diese Wanderung gibt die Möglichkeit, ein Stück des Unbekannten zu erkunden.

Dazu startet man genau an diesem S-Bahnhof “Berlin-Zehlendorf”. Nach dem Verlassen des Bahnsteiges läuft man direkt unter der S-Bahnbrücke nach Süden (rechts), um gleich anschließend in die Machnower Straße einzubiegen. Nach wenigen Metern zweigt nach Südwesten (rechts) die Berlepschstraße ab, der man folgt. Kurz hinter der Haltestelle “Camphausenstraße” der Linie 115 sieht man auf der rechten Seite eine alte Villa des Deutschen Roten Kreuzes. Direkt nach dem Passieren des Grundstückes führt ein schmaler Weg zwischen den Häusern auf die Bahntrasse, von der man wissen möchte, wohin sie führt.

Über eine leichte Schräge erreicht man die Anhöhe und steht plötzlich auf dem Bahngleis der ehemaligen Stammbahn.

Die Stammbahn wurde 1838 als erste Eisenbahnstrecke Preußens zwischen Berlin und Potsdam gebaut und eröffnet. 1845 wurde die Strecke bis Magdeburg ausgebaut und wurde so zu einer wichtigen Verkehrsader. 1891 ist parallel zur Stammbahn die “Neue Wannseebahn” von Berlin nach Zehlendorf eröffnet worden. Diese neue Strecke diente den Pendlern von Zehlendorf nach Berlin als Vorortszug. Auf der Stammbahn fuhren weiterhin die Fernzüge. Durch die Elektrifizierung der Stammbahnstrecke konnten die S-Bahnzüge nun auf die Stammbahnstrecke wechseln und damit war Potsdam mit der S-Bahn von Berlin aus zu erreichen. Durch die 1945 kriegsbedingte Zerstörung des Potsdamer Bahnhofes ist die Verbindung nach Potsdam wieder eingestellt worden und sie wurde nie wieder eröffnet. Im gleichen Jahr kam es zusätzlich noch zur Sprengung der Bahnbrücke über den Teltowkanal. Die Gleise auf Brandenburger Flächen sind als Reparationsleistungen abgebaut worden. Es gab nur noch einen Pendelverkehr zwischen den Bahnhöfen Düppel und Zehlendorf. Auch der Mauerbau 1961 hatte keinen Einfluss auf die Stilllegung der Strecke, da sich die Gleisanlage komplett auf “West-Berliner” Boden befand. Der Mauerbau hatte jedoch starken Einfluss auf die Fahrgastzahlen, da diese Strecke hauptsächlich Einwohner aus Kleinmachnow nutzten. Diese konnten durch die Mauer die Stammbahn nicht mehr nutzen. Das endgültige Aus für das letzte Stück Bahnverbindung der Stammbahn wurde durch den S-Bahn-Boykott in Westberlin besiegelt. Die S-Bahn, die durch die damaligen Reichsbahn betrieben wurde, gehörte somit zur damaligen DDR. Die Züge waren teilweise menschenleer und so musste am 18. September 1980 das letzte Stück zwischen Düppel und Zehlendorf stillgelegt werden. Seitdem wird dieses Areal Stück für Stück von der Natur zurückerobert. In den Bereichen, wo die Trasse durch Waldgebiete führte, sind durch die Stilllegung der Stammbahn die Verbindungswege zwischen den Waldgebieten wieder frei und werden dankbar vom heimischen Wild angenommen.

Auf dieser Trasse geht es schnurgerade in Richtung Potsdam. Zwischen den Schwellen des Gleises wächst eine üppige Vegetation, die selbst zu dieser winterlichen Jahreszeit leicht zu erkennen ist. Nach einiger Zeit erreicht man den ehemaligen S-Bahnsteig “Zehlendorf Süd”. Die alten rostigen Schilder lassen den Namen nur noch erahnen. Weiter an den Gleisen entlang wird die Clauertstraße überquert und links neben dem Gleis läuft man noch einige Meter, bis zu einer Querung des Bahngleises. Über diesen kleinen Pfad wird auf die nördliche Seite gewechselt und man folgt weiter dem Wanderweg parallel zum Gleis.

Rechter Hand liegt das Museumsdorf Düppel, das von Ostern bis Anfang Oktober geöffnet hat und über die Clauertstraße erreichbar ist. (Dieses Jahr öffnet das Museumsdorf am 04.04.09.)

Unter dem Motto “Willkommen im Mittelalter” ist auf der 12 ha großen Fläche ein rekonstruiertes Dorf zu erleben, das bei Ausgrabungen freigelegt wurde. Im Original befand sich dieses slawische Dorf um 1200 am Krummen Fenn. Heute kann man im Museumsdorf neben dem hufeisenförmigen Baustil auch altes Handwerk bestaunen, das dem Besucher vorgeführt und erklärt wird. Weitere Informationen unter www.dueppel.de.

