100 Jahre Rathaus Schöneberg

Begrüßung der "Kiezspaziergänger" im Foyer des Rathauses

Kiezspaziergang vom 15.02.2014 mit Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler

Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Bürgerinnen und Bürger!

Herzlich willkommen zu unserem
11. Kiezspaziergang, der nicht durch Straßen und Parks, nicht über Kanäle und Brücken geht.
Wir werden uns heute im Rathaus Schöneberg aufhalten.

Vor fast genau einem Jahr habe ich schon einmal als Kiezspaziergang eine Führung durchs Rathaus Schöneberg gemacht. Das Interesse war groß.

In diesem Jahr feiert das Rathaus seinen 100. Geburtstag und da bald umfangreiche Bau- und Sanierungsmaßnahmen – vor allem in den repräsentativen Räumen – beginnen werden, wird für längere Zeit eine Führung nicht möglich sein. Deshalb heute nochmal das Angebot, mit mir durch das Rathaus zu spazieren. Dabei gilt es, die letzten Hundert Jahre Revue passieren zu lassen.

Weitreichende Politische Ereignisse für die Berliner und auch die Deutsche Geschichte lassen sich an diesem Gebäude festmachen. Aber auch das Wirken großer Persönlichkeiten ist mit diesem Haus verbunden. Einige dieser Persönlichkeiten bilden den Schwerpunkt der heutigen Führung.

Namen der Gefallenen des Ersten Weltkrieges

Im Jahr 1914 fiel die Einweihungsfeier für das Rathaus aus –
der Erste Weltkrieg hatte begonnen.

Und auch die komplette Inbetriebnahme des Rathauses musste noch etwas warten, weil es wegen des Krieges zu Materialengpässen kam.
Im Jahr 2014 jährt sich also auch der Beginn des Ersten Weltkrieges
zum 100. Mal.

Hier im Rathaus wird auch daran erinnert.
Zumeist achtlos gehen die meisten Mitarbeiter und Besucher des Rathauses täglich an den 113 Namen im Eingangsbereich vorbei, die an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges erinnern, und zwar allein an die Kriegstoten unter den Mitarbeitern der damals noch selbständigen Stadt Schöneberg:
Vom Feuerwehrmann bis zum Stadtbaurat, aber auch auffällig viele Lehrer sind darunter.

Eingang zur Ausstellung

Eingang zur Ausstellung

In unmittelbarer Nähe der Namen der Kriegsgefallenen befindet sich eine andere Form der Gedenkkultur. Die Ausstellung „Wir waren Nachbarn“!

In den Räumen ist eine Ausstellungsinstallation in der Art eines Lesesaals einer historischen Bibliothek zu sehen. In 148 biografischen Alben werden mit persönlichen Fotos, Dokumenten und Berichten die Lebens- und Leidensgeschichten von jüdischen Bürgern aus Schöneberg und Tempelhof dokumentiert.
Bis zum Kriegsende 1945 wurden über 6.000 jüdische Nachbarinnen und Nachbarn allein aus Schöneberg und Tempelhof deportiert.

Seit 2005 wurde die Ausstellung zunächst jährlich für drei Monate gezeigt.
Seit 2010 ist sie eine Dauerausstellung.

Entstehung und Geschichte des Rathauses

Zunächst Einiges zur Entwicklung der Stadt Schöneberg und der Entstehung des Rathauses:

Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes Schöneberg erfolgte am 03. November 1264.
Schöneberg ist heute ein Ortsteil in der Innenstadt Berlins. Das war nicht immer so, denn bis zum Jahre 1920 lag Schöneberg vor den Toren Berlins.
Nach der Reichsgründung 1871 und der Eröffnung des Bahnhofs Schöneberg nahm das Dorf Schöneberg eine rapide Entwicklung. Insbesondere die Bevölkerungszahl stieg an.
Bereits um die Jahrhundertwende (1900) reichte das alte Rathaus nicht mehr aus.

Die Bauzeit des Rathauses ist im Foyer dokumentiert

Die Bauzeit des Rathauses ist im Foyer dokumentiert

Die Stadt Schöneberg wächst und braucht deshalb ein neues Rathaus. Nach der feierlichen Grundsteinlegung am 26. Mai 1911 wurden die ersten Räume Anfang 1914 bezogen.

Im Jahre 1920 wurde die Stadt Schöneberg Teil der neuen Einheitsgemeinde Groß Berlin und bildete fortan zusammen mit Friedenau den 11. Bezirk.

Mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ab 1933 wurde die demokratische Selbstverwaltung zerschlagen.

Der zweite Weltkrieg hinterließ Spuren.
Schöneberg wurde stark zerstört. Auch das Rathaus Schöneberg war in einem trostlosen Zustand. Von der Zerstörung betroffen waren insbesondere der Turm und der BVV-Saal.
In den Jahren 1945-1955 wurde das Rathaus Schöneberg wieder aufgebaut.

Die politische Spaltung Berlins im November 1948 führte zu der Überlegung, dass sich der Bürgersaal (heute: Willy-Brandt-Saal) des Schöneberger Rathauses gut für die Sitzungen des Parlaments eignen würde.

Dies machte die Bezirksverwaltung einerseits nur zu „Untermietern im eigenen Haus“, andererseits ist genau dies der Grund, warum sich das Rathaus Schöneberg von den übrigen „Bezirksrathäusern“ abhebt und eine herausgehobene Bedeutung hat. Diese Bedeutung wirkt noch heute nach.

Im Januar 1949 fand die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung (heute Abgeordnetenhaus) im Schöneberger Rathaus statt.

Für über 40 Jahre, bis zum Fall der Mauer, hatten der Senat und das Abgeordnetenhaus zusätzlich und sozusagen als „Untermieter“ des Bezirks hier ihren Sitz.

