Entlang der U-Bahn-Linie 4

Angelika Schöttler begrüßt die Teilnehmenden am Innsbrucker Platz

Kiezspaziergang vom 19.07.2014 mit Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

Ich begrüße Sie recht herzlich zum 16. Kiezspaziergang.

Nachdem wir beim letzten Spaziergang den Ortsteil Marienfelde durchstreift haben, werden wir heute den Ortsteil Schöneberg des großen Bezirks Tempelhof-Schöneberg erlaufen.

Wollte man den Bezirk übrigens von Norden nach Süden ablaufen, also von der Nordgrenze des Bezirks, zum Bezirk Mitte an der Kurfürstenstraße, zum südlichsten Punkt an der Stadtgrenze zwischen Lichtenrade und dem Landkreis Teltow-Fläming, so müsste man immerhin fast 15 Kilometer zurücklegen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle eine Bemerkung bzw. Hinweis zum letzten Kiezspaziergang in Marienfelde machen:
Ebenso wie die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer war auch ich begeistert von dem, was im Freizeitpark Marienfelde in den letzten Jahrzehnten entstanden und nicht zuletzt von dem Naturranger Herrn Lindner aufgebaut worden ist. Die Führung durch Herrn Lindner war derartig interessant und fesselnd, dass die Zeit wie im Fluge vergangen ist. Insofern bitte ich um Nachsicht, dass dieser Spaziergang etwas länger gedauert hat als geplant. Aber ich glaube, es hat sich gelohnt.
Für die Zukunft bleibt es aber bei unserer Zielzeit von rund zwei Stunden.

Einen zweiten Hinweis will ich zum gemeinsamen Spaziergang mit dem Kollegen Bezirksbürgermeister Naumann aus Charlottenburg-Wilmersdorf geben. Sie erinnern sich, dass wir vom Nollendorfplatz zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und dem neuen Bikinihaus gegangen sind. Dabei hat uns – einige haben es vielleicht bemerkt – eine Journalistin aus Taiwan begleitet. In der taiwanesischen Zeitung „Green“ ist nunmehr ein Artikel über diesen Spaziergang erschienen. Unsere Spaziergänge erfahren also ein weltweites Presseecho. Näheres darüber können Sie auf der Internet-Seite des Bezirkes auf der Internet-Seite des Bezirkes erfahren.

Marmorbrunnen am Innsbrucker Platz

Brunnen auf dem Innsbrucker Platz

Nun aber zum heutigen Tag.

Wir werden die U-Bahnlinie 4, also die Strecke vom Innsbrucker Platz bis zum Nollendorfplatz oberirdisch kennenlernen.
Lassen Sie uns dazu die Straße überqueren und uns am Brunnen versammeln.

Zunächst zum Brunnen, der die nördliche Seite des Innsbrucker Platzes schmückt.

Er besteht aus Marmor und wurde 1981 aufgestellt. Er ist eine Nachbildung eines Brunnens, der in Innsbruck vor dem Trautsonhaus steht. Das Trautsonhaus ist eines der bedeutendsten Altstadthäuser Innsbrucks aus dem Jahr 1541.

Es wird damit Bezug genommen auf den Namen des Platzes und der Straße.

Ein Blick auf den Verkehr am Innsbrucker Platz

Innsbrucker Platz

Der Innsbrucker Platz befindet sich zwischen den alten Dörfern Schöneberg und Steglitz. Dort wo heute die Hauptstraße ist, verlief eine Verbindung zwischen Berlin und Potsdam. Dieser Weg wurde 1792 unter Friedrich Wilhelm II. von Preußen zur ersten befestigten Chaussee in Preußen ausgebaut. Später entstand daraus die Reichsstraße Nummer 1.

Mit dem Bau der S-Bahn (Ringbahn) 1877 und später mit dem Verlauf etlicher Straßenbahn-Linien wurde er zum echten Verkehrsknotenpunkt. Der Bahnhof hieß damals übrigens „Hauptstraße“.

Im Zweiten Weltkrieg wurden etliche Häuser rund um den Platz zerstört.
Anfang der 1970er Jahre wurde der Platz im Rahmen der damaligen Konzeption „Autogerechte Stadt“ umgestaltet. Er erhielt mit der Stadtautobahn sein heutiges – „autogerechtes“ Erscheinungsbild. Den Charakter eines „menschengerechten“ Platzes hat er nur hier am Rand.

Alle Stationen auf einen Blick!

U-Bahn-Linie 4

Nun aber zum „roten Faden“ des heutigen Kiezspazierganges! – Die U-Bahn-Linie 4 !
Sie ist heute die kürzeste Linie und führt vom Bahnhof

  • Innsbrucker Platz über die Bahnhöfe
  • Rathaus Schöneberg,
  • Bayerischer Platz,
  • Viktoria-Luise-Platz zum
  • Nollendorfplatz.

Die Strecke wurde 1910 eingeweiht und nie verlängert. Sie befand und befindet sich damit ausschließlich auf Schöneberger Gebiet.

Schöneberg erhielt 1898 Stadtrechte und war stolz, selbstständige Stadt zu sein. Die Stadt Schöneberg – vor den Toren Berlins – entwickelte sich rasch. Die Einwohnerzahl war seit der Reichsgründung 1871 von knapp 5.000 auf über 90.000 gewachsen, und sie wuchs weiter. Die noch unbebauten Gebiete (vor allem rund um den heutigen Bayerischen Platz) Schönebergs sollten verkehrlich erschlossen werden, um weitere Wohnbebauung attraktiv zu machen.