Die Wanderung führt zwischen Museumsdorf und Stammbahntrasse weiter bis zum ehemaligen S-Bahnhof Düppel. Noch heute symbolisiert der massive stählerne Poller am Ende des Gleises nicht nur die Endstation der S-Bahnlinie, sondern auch die gewaltsame Trennung einer historischen Bahnstrecke und eines Landes. Nur wenige Meter hinter dem Poller war einst der Verlauf der Mauer zu sehen. An der angrenzenden Benschallee steht heute ein Gedenkstein, der an die deutsch-deutsche Trennung von 1949-1989 erinnert. Nach der Überquerung der Benschallee geht es 20 Meter südlicher (links) über einen Parkplatz auf einen Nebenweg des Berliner Mauerweges. Dieser Weg verläuft ebenfalls weiter nach Südwesten auf der Stammbahntrasse, die hier auf Brandenburger Fläche verläuft. Auffällig ist auf diesem Weg, dass es dort keine Schienen mehr gibt. Ab hier sind die kompletten Schienen dieser Trasse im Land Brandenburg den Reparationsleistungen nach Kriegsende zum Opfer gefallen. Rechts sieht man die Kolonie Schlachtensee Süd auf Berliner Boden. Dazwischen, auf der Stammbahntrasse, stand einst die Mauer. Am Ende der Kolonie grenzt direkt ein Waldgebiet an, wo auch ein Zugangsweg in den Wald zu sehen ist. An dieser Stelle wird dem Waldweg nach Westen hinein in den Wald gefolgt. Nun befindet man sich wieder in Berlin und zugleich in einem der 12 Hundeauslaufgebiete der Berliner Forsten. Dieser nun quer durch den Wald verlaufende Weg verlief früher direkt am Grenzzaun zwischen West-Berlin und der DDR. Der Weg endet an der Königswegbrücke, die über die Autobahn 115 führt.

Von hieraus konnte man den regen Transitverkehr zwischen West-Berlin und den alten Bundesländern (Westdeutschland) beobachten, der über diesen bis 1989 aktiven Grenzübergang Dreilinden lief. Ein paar hundert Meter weiter südlich befand sich der seit 1969 aktive DDR-Grenzübergang Drewitz. Bis 1969 führte die Autobahntrasse über Albrechts Teerofen zum gleichnamigen Grenzübergang. Auf dieser am meisten befahrenen Transitstrecke waren die Reisenden zahlreichen Schikanen der DDR-Grenzkontrolleure ausgesetzt.

An der Brücke endet auch das Hundeauslaufgebiet und die Wanderung geht weiter geradeaus, bis zur dritten Abzweigung nach Norden (rechts), auf dem Berliner Mauerweg. (Achtung: der erste Weg direkt an der Brücke zählt mit.) An diesem Abzweig findet man auch den Jagenstein mit der Nummer “13”.

Dort hat man die Möglichkeit, die Wanderung mit der Tour Entlang der Friedhofsbahn zu kombinieren. Wer die Touren verknüpfen möchte, läuft an dieser Stelle weiter auf dem Berliner Mauerweg bis zur Brücke über die alte Bahntrasse der Friedhofsbahn. Von dort wird der Wegbeschreibung gefolgt.

Alle anderen biegen auf den breiten Weg nach Nordwesten (rechts) ab. Auf diesem Weg wandert man nach einiger Zeit an einer große Mauer mit der Aufschrift “Berlin Camporee Oct 1976” vorbei.

Diese “area” wurde, laut Auskunft zweier US-Veteranen, früher als Treffpunkt für US-Alliierte und ihre Familien als Picknick-, Barbecue- und Veranstaltungsplatz genutzt, aber auch von Pfadfindergruppen.

Der Weg macht einen leichten Bogen nach Westen (links) und erreicht später eine “Einfahrt”, die durch das Schild “Kein Durchgang” gesperrt ist. 20 Meter vor dem Schild führt ein Pfad durch den Wald nach Norden (rechts) bis zur Böschung der Potsdamer Chaussee. Auf dieser Böschung geht es weiter nach Westen (links) bis zum Stahnsdorfer Damm. Über die dort befindliche Treppenanlage steigt man hinab auf die Potsdamer Chaussee und überquert diese. Auf der anderen Straßenseite geht man auf einem kleinen Weg bis zur Rückseite des S-Bahnhofes Wannsee, an dem die Tour endet.

Steht man nach dieser Tour wieder einmal auf dem S-Bahnhof Zehlendorf und schaut Gedanken versunken auf das Nachbargleis, dann führt dieses nicht mehr ins Unbekannte. Denn man erinnert sich lächelnd an diese Wanderung und stellt sich nicht mehr die Frage: “Wie geht es dahinten weiter?”