Das Schöneberger Rathaus war politischer Mittelpunkt der geteilten Stadt Berlin. Immer wieder versammelte sich hier die Berliner Bevölkerung:

  • am 12.05.1949 nach Aufhebung der Berliner Blockade
  • am 24.10.1950 bei der Übergabe der Freiheitsglocke
  • am 16. und 19.08.1961 zum Protest gegen den Bau der Mauer
  • am 26.06.1963 hielt der amerikanische Präsident John F. Kennedy seine unvergessliche Rede „ich bin ein Berliner“, nach seiner Ermordung im November 1963 wurde der Platz vor dem Rathaus Schöneberg in John-F.-Kennedy-Platz umbenannt (vorher hieß er Rudolph-Wilde-Platz nach dem ersten Bürgermeister der Stadt Schöneberg)

Am 09. November 1989 fiel die Berliner Mauer, Berlin war nicht länger geteilt.
Nach der deutschen Wiedervereinigung gab es für das „Provisorium“ keine Notwendigkeit mehr. Der Regierende Bürgermeister und die Senatskanzlei ziehen 1991 ins Rote Rathaus und das Abgeordnetenhaus zieht 1993 in das ehemalige Gebäude des Preußischen Landtages.
Seit dem „gehört“ das Schöneberger Rathaus wieder dem Bezirk.

QR-Codes zu historischen Ereignissen

An dieser Stelle will ich Sie noch auf das Online-Projekt des Rundfunk Berlin Brandenburg(rbb) zum 25. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2014 hinweisen.
Auf der Internetseite wird in 250 Filmen vom Leben in der geteilten Stadt in den Jahren von 1961 bis 1989 erzählt.

Diese beiden Tafeln weisen auf zwei Ereignisse zum Thema Mauerbau bzw. Mauerfall hin, die mit dem Rathaus Schöneberg verbunden sind. Mit einem Smartphone ist es über den abgebildeten QR-Code möglich, die Filme über den Kennedy-Besuch, der ja im Zusammenhang mit dem Mauerbau stand und der Rede des Bundeskanzlers Helmut Kohl einen Tag nach dem Mauerfall aufzurufen.

Ich möchte jetzt mit Ihnen auf die Galerie gehen und dort etwas zu diesem beeindruckenden Entree sagen.

Blick ins Foyer von der Galerie

Galerie

Die Eingangshalle ist 63 Meter lang.
Das erste Stockwerk und die Galerie werden von zehn Pfeilern getragen, die mit rotbraunen Keramikplatten verkleidet sind. Die Verkleidung setzt sich an den Türumrahmungen und an den Fensterumrahmungen fort.

Die ursprüngliche Verglasung der Eingangshalle wurde im zweiten Weltkrieg zerstört.

Die acht Buntglasfenster die 1953 nach den Entwürfen von Hermann Kirchberger gefertigt wurden, zeigen abstrakte Motive der (alten) Stadt Berlin und der umliegenden Landschaft.

Über alle Fenster verteilen sich, räumlich zugeordnet, die Wappen der Bezirke und Ortsteile. Besonders hinweisen möchte ich Sie auf einzelne Sehenswürdigkeiten die sich über die Fenster verteilen.

  • Großer Stern

    Großer Stern

  • Brandenburger Tor

    Brandenburger Tor

  • Rotes Rathaus

    Rotes Rathaus

Über zwei breite Treppen gelangt man in den ersten Stock, wo sich von 1949 bis 1991 die Diensträume der Regierenden Bürgermeister und bis 1993 der Präsidenten des Abgeordnetenhauses befanden.

Heute befinden sich hier mein Arbeitszimmer und weitere repräsentative Räume.

Büro der Regierenden Bürgermeister

Das Büro der Regierenden Bürgermeister, heute ist es mein Arbeitszimmer, hat zwar eine repräsentative Größe, ist aber nicht groß genug, um Sie alle gleichzeitig hineinzulassen. Wir werden deshalb einen „Rundgang“ durch das Büro machen und dann durch einen Nebeneingang in den „Goldenen Saal“ gelangen. Dort werde ich Ihnen dann die interessanten Dinge erzählen.

Achten sie beim Hindurchgehen auf die beiden Bilder: Links ein Portrait von Ernst Reuter, rechts ein Foto von Alexander Dominicus. Und achten Sie auf die Büste Willy Brandts auf dem Wandschrank.

Mein Arbeitszimmer gleicht in der Gestaltung und im Mobiliar im Wesentlichen dem Zustand von 1914.

Büro der Bezirksbürgermeisterin

Der erste Schöneberger Bürgermeister, der hier residierte, war Alexander Dominicus.
Er war von 1911 bis 1921 Bürgermeister der Stadt Schöneberg. Sie haben sein Foto gesehen.
Der Schreibtisch ist „sein“ Schreibtisch.

Seit 1949 führten alle Regierenden Bürgermeister von hier aus die Amtsgeschäfte (z.B. Ernst Reuter, Willy Brandt, Richard von Weizsäcker, Eberhard Diepgen). Seit 1991 residiert der Regierende Bürgermeister im Roten Rathaus – dieses Zimmer „gehört“ also wieder dem Bezirksbürgermeister / der Bezirksbürgermeisterin.