So entstand zwangsläufig der Gedanke zum Bau einer Schnellbahn. Allein auf die Straßenbahn oder auf den Bau einer Schwebebahn nach Wuppertaler Vorbild wollte man nicht setzen. So entschied man sich für den Bau einer Untergrundbahn. Man wollte – quer durch Schöneberg – eine Verbindung zwischen der Ringbahn am Innsbrucker Platz (dem damaligen Bahnhof Hauptstraße, wir haben es bereits gehört) und der Hochbahnstrecke, die auch am Nollendorfplatz einen Bahnhof hatte, eine Verbindung zur Stadt Berlin schaffen.

Auf dem Bahnsteig wird auf den ursprünglichen Namen der Station hingewiesen.

Den Hochbahnhof Nollendorfplatz gab es bereits seit 1902 und so lag es nahe, die neue Strecke durch die Berliner Hochbahngesellschaft bauen und betreiben zu lassen. Diese konnte aber von den Schöneberger Stadtvätern nicht überzeugt werden – man war der Meinung, die neue Strecke sei nicht rentabel. Und so bauten die Schöneberger ihre U-Bahn einfach selber. Selbstbewusst und finanzkräftig genug waren sie.

Im Jahre 1908 wurde mit dem Bau begonnen und zwei Jahre später, am 1. Dezember 1910 (Vergleiche mit dem Bau des Flughafens BER verbieten sich) wurde die Strecke eröffnet.

Da diese U-Bahnlinie vom Berliner Netz völlig unabhängig war, musste die notwendige Infrastruktur ebenfalls bereitgestellt werden. So entstand am südlichen Ende der Linie, also am Innsbrucker Platz, ein Kraftwerk zur Erzeugung des nötigen Bahnstroms und außerdem eine Werkstatt für die Wartung der Züge. Gebaut wurde die Strecke von der Firma Siemens & Halske, die beim Bau der Berliner Hochbahn einschlägige Erfahrungen gesammelt hatte. Es wurden die gleichen technischen Standards zugrunde gelegt, so dass auf der Schöneberger Strecke die gleichen Züge fuhren, wie auf der Hochbahn. Kurz vor der Eröffnung der Strecke konnte man vertraglich einen Tarifverbund mit der Hochbahngesellschaft vereinbaren.

Lassen Sie uns weitergehen – zum Bahnhof Rathaus Schöneberg.

Auf unserem Weg werden wir viele Persönlichkeiten kennen lernen, die in diesem Schöneberger Gebiet – entlang der U-Bahn-Strecke gelebt haben.
Es beginnt gleich hier in der Innsbrucker Straße.

Das Geburtshaus von Helmut Newton.

Gedenktafel für Helmut Newton (Innsbrucker Straße 24)

Helmut Newton (1920 – 2004) wurde 1920 als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie, die in Schöneberg in dieser Straße wohnte als Helmut Neustädter geboren.

1938 floh er vor den Nazis aus Deutschland. In Amerika wurde er zu einem weltberühmten Fotografen. Vor allem seine provokanten Aktaufnahmen machten ihn zu einem der gefragtesten Fotografen der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts. Unter anderem arbeitete er für die Vogue.

Er starb 2004. Seine Witwe June wählte den Städtischen Friedhof in der Stubenrauchstraße in Friedenau als seine letzte Ruhestätte.
In der Jebensstraße unweit des Bahnhofes Zoo befindet sich heute ein Museum für seine Werke.

Gedenktafel von Renée Sintenis

Gedenktafel für Renée Sintenis (Innsbrucker Straße 23)

Renée Sintenis (1888 – 1965) war eine der bedeutendsten Bildhauerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Sie schuf vor allem kleinformatige Tierplastiken. Ihre berühmteste Skulptur ist der Berlinale Bär, der seit über 60 Jahren als symbolträchtige Ikone auf den internationalen Filmfestspielen (Berlinale) verliehen wird.

In ihren letzten Lebensjahren lebte die Künstlerin mit ihrer Lebensgefährtin zusammen in der Innsbrucker Straße 23.

In Berlin-Friedenau erinnert der Renée-Sintenis-Platz seit 1967 an die Künstlerin.

Der Zaun stand bei der Planung des Spazierganges aber noch nicht da!

Carl-Zuckmayer-Brücke

Wie Sie sehen, haben pünktlich zu unserem Kiezspaziergang auf der Brücke Bauarbeiten begonnen. Die BVG lässt hier die U-Bahn-Tunneldecke sanieren.
Denn – wir werden es gleich genauer sehen – unter dieser Brücke liegt der U-Bahnhof Rathaus Schöneberg.
Wir lassen uns durch die Bauzäune aber nicht stören und werden das Sehenswerte trotzdem sehen.

Die Brücke ist nach Carl-Zuckmayer benannt. Die Gedenktafel weist darauf hin und erläutert den Zusammenhang.

Auf der Tafel ist folgender Text zu lesen:

“Erst kommt der Mensch! Und dann die Menschenordnung.”
In einem Haus, das an der Stelle des Hauses Fritz-Elsas-Str. 18 stand,
lebte von 1926-1933 der Schriftsteller Carl Zuckmayer
Hier arbeitete er unter anderem am “Hauptmann von Köpenick”.

Das Zitat: “Erst kommt der Mensch! Und dann die Menschenordnung“ stammt übrigens aus dem „Hauptmann von Köpenick“ und bezieht sich auf eine menschenverachtende Bürokratie.

Die Bronzetafel wurde am 11.05.1983 enthüllt. Die Initiative dazu ging auf die SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Schöneberg zurück.
In ein Brüstungsteil der Brücke ist außerdem Zuckmayers Namenszug in Bronzelettern eingelassen. Der Schriftzug ist jedoch derzeit kaum erkennbar. Die leider in Mode gekommene Unsitte, an Brücken Schlösser zu hinterlassen, hat auch hier nicht Halt gemacht.