Zu diesem Raum noch zwei „Geschichten“, die sich nicht gleich erschließen:

Im Juni 1963, als John F. Kennedy Berlin besuchte, hielt er sich auch in diesem Raum auf. In der Literatur findet sich dazu folgende Schilderung:

„Um 12.50 h kam Kennedy am 26.6.2013 an der Rückseite des Schöneberger Rathaus an. Er ging in ein Nebenbüro von Brandts Zimmer, um sein Hemd zu wechseln. Die erste Verschnaufpause nach drei Stunden Fahrt durch Berlin. Für 10 Minuten konnte er sich auf eine Couch legen und etwas ausruhen, aber er hörte schon die wartende Menge. Adenauer saß angeblich am Schreibtisch Brandts in seinem Arbeitszimmer und vertrieb sich die Wartezeit mit der Lektüre des “Neuen Deutschland”. Überall schwirrten Berater, Sicherheitsleute und Dolmetscher umher. Kennedy ging seine Rede nochmals durch und nahm handschriftliche Änderungen vor – mit Robert Lochner übte er den Satz, der Geschichte schreiben wird… Kurz nach 13 h betraten Kennedy, Adenauer, Brandt und Bach die vor der Rathausfassade errichtete Tribüne. Nach dem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt, der im Freien unter den Augen der versammelten Berliner stattfand, ging man ins Rathaus, wo im Brandenburg-Saal ein festliches Mittagessen stattfand. Kennedy schaute aus dem Fenster noch einmal auf den überfüllten Rudolph-Wilde-Platz. Um 15 h fuhr er weiter Richtung Freie Universität.“

Eine weitere Information von Interesse:
Im Nachbarraum war zu Zeiten des „Kalten Krieges“ ein Telefonapparat installiert, der eine direkte Verbindung zum RIAS Berlin hatte. So hätte der Regierende Bürgermeister jederzeit unmittelbar eine Ansprache an die Berlinerinnen und Berliner richten können.

Nun zu zwei der Persönlichkeiten, die in diesem Büro ihren Wirkungskreis hatten und mit dem Rathaus eng verbunden sind. Die Portraits haben Sie beim Rundgang gesehen.
Alexander Dominicus und Ernst Reuter!

Alexander Dominicus

Geboren 1873 in Straßburg studierte er Rechtswissenschaften und wurde Regierungsrat der Stadtverwaltung in Straßburg.
Nachdem der Oberbürgermeister der Stadt Schöneberg, Rudolph Wilde, 1910 mit 55 Jahren zu früh verstarb, wurde die Stelle eines Oberbürgermeisters ausgeschrieben. Ausgewählt wurde Alexander Dominicus. Er hatte sich in Straßburg als liberaler Politiker besonders und erfolgreich um soziale Reformen bemüht. Er führte ein Arbeitsamt ein, entwickelte die Jugendfürsorge, das Schulwesen und kümmerte sich auch um stadtplanerische Aspekte.
Die Verbindung zwischen Schöneberg und Dominicus, der ja im weit entfernten Straßburg lebte, entstand durch den Turnlehrer Zobel (nach ihm ist die Louis-Zobel-Sporthalle in der Schöneberger Geisbergstraße benannt). Dominicus und Zobel kannten sich über ihr gemeinsames Engagement im Turnwesen.
Theodor Heuss, der damals schon Stadtverordneter in Schöneberg war, nahm dann den Kontakt auf.

Das Berliner Tageblatt kommentierte die Wahl:
„Ein Stadtoberhaupt, das erst 37 Jahre alt ist, [ …] geschickter Finanz- und Sozialpolitiker, sehr zugeneigt fortschrittlichen modernen Anschauungen in Berlin, das in seinen Stadtverwaltungen keinen Überfluss an frischen und neue Wege weisenden Persönlichkeiten hat, [ …] es scheine, dass man die Schöneberger zu ihrer Wahl beglückwünschen dürfe.“

Das Motto Alexander Dominicus’ lautete:
„Schöneberg voran!“

Die Planungen für das Rathaus Schöneberg waren zu seinem Dienstantritt 1911 schon weit gediehen, so dass eine seiner ersten Amtshandlungen die Grundsteinlegung für das Rathaus am 26. Mai 1911 war.

Er blieb Oberbürgermeister bis 1921, als Schöneberg schon ein Bezirk von Groß-Berlin war.
In den Amtsjahren verstand es Dominicus vor allem, für die unterschiedlichen Verwaltungsressorts anerkannte Fachleute zu beschäftigen.
So arbeitete er mit kompetenten und berühmten Persönlichkeiten, die der Nachwelt in Erinnerung geblieben sind, zusammen.
Dazu gehört Friedrich Naumann, der in der heutigen Schöneberger Naumannstraße wohnte und mit Dominicus die Politik der damaligen liberalen DDP, dem „Vorgänger“ der FDP, prägte.

Weiterhin gehören Hans Baluschek und Heinrich Lassen dazu, die auch hier im Rathaus Schöneberg gewirkt haben.
Regelmäßige Kiezspaziergänger und Kiezspaziergängerinnen werden sich erinnern. Der eine – Hans Baluschek – war in den 1920iger Jahren Bürgerdeputierter für das Kunstwesen in Schöneberg und setzte sich hier für Kunst und Künstler ein. Weitaus bekannter ist er als Maler und Namensgeber des
„Hans-Baluschek-Parkes“ geworden.
Mit seiner Malerei setzte er sich während der Kaiserzeit bewusst vom damals vorherrschenden akademischen Kunstbetrieb der Wilhelminischen Ära ab. Baluscheks Werke befassen sich mit den Widersprüchen des gesellschaftlichen Wandels in Zeiten der Industrialisierung.
Seine Themen sind: Kriegsopfer, Arbeitslosigkeit und Klassenkampf. Seine Werke nehmen aber auch die Reize der wachsenden Großstadt Berlin, der Technik und des Fortschritts auf.

Der andere – Heinrich Lassen – war Stadtbaurat in Schöneberg und verwirklichte als Architekt unter anderem die Wohnanlage „Ceciliengärten“, das Stadtbad Schöneberg und den Kiosk auf dem Breslauer Platz.