Die Bezeichnung "Carl-Zuckmayer-Brücke" ist hier "deutlich" zu lesen!

Zuckmayer lebte von 1896 bis 1977.
Er ist einer der erfolgreichsten und mit vielen Preisen geehrte deutschsprachigen Schriftsteller. Aus seiner Feder stammen etliche Erfolgsromane, die auch verfilmt wurden. Dazu gehören u.a. “Der fröhliche Weinberg” (von 1925) und “Des Teufels General” (von 1946).
Während seiner Berliner Zeit in seiner Wohnung in der Fritz-Elsas-Straße (damals hieß die Straße „Am Park“) schrieb er den „Schinderhannes“ und arbeitete am Drehbuch zum Film „Der blaue Engel“.
Auch die Geschichte des Schusters Wilhelm Voigt (Der “Hauptmann von Köpenick”) entstand hier in Schöneberg.

Seine Werke wurden 1933 von den Nazis verboten, so dass er seinen Wohnsitz nach Österreich verlegte. Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs floh er in die USA.

Der uns allen bekannte und erst im letzten Jahr verstorbene Marcel Reich-Ranicki hat über Carl Zuckmayer gesagt: „Für die Kritik galt er oft als zu volkstümlich und für das Volk bisweilen als zu kritisch. Die Linken hielten ihn für konservativ und die Konservativen für allzu links. So saß er oft zwischen allen Stühlen. Das jedoch ist für einen Schriftsteller kein schlechter Platz.“

Die Gedenktafel für Carl Zuckmayer

Hier ein Gedicht von Carl Zuckmayer „Das Lob auf die Spatzen“. Ich finde, es passt ganz gut zu dem vielen Grün um uns herum.

…die beiden ersten Strophen:

“Grau mit viel Braun und wenig weißen Federn,
das Männchen auf der Brust mit schwarzem Fleck,
sie leben unter Palmen, Fichten, Zedern,
und auch in jedem Straßendreck.

In Ingolstadt und in der City Boston
Im Hock von Holland und am Golden Horn
Ist überall der Spatz auf seinem Posten
Und fürchtet nicht des Schöpfers Zorn.”

Der Goldene Hirsch - Ein Blickfang!

Rudolph-Wilde-Park

Von diesem Bauwerk aus ist deutlich zu erkennen, dass der Park durch die Brücke zweigeteilt ist. Der westliche Teil hat einen landschaftlichen Charakter, der östliche Teil, dem Rathaus Schöneberg näher, ist repräsentativ gestaltet. Er hat den Charakter eines Kurparkes.

Als Blickfang dient das Schöneberger Wappentier – der goldene Hirsch. Er steht auf einer 8,80 Meter hohen Säule inmitten eines Brunnens, aus dem mehrere Fontänen Wasser spritzen.

Lassen Sie uns in den westliche Teil zum Ententeich hinuntergehen.
Von hier hat man einen einmaligen Blick auf den Bahnhof, der unter dieser Brücke liegt.

Wir stehen hier in einer eiszeitlichen Rinne, die bis zu den Grunewaldseen reicht.
Die U-Bahn musste durch diesen bis zu 30 Meter tiefen Sumpf gebaut werden. Zur Trockenlegung und zur Auffüllung mit Sand verwendete man den Aushub aus den anderen Teilen der Strecke. Unterqueren konnte man die Rinne, die „der schwarze Graben“ genannt wurde jedoch nicht. Deshalb wird das Tal, der schwarze Graben, ebenerdig von der U-Bahn im rechten Winkel durchschnitten.
Bahnhof und Park wurden als Einheit geplant.

Der Kiezspaziergang am Ententeich

Der Bahnhof wurde ähnlich wie eine Orangerie gestaltet, die sich im Ententeich spiegelt. Das Gelände wurde zu einer Parklandschaft modelliert. Über 500 Bäume wurden gepflanzt. Entstanden ist ein bemerkenswertes Ensemble aus Stadtlandschaft und Architektur.
Für den Bau des Bahnhofes ist Johann Emil Schaudt verantwortlich, der auch das KaDeWe gebaut hat.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bahnhof fast vollständig zerstört und ab 1950 wieder aufgebaut.
Der Bahnhof trug zunächst den Namen „Stadtpark“. Erst mit der Fertigstellung des Rathauses Schöneberg im Jahr 1914 wurde der Name geändert.

Im Bahnhof ist noch der alte Stationsname zu lesen.

Auch der Name des Parkes, der zunächst „Stadtpark Schöneberg“ hieß, wurde geändert. Als 1963 – nach der Ermordung John F. Kennedys – der Rathausvorplatz von „Rudolph-Wilde-Platz“ in „John-F.-Kennedy-Platz“ umbenannt wurde, erhielt der Park den Namen Rudolph Wildes.

Rudolph Wilde war der erste Bürgermeister der selbstständigen Stadt Schöneberg und maßgeblich am Bau des Rathauses und auch der U-Bahn beteiligt. Die Eröffnung der U-Bahn-Strecke sowie des Rathauses Schöneberg erlebte er jedoch nicht. Er starb im November 1910 kurz vor Eröffnung der Strecke.

Lassen Sie uns wieder nach oben auf die Brücke gehen. Unser nächster Halt auf dem Weg zum Bayerischen Platz ist eine Gedenktafel für Alexander Roda Roda.

Die Gedenktafel für Alexander Roda Roda.