Darüber hinaus war Theodor Heuss ein Weggefährte im Rathaus Schöneberg – wir haben es gehört und werden später noch mehr über Theodor Heuss erfahren.

Ernst Reuter

Ernst Reuter wurde am 29. Juli 1889 nördlich von Flensburg geboren.
Nach dem Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften arbeitete er zunächst als Privatlehrer. Von 1931 bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialsten amtierte er als Oberbürgermeister von Magdeburg, gleichzeitig gehörte er dem Reichstag an.
Als SPD-Politiker war er den Repressalien der Nationalisten ausgesetzt und kam in KZ-Haft. Durch die Intervention englischer Freunde konnte er aus dem KZ befreit werden und emigrierte in die Türkei.

Nach Kriegsende kam er nach Deutschland zurück und wurde zunächst Verkehrsdezernent im Berliner Magistrat. Eine Wahl zum Oberbürgermeister konnte aufgrund des Vetos der sowjetischen Besatzungsmacht nicht umgesetzt werden. In der Folge lenkte die 1. Bürgermeisterin – Louise Schroeder – von 1947 bis 1948 die Geschicke der Stadt. Wir werden später mehr darüber hören.

Erst nach den Wahlen im Dezember 1948, die allerdings nur in den Westsektoren stattfanden, konnte Ernst Reuter zum Oberbürgermeister gewählt und ernannt werden. Dennoch – obwohl er nicht – Regierungschef der Stadt war, hielt er während der Blockade am 9. September 1948 die berühmte Rede vor dem Reichstagsgebäude, in der es hieß:
“Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, Frankreich und Italien! Schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft, nicht preisgeben könnt. …“

Zahlreiche Reisen führten Ernst Reuter ins Ausland. Neben Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) galt er zu Beginn der fünfziger Jahre als der bekannteste und populärste Politiker der Bundesrepublik.
Bis zu seinem Tod – im September 1953 – blieb er Oberbürgermeister bzw. Regierender Bürgermeister.

Büste Willy Brandts

Die Büste Willy Brandts wurde von dem Künstler Eugen Clermont geschaffen. Sie besteht aus künstlich patiniertem Gips und ist eine Dauerleihgabe der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Die Büste ist 1960 entstanden, zeigt Willy Brandt also zu der Zeit, als er Regierender Bürgermeister war (1957 bis 1966) und hier im Rathaus seinen Arbeitsplatz hatte.
Zur Person werden wir später noch mehr hören.

Der Goldene Saal

Goldener Saal

Nun zu dem Raum, in dem wir hier stehen:

Im Goldenen Saal tagte in den ersten Jahren der Magistrat der Stadt Schöneberg:
ein Oberbürgermeister, ein Bürgermeister, sieben besoldete und zwölf unbesoldete Stadträte.

Nach Bildung der Einheitsgemeinde Groß Berlin im Jahre 1920 wurde der Saal Sitzungssaal des Bezirksamtes von Berlin-Schöneberg. Nach dem Krieg tagten hier der Berliner Senat und der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses.

Der „Goldene Saal“ war ursprünglich mit einer reich gegliederten und vergoldeten Stuckkassettendecke ausgestattet, daher auch der Name „Goldener Saal“.

Im Zuge der Rathausrenovierungen der Jahre 1981-1989 wurde der Saal 1987 restauriert und – soweit es möglich war – originalgetreu wiederhergestellt. Die Deckenbemalung und die beiden 3 × 10 Meter großen Wandgemälde führte der Berliner Maler Matthias Koeppel aus.
Die Wandgemälde zeigen die geteilte und mauerumschlossene Stadt Berlin vor der Wiedervereinigung.

Heute wird der „Goldene Saal“ für Veranstaltungen des Rathauses genutzt. Es finden aber auch Trauungen statt.

Bedeutung der Gemälde im Goldenen Saal

„Senatsmannschaft vor dem Gropiusbau 1987“:
  • Im Mittelpunkt ist der Martin Gropius Bau zu sehen
  • dahinter das Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtages, in dem nach dem ersten Weltkrieg die kommunistische Partei Deutschlands gegründet wurde und in dem heute das Abgeordnetenhaus von Berlin tagt, daneben das ehemalige Göringsche Luftfahrtministerium aus der Nazizeit (heute steht hier das Bundesministerium für Finanzen)
  • dazwischen die Mauer
  • auf der leeren Fläche standen ehemals die Kunstgewerbeschule und das von Schinkel gestaltete Prinz-Albrecht-Palais , dort waren die Gestapo bzw. SS (Schutzstaffel) untergebracht
  • ganz rechts eine Aussichtsplattform „in den Osten“
  • die Gruppe Menschen: der zu diesem Zeitpunkt amtierende Berliner Senat, unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen
  • im Blick liegt das Ausgrabungsgelände unter dem Prinz-Albrecht-Palais, dessen Ruine nach Kriegsende beseitigt wurde. Im Boden zeichnen sich ehemalige Folter- und Gefängniskeller ab
Gegenüber ist der Havelstrand dargestellt:
  • links der Potsdamer Pfingstberg
  • am anderen Ufer liegt die Heilandskirche in Sakrow
  • ein stadteinwärts fahrendes Passagierschiff
  • ein Patrouillenboot der DDR, Freizeitgerümpel
  • in der Mitte ein Schild „Ende des amerikanischen Sektors“

… nun gehen wir weiter zum John F. Kennedy Saal …

Auf dem Weg zum John-F.-Kennedy-Saal

John-F.-Kennedy-Saal

Der Saal wird deshalb John F. Kennedy genannt, weil Bilder in dem Saal hängen, die an seine berühmte „Ich bin ein Berliner“-Rede erinnern.

Entgegen der üblichen Auffassung hat er nicht vom Balkon gesprochen, sondern von einem extra aufgebauten Podest unterhalb des Balkons.

Die Berliner Rede des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy im Juni 1963 markierte den Höhepunkt der Beziehungen zwischen den USA und Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Rede zählt wegen ihrer geschickten Inszenierung und der Rhetorik zu den großen Reden in der politischen Weltgeschichte.

Rednerpult von John F. Kennedy

Sie ist in ihrem Erfolg aber nur verstehbar, wenn man sie vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung West-Berlins im Kalten Krieg betrachtet.

In einer politisch äußerst schwierigen Zeit, nämlich kurz nach der Kubakrise im Oktober 1962 (Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion, die sich aus der Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba entwickelte) besuchte der amerikanische Präsident den freien Teil Berlins und machte damit nachhaltig die Solidarität mit West-Berlin deutlich.

Die Berlinerinnen und Berliner, die vor allem nach dem Mauerbau 1961 verunsichert waren und die die Blockade 1948/1949 noch gut in Erinnerung hatten, honorierten diese weltweit beachtete Geste mit einem herzlichen und überschwänglichen Empfang.

Hier in der Ecke steht übrigens das Redner-Pult, an dem John F. Kennedy stand.

Willy-Brandt-Saal

Zum Anfang Einiges aus der Biografie Willy Brandts:

Willy Brandt ist am 18. Dezember 1913 in Lübeck geboren. Folglich gab es im vergangenen Jahr etliche Veranstaltungen, die dem 100. Geburtstag gedachten.

Als konsequenter Gegner des Nazi-Regimes ging er 1933 ins Exil nach Norwegen

  • Von 1957 bis 1966 war er Regierender Bürgermeister von Berlin,
  • von 1966 bis 1969 Bundesaußenminister und Stellvertreter des Bundeskanzlers sowie
  • von 1969 bis 1974 vierter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
  • Von 1964 bis 1987 war Willy Brandt Vorsitzender der SPD.

Zur seiner Amtszeit als Regierender Bürgermeister hatte er seinen Sitz im Rathaus Schöneberg und zwar in dem Büro, in dem ich heute meinen Arbeitsplatz habe.

Soviel zu den Fakten.
Aber was macht ihn zu einem der herausragendsten deutschen Staatsmänner des 20. Jahrhunderts?

Ich denke, es sind vor allem drei Aspekte, die sein Schaffen bemerkenswert machen:

  • Da ist zunächst die kämpferische Unbeirrbarkeit und Souveränität mit der er die Berliner durch die vielen Krisen, nicht zuletzt den Mauerbau, führte.
  • Mit der neuen Ost- und Deutschlandpolitik erreichte er eine Normalisierung der Bundesrepublik mit den Staaten des Warschauer Paktes. Er nannte es: „Politik der kleinen Schritte“ und „Wandel durch Annäherung“. 1971 erhielt Willy Brandt für seine Entspannungs- und Ostpolitik den Friedensnobelpreis.
  • Unter dem Motto „mehr Demokratie wagen“ leitete er als Bundeskanzler innenpolitische Reformen ein, die Staat und Gesellschaft liberalisierten und demokratischer machten.

Mit der Benennung des Saales nach Willy Brandt wird sein Schaffen in diesem Hause gewürdigt.

Anekdote zur Namensgebung des Saales

Die SPD-Fraktion der Schöneberger BVV schlug den Namen „Marlene-Dietrich-Saal“ vor. (Marlene Dietrich ist in Schöneberg aufgewachsen und in Schöneberg begraben).

Dieser Vorschlag stieß bei der Schöneberger CDU auf Ablehnung.
Sie schlug daher den Namen „Willy-Brandt-Saal“ vor.

Nutzung des Willy Brandt-Saales

Ursprünglich war der Raum als repräsentativer Veranstaltungssaal (Theater, Operetten, Bälle) gedacht und wurde bis zum Zweiten Weltkrieg auch als solcher genutzt.

Nach Ende des 2. Weltkrieges legte die sowjetische Besatzungsmacht in Schöneberg – wie in übrigen Berliner Bezirken auch – größten Wert auf eine schnelle Wiederbelebung der Kultur.

Kurze Ruhepause im Willy-Brand-Saal

In aller Eile wurde der ehemalige Bürgersaal
(heute: Willy-Brandt-Saal) damals für kulturelle Veranstaltungen wieder nutzbar gemacht.

Am 13. Mai 1945 fand hier die erste öffentliche Musikveranstaltung nach Beendigung des Krieges in Berlin, ein Konzert des Berliner Kammerorchesters, statt.

Von 1949 bis 1993 hatte hier das Abgeordnetenhaus seinen Sitz. Dabei wurde nicht vergessen, dass es sich um die Volksvertretung der West-Berliner handelte und Berlin eine geteilte Stadt war.

Jede Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin wurde vom Präsidenten bzw. der Präsidentin mit den Worten eingeleitet:
„Ich eröffne die […] Sitzung und bekunde unseren unbeugsamen Willen, dass die Mauer fallen und das Deutschland mit seiner Hauptstadt Berlin in Frieden und Freiheit wiedervereinigt werden muss.“

Der Saal ist nach dem zweiten Weltkrieg entsprechend seiner neuen Nutzung als Plenarsaal des Abgeordnetenhauses mehrmals umgebaut worden, so dass wenig Ursprüngliches übrig blieb.

Nach Auszug des Abgeordnetenhauses wurde der Saal in abermals schlichter Form, aber funktional für unterschiedliche Zwecke nutzbar, umgebaut. Entsprechend wird der Saal für Veranstaltungen wie zum Beispiel Feste, Bälle, Konzerte oder Diskussionsveranstaltungen genutzt.