Gedenktafel für Alexander Roda Roda (Innsbrucker Straße 44)

Wir stehen vor der Gedenktafel für Alexander Roda Roda.
Von 1920 bis 1933 wohnte er an diesem Ort. Das Originalhaus steht nicht mehr.

Roda Roda lebte von 1872 bis 1945.
Weil er gemeinsam mit seiner Schwester Romane schrieb vereinbarten die beiden, dass immer der Verfassername Roda Roda genannt werden sollte, um deutlich zu machen, das „ein Doppelwesen“ Urheber ist. Alexander Roda Roda war Schriftsteller, Kabarettist und Journalist. Unter anderem schrieb er für die satirische Zeitschrift „Simplizissimus“. Mit der Schauspielerin Adele Sandrock, die zehn Jahre älter war als er, hatte er 1902 eine leidenschaftliche Affäre.

1932 gehörte er zu der Gruppe demokratischer Intellektueller, die Carl von Ossietzky bei Antritt seiner Haftstrafe in Berlin demonstrativ begleiteten. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 übersiedelte er – ähnlich wie Carl Zuckmayer – erst nach Österreich und später nach Amerika.
1945 starb er in New York an Leukämie.

Wir gehen weiter zum Bayerischen Platz.

Ein Gebäude am Bayerischer Platz

Bayerischer Platz

Der Bayerische Platz wurde 1907 nach dem damaligen Königreich Bayern benannt, der Entwurf für die Gestaltung des Platzes stammte von Fritz Encke.

Das Bayerische Viertel wurde zwischen 1900 und 1914 von der Berlinischen Boden-Gesellschaft planmäßig mit gutbürgerlichen Wohnhäusern mit oft weitläufigen Wohnungen bebaut. Die Planung der Häuser besorgten Architekten, die sich auf den süddeutschen Renaissancestil, die „Alt-Nürnberger Bauweise“, verstanden. Die Gebäude bekamen verzierte Türmchen, gestufte Giebel und Sprossenfenster. Die meisten Straßen rund um den Platz erhielten bayerische Namen.

Franz Hessel

Sie wissen, dass ich gern Franz Hessel zitiere, der insbesondere durch sein Buch „Ein Flaneur in Berlin“ bekannt geworden ist, und für den in der Lindauer Straße 8 in Schöneberg eine Gedenktafel hängt.

Er schreibt 1929 zum Bayerischen Viertel:
„…Nördlich vom Stadtpark liegt das rühmlich bekannte Bayrische Viertel. Wie viel man davon zu Berlin, zu Schöneberg oder zu Wilmersdorf rechnen soll, weiß ich nicht. Es ist nicht so rechtwinklig und gradlinig angelegt wie Berlin W. Und statt uns darüber zu freuen, fluchen wir Undankbaren, dass wir uns in all diesem Heilbronn, Regensburg, Landshut und Aschaffenburg immer wieder verirren. Uns kann man’s nie recht machen. Auch die allerlei Brunnen- und Baumanlagen nehmen wir, ohne sie recht zu beachten, hin. In einigen Winkeln stoßen wir auf Versuche, altdeutsche Stadt nachzumachen, die rührend scheitern. Man muss nicht allzu streng mit dem Bayrischen Viertel sein. …“

Name des Platzes auf dem Bahnsteig

Die Bewohner des Viertels waren Ärzte, Rechtsanwälte, gehobene und höhere Beamte, Künstler und Intellektuelle. Zu ihnen zählten Albert Einstein, Alfred Kerr, Eduard Bernstein, Erich Fromm, Rudolf Breitscheid, Erwin Piscator und Inge Deutschkron. Marcel Reich-Ranicki und Gisèle Freund wuchsen hier auf.

Weil besonders viele jüdische Familien hierher zogen, wurde das Viertel auch “Jüdische Schweiz” genannt.
Schöneberg hatte 1933 mehr als 16.000 jüdische Einwohner, davon viele hier im Bayerischen Viertel.

Das Zeichen des Aufbauprogrammes

Die Berlinische Boden-Gesellschaft war auch ein wesentlicher Protagonist für den Bau unserer U-Bahn Linie 4. Von der ursprünglichen überirdischen Bahnhofsanlage sind heute nur noch die Nebenausgänge erhalten. Das Bahnhofsgebäude aus dem Jahr 1910 existiert nicht mehr.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Platz verwüstet, die meisten Häuser rund um den Platz zerstört. Man sieht es auch an den vielen Häusern rundherum, die im Aufbauprogramm
in den 1950ger Jahren oder auf private Initiative in den1960ger Jahren entstanden sind.
Im Februar 1945 trafen drei Fliegerbomben den U-Bahnhof, während zwei Züge dort hielten. 63 Menschen wurden dabei getötet.
Nach der Trümmerbeseitigung stand auf dem Platz nur noch ein Zeitungskiosk.

Der U-Bahn-Pavillon wurde 1967 abgerissen und 1971 durch ein blau-weiß gestaltetes gekacheltes Gebäude ersetzt. Das entsprach dem damaligen Zeitgeist.
Nachdem dieser Bahnhofsbau sanierungsbedürftig geworden war, entschloss sich die BVG, das Gebäude abzureißen und neu zu bauen. Eine Sanierung des bestehenden Gebäudes wäre zu aufwändig gewesen.
Nunmehr steht hier ein neues Bahnhofsgebäude. Es ist fast fertig.

Hier entsteht das neue Bahnhofsgebäude mit Café

Die abschließende Gestalt ist deutlich zu erkennen. Bemerkenswert ist der gläserne Aufbau, der sich an den Bau der Neuen Nationalgalerie anlehnt.

Mitte September wird in diesem gläsernen Cubus auf dem komplett sanierten Eingangsgebäude das “Café Haberland” eröffnen. Es ist ein besonderes, bisher in Berlin einmaliges Café, in dem kostenlos Informationen zum umliegenden Quartier bereitgestellt werden: Kurzfilme, Hörstationen und Berichte als Vor- oder Nachbereitung für einen Spaziergang durch das Bayerische Viertel.

Außerdem wird es in dem gläsernen Pavillon regelmäßig Veranstaltungen geben, die der Verein Quartier Bayerischer Platz e.V. organisiert. Gemeinsam mit dem Verein Frag doch! e.V. gestaltet das Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart e.V. im Café Haberland ein „Zeithistorisches Portal Bayerisches Viertel“, finanziert durch die Stiftung Deutsche Kassenlotterie. Es soll den in- und ausländischen Besucherinnen und Besuchern des Quartiers einen Zugang schaffen zur Geschichte des Bayerischen Viertels, zu seinen prominenten und weniger bekannten Bewohnerinnen und Bewohnern.
Betreiber des Zeithistorischen Portals wird das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg sein. Es arbeitet hier Hand in Hand mit der BVG und dem Verein Quartier Bayerischer Platz.
Dies ist ein weiterer Baustein in der vielfältigen Kultur des Gedenkens an die jüdischen Menschen des Bayerischen Viertels.

Eine der 80 Tafeln, die im Bayerischen Viertel an die schrittweise Diskriminierung und Entrechtung der Berliner Juden erinnert.

Wir stehen direkt vor einer Übersichtskarte zu dem dezentralen Denkmal “Orte des Erinnerns” mit den Standorten von 80 Tafeln. Die Künstler Renata Stih und Frieder Schnock haben an 80 Lichtmasten Tafeln installieren lassen. Auf der einen Seite der Tafeln sind jeweils Auszüge aus anti-jüdischen Gesetzen und Verordnungen aus den Jahren des Nationalsozialismus zu lesen. Die andere Seite nimmt jeweils mit einem farbigen Symbol darauf Bezug. Die Tafeln sollen die Passanten mit den Entbehrungen und der Entrechtung der jüdischen Bevölkerung konfrontieren.

Die Grünanlage des Bayerischer Platzes

Einen weiteren Bezug zur jüdischen Geschichte des Viertels werden wir beim nächsten Halt kennenlernen.

Bevor wir weitergehen noch kurz etwas zur Platzgestaltung:
Die Grünanlage wurde 1958 von Karl-Heinz Tümler mit vier Springbrunnen in einem Kunststeinbecken im damaligen Zeitgeschmack neu gestaltet.
Der bayerische Löwe auf Stelzen stammt von Anton Rückel und wurde 1958 hier aufgestellt.

Löcknitz-Grundschule (Münchener Straße)

Wir stehen hier an der Rückseite der Löcknitz-Grundschule.
Die Grundschulen in Schöneberg wurden nach märkischen Landschaften benannt.
Die Löcknitz-Grundschule erhielt ihren Namen nach einem Nebenfluss der Spree.

Für ihre knapp 400 Schülerinnen und Schüler hat die Schule als Leitbild formuliert:

“Wir sind eine Schule, die die Vergangenheit nicht verdrängt, die Gegenwart mutig gestaltet und die Zukunft verantwortungsvoll vorbereitet.”

Getreu dieses Leitbildes leistet die Schule einen wichtigen Beitrag zur Gedenkkultur in Tempelhof-Schöneberg, hier speziell im Bayerischen Viertel.

Die Denksteinmauer auf dem Gelände der Löcknitz-Grundschule.

Denksteinmauer

Im Schuljahr 1994/95 entstand nach einer Anregung des Kasseler Künstlers Horst Hoheisel im Rahmen der Unterrichtseinheit „Nationalsozialismus“ in einer 6. Klasse die Idee, eine Denksteinmauer für jüdische Bürgerinnen und Bürger des Bezirks Schöneberg auf dem Schulgelände zu errichten.
Seither kommen jedes Jahr neue Denksteine dazu, immer von Schülerinnen und Schülern des jeweiligen 6. Jahrgangs.

Oft wird an Menschen erinnert, die vor ihrer Deportation in der derselben Straße wohnten oder am gleichen Tag Geburtstag hatten wie die Schülerinnen und Schüler, die den Stein gestalten. Inzwischen besteht die Mauer aus über 1000 – genau 1051 – Steinen und die Denk-Stein-Mauer wird weiter wachsen.

Gedenkstein für die Synagoge

Synagoge

Vor uns steht ein Gedenkstein für die Synagoge, die auf dem heutigen Schulgelände stand. Auf einer Bronzetafel am Fuß ist erläutert:

*“Hier stand von 1909-1956 eine Synagoge.
Sie wurde während der Reichspogromnacht
am 9. Nov. 1938 wegen ihrer Lage in einem
Wohnhaus nicht zerstört.
Nach der Vertreibung und Vernichtung
der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger
durch die Nationalsozialisten verlor sie
ihre Funktion und wurde 1956 abgerissen.”*

1909 erwarb der Synagogenverein Schöneberg dieses Grundstück.
Er ließ ein Vorderhaus mit Wohnungen bauen, in dem sich auch Schulräume, ein Rabbinerzimmer sowie ein Betsaal befanden. Die eigentliche Synagoge wurde auf dem Hof errichtet. Es war ein fast quadratischer Kuppelraum mit Platz für 836 Menschen.
Durch die Wohnanlage wurde diese Synagoge im November 1938 nicht angezündet. Sie wurde aber nach 1938 von den Nationalsozialisten als Sammelstelle für die von der jüdischen Bevölkerung abzugebenden Wertgegenstände benutzt. Während des Weltkrieges wurde das Vorderhaus zerstört. Die Ruine wurde 1956 abgerissen. Die nur noch sehr kleine Jüdische Gemeinde verkaufte das Grundstück an den Bezirk Schöneberg zur Erweiterung des Schulhofs der Löcknitz-Grundschule. Heute steht der Schulpavillon etwa an der Stelle der Synagoge.