Wir gehen jetzt in den Theodor Heuss-Saal

Theodor-Heuss-Saal (ehemals Alt-Schöneberger-Saal)

Zunächst zu Theodor Heuss:
Theodor Heuss ist am 31. Januar 1884 in Brackenheim geboren. Bereits 1903/1904 lernt er Berlin als Student der Nationalökonomie für zwei Semester kennen. 1905 holt ihn dann Friedrich Naumann nach Berlin. Naumann war Herausgeber der Wochenzeitschrift „Die Hilfe“ und beschäftigte Heuss als Redakteur. Heuss lernt die Stadt Schöneberg kennen, da Naumann hier im Königsweg, der heutigen Naumannstraße lebt. Nach der Heirat mit Elly Knapp nimmt das junge Paar ebenfalls eine Wohnung im Schöneberger Königsweg.

1912 verlässt Heuss Berlin, um Chefredakteur der Neckar-Zeitung in Heilbronn zu werden. Nach politischen Misserfolgen kehrt er 1917 wieder nach Berlin zurück und wird 1919 Mitglied des Stadtrates von Schöneberg. In der Schöneberger Kommunalpolitik, hier im Rathaus Schöneberg, begründet sich Heuss‘ politische Karriere. Als Reichstagsabgeordneter von 1924 bis 1928, als Stadtverordneter in Groß-Berlin von 1929 bis 1931 und erneut als Reichstagsabgeordneter von 1930 bis 1933.

Die Nazis nahmen ihm sein Reichtagsmandat und verboten ihm seine journalistische Tätigkeit.
1943 verlässt Heuss gemeinsam mit seiner Frau Berlin und taucht in Heidelberg unter. Nach dem Ende des Krieges wurde er Kultusminister in Württemberg-Baden. 1948 wurde er Mitglied des Parlamentarischen Rates, der das Grundgesetz ausarbeitete.

Am 12. September 1949 wurde er zum Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Als erster Bundespräsident hatte er die außenpolitische Aufgabe, das schlechte Ansehen Deutschlands in der Weltöffentlichkeit zu verbessern. Seine zweite Amtszeit als Bundespräsident tritt er am 17. Juli 1954 an.

Theodor Heuss starb am 12. Dezember 1963 in Stuttgart.

Der Theodor-Heuss-Saal ist mit Holzpaneelen bis in Deckenhöhe verkleidet. Vor dem zweiten Kriege waren hier vier großformatige Bilder mit Motiven aus der Schöneberger Geschichte zu finden:

Nach Einzug des Abgeordnetenhauses von Berlin in das Schöneberger Rathaus wurde der Raum für Ausschusssitzungen des Abgeordnetenhauses genutzt.

Im Theodor Heuss Saal finden heute Kammerkonzerte, kleinere Veranstaltungen und Empfänge statt.

Bezirksverordnetensitzungssaal

Der holzverkleidete Sitzungssaal der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Schöneberg ist einer der schönsten Sitzungssäle, den ein Bezirksparlament vorweisen kann.

Zu Zeiten der Schöneberger Stadtverordneten hing hinter dem Präsidiumstisch ein Gemälde Kaiser Wilhelms II. Aktuell hängen jeweils recht und links die Wappen der ehemaligen getrennten Bezirke Tempelhof und Schöneberg. In der Mitte hängt das Wappen des fusionierten Bezirks Tempelhof-Schöneberg. An den Seitenwänden befinden sich die Porträts der Schöneberger Gemeindevorsteher und Bürgermeister der Vorkriegszeit.

Der Saal ist der Sitz des „Bezirksparlaments“.
Jede Bezirksverordnetenversammlung, so auch die in Tempelhof-Schöneberg, besteht aus 55 Mitgliedern, die zur gleichen Zeit und für die gleiche Wahlperiode wie das Berliner Abgeordnetenhaus von den Wahlberechtigten des Bezirks gewählt werden.

Nach den Grundsätzen der „Zweistufigen Verwaltung“ werden auf der Landesebene, also Abgeordnetenhaus und Senat, die Angelegenheiten von gesamtstädtischer Bedeutung entschieden.
Auf der bezirklichen Ebenen geschieht dies durch Bezirksverordnetenversammlung und Bezirksamt (1 Bezirksbürgermeisterin und 4 Bezirksstadträte)

So bestimmt die BVV die Grundlinien der Verwaltungspolitik des Bezirks im Rahmen der Rechtsvorschriften und der vom Senat erlassenen Verwaltungsvorschriften. Sie regt Verwaltungshandeln an, in dem sie über Beschlüsse das Bezirksamt ersucht, etwas zu tun oder zu unterlassen und kann jederzeit vom Bezirksamt Auskünfte verlangen. Sie entscheidet unter anderem über den Bezirkshaushaltsplan, die Verwendung von Sondermittel, die Genehmigung der Bezirkshaushaltsrechnung sowie über Rechtsverordnungen zur Festsetzung von Bebauungsplänen, Landschaftsplänen und naturschutzrechtlichen Veränderungsverboten.

Anekdote zur ersten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung

1914 fand die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im neuen Saal statt.
Der damalige Vorsteher Dr. Franz Graf von Matuschka verbannte die Pressevertreter auf die Tribüne dort oben. Die Presse empfand dies als Beleidigung. Die Berliner Morgenpost schrieb von „skandalösen“ Zuständen und berichtete für ein Jahr nicht über die Stadtverordnetenversammlung.

Freiheitsglocke

Aus Gründen der Brandsicherheit bleibt der Glockenturm bis auf weiteres geschlossen. Eine Besichtigung der Glocke ist daher leider nicht möglich.