Am 8. November 1963 wurde auf Initiative der Bezirksverordnetenversammlung von Schöneberg der Gedenkstein des Bildhauers Gerson Fehrenbach eingeweiht. Er ist eines der ersten öffentlichen Denkmale in Berlin, das an die Verbrechen an den Berliner Juden erinnert.
Jedes Jahr findet am 9. November am Denkmal eine Gedenkveranstaltung statt.

Lassen Sie uns nun zur Penzberger Straße weitergehen.

Ein Gedenkstein erinnert an die sogenannte „Penzberger Mordnacht“.

Penzberger Mordnacht

Hier sehen wir einen Gedenkstein, der an die sogenannte „Penzberger Mordnacht“ erinnert. Wichtig zu wissen ist, dass Penzberg seit 1963 eine Partnerstadt des Bezirks Schöneberg (heute Tempelhof-Schöneberg) ist.

Um die Geschehnisse um die Penzberger Mordnacht zu verstehen, ist eine ergänzende Texttafel aufgestellt.

Lassen sie mich den Text vorlesen:

„Der 28. April 1945 ist für die ehemalige Bergarbeiterstadt Penzberg ein zentrales Datum zum geschichtlichen Selbstverständnis. Daher wurde dieser Gedenkstein im Rahmen der seit 1964 bestehenden Städtepartnerschaft zwischen Berlin Tempelhof-Schöneberg und Penzberg errichtet.
Anders als Berlin überstand die kleine oberbayerische Bergarbeiterstadt Penzberg das Ende des Zweiten Weltkrieges ohne große Zerstörungen. Traumatisch aber war der 28. April 1945, der einen verstörenden Einbruch von Vernichtung und Gewalt brachte.
Die „Freiheitsaktion Bayern“ verbreitete am frühen Morgen des 28.4.1945 über den Rundfunk die Nachricht über das Ende des Krieges. Voreilig hieß es, sie habe die Macht übernommen und die Bevölkerung wurde aufgerufen, die Produktionsanlagen vor Ort vor der Zerstörung im Sinne des „Nero“-Befehls zu bewahren.

Wappen der Partnerstadt Penzberg

Daraufhin riskierte der ehemalige sozialdemokratische Bürgermeister Hans Rummer, der die Geschicke der Stadt von 1919 bis 1933 gelenkt hatte, an diesem Morgen in Begleitung weiterer Sozialdemokraten und Kommunisten auch in Penzberg die Macht im Rathaus wieder zu übernehmen und das Bergwerk vor einer geplanten Zerstörung zu schützen.
Eine durchziehende Abteilung der Wehrmacht beendete diesen Aufstand und noch am selben Nachmittag wurden die sechs Männer erschossen.
Gegen Abend zog ein Werwolfkommando in die Stadt, das der Gauleiter Giesler aus München zu einem Vergeltungsakt für den Aufstand der „Freiheitsaktion Bayern“ geschickt hatte. Die ganze Nacht über zogen Werwolfgruppen durch die Stadt, um „Verschwörer“ zu verhaften und durch Hängen umzubringen. Flucht, Verfolgung, Schüsse, Motorlärm zum Übertönen der Schreie konnten viele Penzberger zuhause hinter geschlossenen Läden hören – es herrschte strikte Ausgangssperre, jeder war isoliert. Es war eine gezielte Terroraktion, die Angst in der Bevölkerung verbreiten sollte. Ihr fielen 16 Männer und Frauen zum Opfer, viele konnten sich durch Flucht retten.
Beim Kirchgang am nächsten Morgen (Sonntag) entdeckte man die aufgeknüpften Leichen in den Bäumen. – Am Montag, dem 30.4.1945, marschierten die Amerikaner ein.“

Das majestätische Gebäude der Georg-von-Giesche-Oberschule ragt an der Münchener Straße empor.

Lassen Sie uns zum nächsten Haltepunkt – dem Viktoria-Luise-Platz weitergehen. Nach wenigen Metern werden wir schon den Brunnen auf dem Viktoria-Luise-Platz sehen.

Bevor wir den Viktoria-Luise-Platz erreichen, kommen wir an der Georg-von-Giesche-Oberschule vorbei. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges hieß die Schule Werner-Siemens-Realgymnasium.
Anfang der dreißiger Jahre bestand die Schülerschaft zur Hälfte aus jüdischen Familien. Aufgrund des Nazi-Terrors musste bereits 1934 die Oberstufe wegen Schülermangels geschlossen werden.

Insgesamt wurden von den 16.000 jüdischen Bewohnern des Bayerischen Viertels rund 6.000 in nationalsozialistische Vernichtungslager deportiert.

Eingang zum U-Bahnhof Viktoria-Luise-Platz

Viktoria-Luise-Platz

Ähnlich wie die Bahnhöfe, die wir schon gesehen haben, erhielt auch dieser eine für die damalige Zeit luxuriöse Ausstattung und einen prunkvollen Zugang. Er ist in Form einer mit zwei Leuchten dekorierten Pergola gestaltet.

Nach akuter Einsturzgefährdung wurde das Bahnhofsportal 1995 unter Denkmalschutzaspekten neu aufgebaut. Entworfen wurde die Pergola von dem Architekten Deneke. Er hat einige Verzierungen angebracht, die allegorischen Charakter haben. So kann man an der von uns aus rechten Seite ein sich küssendes Paar entdecken. Dies soll den elektrischen Funken symbolisieren. Eine Frau, die auf einem Seeungeheuer reitet, symbolisiert den Kurzschluss.

Der Fontäne-Brunnen auf dem Viktoria-Luise-Platz

Der Platz, der seinen Namen nach der einzigen Tochter von Kaiser Wilhelm II. trägt, wurde 1899 von dem Gartenarchitekten Fritz Encke entworfen, der übrigens auch den Rudolph-Wilde-Park gestaltet hat. 1979 wurde der Platz unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Vorgaben in seinen heutigen Zustand versetzt. Seit 1982 steht er unter Denkmalschutz.
Prägend für den Platz sind der Brunnen in der Mitte und die Kolonnaden an der einen, der Bahnhof an der gegenüberliegenden Seite. Eingerahmt wird der Platz von wunderschönen hochherrschaftlichen Häusern aus der Jahrhundertwende
zum 20. Jahrhundert.

Entsprechend lebten hier auch berühmte Persönlichkeiten.

Unter anderem
  • Rudolf Bernauer, der im Haus Nummer 1 (Originalhaus steht nicht mehr) von 1907 bis 1933 lebte und den Text zur „Schöneberger Hymne“ “Es war in Schöneberg, im Monat Mai” verfasste. Aber auch der Text des Liedes „Die Männer sind alle Verbrecher“. Vertont wurden diese Texte von Walter Kollo, der nicht weit von hier in der Schwäbischen Straße 26 wohnte.
  • Billy Wilder, der von 1927 bis 1928 im Haus Viktoria-Luise-Platz 11 lebte. Wir kennen ihn als Regisseur von vielen amerikanischen Film-Komödien, z.B. „Manche mögen’s heiß” oder „1, 2, 3“. Sein Werk wurde mit insgesamt 6 Oscars ausgezeichnet.

Zwei Gedenktafeln berühmter Persönlichkeiten am Viktoria-Luise-Platz

Der Lette-Verein hat seinen Sitz am Viktoria-Luise-Platz.

Letteverein

Direkt am Viktoria-Luise-Platz hat der Lette-Verein seinen Sitz. Der Gründer – Wilhelm Adolf Lette – rief 1866 den „Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts“ ins Leben.

Zur damaligen Zeit hatten unverheiratete Frauen aus dem Bürgertum nur wenige Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt angemessen zu verdienen. Letztendlich blieben nur die Berufe Lehrerin oder Gouvernante. Der Verein unterstützte die Öffnung weiterer Berufsfelder für Frauen. Dazu förderte er Ausbildungsstätten und Ausbildungsinstitutionen.

Heute ist der Lette-Verein eine Stiftung des öffentlichen Rechts. Er ist Träger von drei Berufsfachschulen sowie zwei Lehranstalten –
  • der Berufsfachschule für Design (Foto-, Grafik- und Modedesigner)
  • der Hauswirtschaftlichen Berufsfachschule,
  • der Technischen Berufsfachschule sowie
  • der Lehranstalten für Technische Assistenten der Medizin (MTA) und
  • Pharmazeutisch-Technische Assistenten (PTA).

Wir werden nun weiter die Motzstraße entlag zum Nollendorfplatz gehen.

Gedenktafel für Rudolf Steiner am Haus Motzstraße 30.

,,Cafe Steiner“ (Motzstraße 30 )

Rudolf Steiner (1861 – 1925) – der Begründer der Anthroposophie – und seine zweite Frau Marie wohnten von 1903 bis 1923 in der Motzstraße 30.

Die Anthroposophie ist eine weltweit vertretene spirituelle Weltanschauung mit dem Ziel, den Menschen in seiner Beziehung zum Übersinnlichen zu betrachten.
Das Wirken Steiners zog weite Kreise: Die biologischdynamische Landwirtschaft, die Waldorf-Pädagogik und die anthroposophische Medizin gehören zu den “Erzeugnissen” seiner Bemühungen, was nun zum geistigen Erbe unserer Zeit gehört und ein Teil unseres Kulturlebens darstellt.

Heute beherbergt das Haus das ,,Cafe Steiner“.

Heute hält im Nollendorfkiez einer der buntesten Buddy Bären die "Fahne hoch".

Regenbogenkiez

Bereits in den zwanziger Jahren gab es in diesem Teil von Schöneberg, also dem Gebiet um die Fuggerstraße, Motzstraße und den Nollendorfplatz Tanzlokale für Herren und es begann die Geschichte des ersten Schwul-lesbischen Bezirkes im Westen der Stadt.
Trotz der strengen Moralvorstellungen im Kaiserreich und auch in den 1920ern Jahren war hier vieles möglich, was gesetzlich verboten war.

Besondere Berühmtheit hatte das Lokal „Eldorado“. Hier verkehrten Persönlichkeiten wie Marlene Dietrich, Claire Waldorff oder Wilhelm Bendow. Es war der Hauptanziehungspunkt für Schwule und Lesben nicht nur in Berlin. Ein jähes Ende fand diese „Freiheit“ nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Binnen kürzester Zeit wurden die “anrüchigen” Lokale geschlossen, viele der Schwulen und Lesben verfolgt und in Konzentrationslager deportiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand in diesem Kiez wieder schwul-lesbisches Leben. Zunächst nur zaghaft – es gab immer noch den Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches – aber nach und nach mit immer größerem Selbstbewusstsein und Selbstverständlichkeit. Heute gibt es hier nicht nur schwul-lesbische Kneipen, sondern auch Friseure, Blumenläden, Boutiquen, Reisebüros und Hotels, die sich gezielt an ein homosexuelles Publikum richten – eben einen Regenbogenkiez.
Jährlich an einem Wochenende im Juni findet hier im Kiez das lesbisch-schwule „Motzstraßenfest“ statt, das mit einer Mischung aus Informationsständen gleichgeschlechtlicher Gruppen, Show-Bühnen sowie Imbiss- und Verkaufsbuden tausende Besucherinnen und Besucher anzieht und sich zu einer internationalen Touristenattraktion entwickelt hat.