Die Idee zur Freiheitsglocke reifte in den USA im Mai 1949, als in New York das Nationalkomitee für ein freies Europa gegründet wurde.Im Sommer 1950 war der Beschluss gefasst worden, im Turm des Schöneberger Rathauses in Berlin eine Freiheitsglocke aufzuhängen. Einer Initiative von Lucius D. Clay folgend, hatte der amerikanische Industriezeichner Walter D. Teague eine Nachbildung der legendären „Liberty Bell“ in Philadelphia entworfen. Liberty Bell (englisch für Freiheitsglocke) ist der Name der Glocke, die geläutet wurde, als die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung in Philadelphia am 8. Juli 1776 zum ersten Mal auf dem Independence Square (Unabhängigkeitsplatz) in der Öffentlichkeit verlesen wurde.

Die Freiheitsglocke wurde bei der Firma Gillert und Johnston in Croyden (England) gegossen. Sie reiste dann auf einem spektakulären „Kreuzzug für die Freiheit“ auf einem Spezialfahrzeug durch 26 Städte durch mehrere Bundesstaaten der USA. Dabei spendeten über 16 Millionen Amerikaner für den Guss der Glocke und unterzeichneten den Freiheitsschwur. Die Unterschriftenlisten, verpackt in Orginalpaketen, werden seitdem in einer speziellen Dokumentenkammer im Turm des Rathauses Schöneberg aufbewahrt.

Bronze-Tafel am Hauptportal des Rathauses

Am 21. Oktober 1950 traf die Freiheitsglocke vor dem Rathaus ein und wurde anschließend außen am Turm hoch gezogen. Am 24. Oktober 1950 versammelten sich 500.000 Berliner vor dem Rathaus Schöneberg und in den umliegenden Straßen. In Anwesenheit des Bundeskanzlers Konrad Adenauer, des Hohen Kommissars der USA in Deutschland, John J. McCloy, und des Generals Clay erklang die Freiheitsglocke zum ersten Mal.
Seit diesem Tag läutet sie jeden Tag um 12 Uhr mittags für zwei Minuten, am Heiligen Abend und in der Silvesternacht.

Die Glocke ist mit der Inschrift versehen:
“That this world under God shall have a new birth of freedom”
(Möge diese Welt mit Gottes Hilfe eine Wiedergeburt der Freiheit erleben.)

In den Jahrzehnten der Teilung Berlins hatte die Freiheitsglocke eine hohe Symbolkraft für den Westteil der Stadt. Ihr Klang wurde bis zum Tag der deutschen Einheit täglich vom RIAS übertragen. Heute wird das Glockengeläut mit Freiheitsschwur noch jeweils am Sonntag um 12 Uhr im „Deutschlandradio Kultur“ gesendet.

Eine am Hauptportal des Rathauses angebrachte bronzene Gedenktafel erinnert an die Geschichte und Bestimmung der Freiheitsglocke.

Ahnengalerie

Jetzt haben Sie Gelegenheit, die Ahnengalerie der Schöneberger Bezirksbürgermeister und in zwei Fällen auch der Bezirksbürgermeisterinnen abzulaufen. Für alle Schöneberger Bezirksbürgermeister und Bezirksbürgermeisterinnen von 1946 bis zur Fusion mit dem Bezirk Tempelhof (ab 01.01.2001) gibt es ein Foto-Portrait.

Jeder und jede hat für sich in der jeweiligen Zeit viel für den Bezirk getan. Besonders hinweisen will ich aber auf drei Persönlichkeiten, auf die ich gleich noch näher eingehen werde:

  • Ella Barowski – ihr Foto hängt an zweiter Stelle
  • Alfred Gleitze – sein Foto häng ungefähr in der Mitte und
  • Elisabeth Ziemer – ihr Foto hängt am Ende der Reihe.

Wir gehen durch diese Tür und in einem Rundgang – Sie kennen das schon – können Sie die Foto-Portraits betrachten. Anschließend werden wir uns in der Brandenburghalle versammeln.

Nun – wie angekündigt zu drei Persönlichkeiten der „Ahnengalerie“:

  • Ella Barowski

    Ella Barowski

  • Alfred Gleitze

    Alfred Gleitze

  • Elisabeth Ziemer

    Elisabeth Ziemer

Ella Barowski

(* 11. Januar 1912; † 25. September 2007)
Ella Barowsky war studierte und promovierte Volkswirtin. Von 1964 bis 1975 war sie die Leiterin des im Bezirk gelegenen Lettevereins. Politisch engagierte sie sich auf unterschiedlichen Gebieten:
Sie kämpfte für die Gleichstellung der Frau im Bildungsbereich. Außerdem engagierte sie sich in der Berliner Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, wo sie von 1974 bis 1992 eine der drei Vorsitzenden war, in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und im Verein der Freunde der Hebräischen Universität Jerusalem, wo sie jeweils dem Vorstand angehörte. Zuletzt war sie Ehrenvorsitzende der Berliner Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Von 1946 bis 1948 war sie Mitglied der Stadtverordnetenversammlung von Berlin; später gehörte Sie dem Abgeordnetenhaus von Berlin an. Von 1951 bis 1955 – und das ist die besondere Verbindung zum Rathaus Schöneberg – war sie Bezirksbürgermeisterin.

Neben vielen anderen Ehrungen (Bundesverdienstkreuz, Louise-Schroeder-Medaille) wurde sie 1977 zur Stadtältesten Berlins ernannt. Eine Ehrung, die Einwohnerinnen und Einwohner Berlins, die mehr als
20 Jahre lang der Stadt Berlin in Wahl- oder Ehrenämtern gedient haben und die älter als 65 Jahre sind, vorbehalten ist.