Viele Organisationen bzw. Vereine haben hier ihren Sitz. U.a.
  • der LSVD (Lesben und Schwulenverband Deutschlands)
  • Maneo und
  • Mann-o-Meter.

Sie treten für die Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen ein. Sie werben für Toleranz und Akzeptanz, informieren, beraten und bieten Hilfe an.

Das Hotel Sachsenhof in der Motzstraße.

Hotel Sachsenhof (Motzstraße 7)

Else Lasker-Schüler, (1869 bis 1945) lebte von 1924 bis 1933 in diesem Haus.

Sie wurde in Wuppertal geboren und zog nach der Heirat nach Berlin Schöneberg um.

Sie gilt als herausragende Vertreterin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus in der Literatur. Sie trat aber auch als Zeichnerin hervor.

1933 musste sie als Jüdin Deutschland verlassen.
1944 erkrankte sie schwer. Nach einem Herzanfall starb Else Lasker-Schüler im Januar 1945. Sie wurde auf dem Ölberg in Jerusalem begraben.
Eine Anschlussstraße der Motzstraße trägt den Namen Else Lasker-Schüler-Straße.

U-Bahnhof Nollendorfplatz

Hier sind wir am Endpunkt der Linie U 4 angekommen, dem Nollendorfplatz. Hier endet die Schöneberger U-Bahn-Linie und bietet die Möglichkeit des Umsteigens in die Hochbahn. Eine Möglichkeit, die damals – 1910 – zur Eröffnung der Linie auch beabsichtigt war.
Denn der Hochbahnhof Nollendorfplatz wurde bereits 1902 als Bahnhof an der ersten Berliner Hochbahnstrecke, der sogenannten Stammstrecke, eröffnet.
Für die Schöneberger U-Bahn wurde zunächst ein provisorischer Bahnhof mit dem Namen Schöneberger Bahnhof am Nollendorfplatz neu gebaut, der einen direkten Übergang zum Bahnhof Nollendorfplatz erhielt.
Doch bereits 1915 begann ein Umbau des Bahnhofes Nollendorfplatz zu einem Gemeinschaftsbahnhof, der die beiden Bahnhöfe vereinte.

Der Stationsname auf dem Bahnsteig Nollendorfplatz

Heute ist der Bahnhof Nollendorfplatz der U-Bahnhof, an dem mit den vier U-Bahnlinien, U1 bis U4, die meisten Linien der Berliner U-Bahn halten.

Auch wenn die Farben bereits verblassen: Hier halte vier U-Bahnlinien!

In den 1970er Jahren nahm der Hochbahnhof eine interessante Entwicklung. Die meisten von Ihnen werden sich gut daran erinnern können. 1972 wurde der Hochbahnhof Nollendorfplatz gemeinsam mit der Strecke entlang der Bülowstraße zum Gleisdreieck stillgelegt, da das geringe Fahrgastaufkommen einen rentablen Betrieb nicht mehr möglich machte.
Stattdessen zog auf den Hochbahnsteigen ein Trödelmarkt ein:
Der „Berliner Flohmarkt“!

Stillgelegte U-Bahnwagen dienten als Verkaufsfläche. Da im benachbarten und ebenfalls stillgelegten Bahnhof Bülowstraße ein türkischer Basar entstand, wurde auf der Hochbahnstrecke zwischen den beiden Bahnhöfen eine Straßenbahnlinie eingerichtet, auf der lediglich ein Straßenbahnwagen pendelte. Nach dem Fall der Mauer 1989 musste der Flohmarkt 1993 der wiedereröffneten Strecke U2 nach Pankow weichen. Ab 1999 wurde ausschließlich mit Spendengeldern die Kuppelkonstruktion des Hochbahnhofs in vereinfachter Form wiedererrichtet.

Von Dezember 2013 bis Anfang Februar 2014 war die Kuppel während der Dunkelheit in den Regenbogenfarben beleuchtet.
Unter der Überschrift: „Lichter im Regenbogenkiez / Lichter für Toleranz und Vielfalt“ ermöglichten viele Unternehmen des Regenbogenkiezes sowie die BVG und das Bezirksamt die künstlerisch gestaltete Beleuchtung.
Zur Zeit bemüht man sich, diese Beleuchtung dauerhaft zu erhalten.

Verabschiedung

Damit ist die „Fahrt mit der U-Bahn“ zu Ende.
Ich bedanke mich, dass Sie am Kiezspaziergang teilgenommen haben. Vielleicht haben Sie ja das eine oder andere Neue kennengelernt oder vielleicht Altbekanntes wiederentdeckt.

Ich lade Sie jedenfalls auch zum nächsten Kiezspaziergang wieder ein. Allerdings wird der Kiezspaziergang im August wegen der Urlaubszeit ausfallen. Der nächste Spaziergang ist also erst im September 2014.
Wie immer am dritten Samstag, also am 20. September 2014. Beginn ist wie immer um 14:00 Uhr.

Wir treffen uns am Bahnhof Yorckstraße / Yorckstraße Ecke Katzlerstraße gegenüber Hellweg-Baumarkt (Bahnhof Yorckstraße S 1 und U 7).