Alfred Gleitze

(* 1. Januar 1934; † 27. August 2004)
Alfred Gleitze – mein Vater – hat fast vier Jahrzehnte in der Schöneberger Bezirkspolitik und damit in diesem Raum, dem BVV-Saal, gewirkt und war der Kommunalpolitik sehr verbunden.
Von 1963 bis 1969 und von 1985 bis 2001 gehörte er der SPD-Fraktion der Bezirksverordetenversammlung Schönebergs an. In diesen Jahren hatte er von 1965 bis 1969 und von 1989 bis 1995 die Funktion des Vorstehers inne.
Von 1969 bis 1985 war er Mitglied des Bezirksamtes, zunächst als Jugendstadtrat, dann (von 1971 bis 1975) Bezirksbürgermeister. Von 1975 bis 1981 war er Stadtrat für Finanzen und Wirtschaft.

Während dieses fast 40 jährigen kommunalpolitischen Engagements war ihm der Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern besonders wichtig. Außerdem lag ihm viel an einer konstruktiven Zusammenarbeit der unterschiedlichen politischen Kräfte innerhalb der Bezirksverordentenversammlung. Die damals begründete Kultur der Zusammenarbeit wird zum Teil heute noch gepflegt.
Als Landesvorsitzender der Berliner „Falken“ (von 1965 bis 1969) führte er Gedenkstättenfahrten durch und organisierte Jugendbegegnungen und trug so zum Aussöhnungsprozess mit den osteuropäischen Nachbarländern bei.

Am 07. Juli 2004 erhielt er die Stadtältestenwürde.

Elisabeth Ziemer

(* 22. März 1952)
Elisabeth Ziemer war von 1989 bis 1991 Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung im Bezirk Schöneberg und wurde 1991 ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. 1996 kehrte sie in die Schöneberger Bezirkspolitik zurück und wurde die erste „Grüne“ Bezirksbürgermeisterin in ganz Berlin.
Bis zur Fusion der Bezirke Tempelhof und Schöneberg bekleidete sie dieses Amt und war somit die letzte Bezirksbürgermeisterin von Schöneberg.
Nach der Fusion war sie noch bis 2006 Bezirksstadträtin.

Brandenburghalle

Nun zur Brandenburghalle, die wir ja schon als „Vorraum“ für die anderen Räume durchschritten haben.

Als im Willy-Brandt-Saal noch das Abgeordnetenhaus tagte, diente sie den Abgeordneten als Lobby. An diese Zeit erinnert noch die Leuchttafel. Sie war dazu da, den Abgeordneten die in der Brandenburghalle standen, ein Zeichen zu geben, wenn eine Abstimmung erfolgte oder eine Rede gehalten wurde.

Die Brandenburghalle ist 63 Meter lang und 8 Meter breit, sie hat eine Fläche von insgesamt 507 qm.

Um der Brandenburghalle einheitlichen Prunk zu geben, beauftragte der Magistrat der damaligen Stadt Schöneberg im August 1913 eine Reihe von Künstlern aus der Schule des Berliner Landschaftsmalers
Eugen Bracht (der von reichen Schönebergern bezahlt wurde) damit, den oberhalb der Türen verlaufenden Schmuckfries mit dreißig landschaftlichen und städtischen Motiven aus Brandenburg auszumalen.

In dieser Halle wurden unter anderem Festessen veranstaltet wie z.B. bei den Besuchen von John F. Kennedy und von Elisabeth II.
Heute wird sie für Ausstellungen, Messen und Empfänge nach Konzerten oder anderen Veranstaltungen in den angrenzenden Sälen genutzt.

Unser Rundgang durch das Rathaus nähert sich dem Ende, so dass wir wieder in die Eingangshalle gehen.

Louise-Schroeder-Saal

Wir stehen hier vor einem Saal, der zum „Louise-Schroeder-Saal“ benannt wurde.
Ein Hineingehen ist nicht möglich, da der Saal als Großraumbüro für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dient, die sich um die Durchführung von Wahlen kümmern.

Louise Schroeder

Louise Schroeder wurde am 2. April 1887 in Hamburg geboren.
Sie engagiert sich bereits sehr früh in der sozialistischen Arbeiterbewegung und trat 1910 in die SPD ein. Vor allem engagierte sie sich in der Sozialpolitik und für die Gleichstellung der Frauen. Ebenso war sie maßgeblich an der Gründung der Arbeiterwohlfahrt beteiligt.
1918 erhielten die Frauen in Deutschland das Wahlrecht. 1919 wurde sie in die deutsche Nationalversammlung gewählt, die die Weimarer Reichsverfassung ausarbeitete. Anschließend gehörte sie bis 1933 dem Reichstag an.
Als Dozentin an der Deutschen Hochschule für Politik erhielt sie von den Nazis Berufsverbot. Die Zeit bis zum Kriegsende verbrachte sie in vor allem Hamburg, wo sie eine Bäckerei leitete.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges war sie von 1949 bis zu ihrem Tod Mitglied des Deutschen Bundestages.

Nachdem die Wahl Ernst Reuters zum Berliner Oberbürgermeister 1947 durch das Veto der Sowjetunion im Alliierten Kontrollrat nicht umgesetzt werden konnte, war sie in den Jahren 1947/1948 amtierende Oberbürgermeisterin der Stadt.
Damit hatte sie zu dieser Zeit als Frau eine der höchsten politischen Funktionen in Deutschland. Sie hatte dies ihrer langen politischen Erfahrung, nicht zuletzt aber ihrem hohen moralischen Ansehen über die Parteigrenzen hinweg, zu verdanken. Von 1948 bis 1951gehörte sie als 1. Bürgermeisterin dem nun im Rathaus Schöneberg tagenden Magistrat Reuter an.

Vor allem während der Berliner Blockade (Juni 1948 bis Mai 1949) verdiente sie sich den Beinamen „Mutter Berlins“. Am Ende der Blockade sagte sie:
“Wenn wir Berliner jetzt in den letzten elf Monaten bewiesen haben, dass man Unrecht auch überwinden kann ohne Waffen, ohne Blutvergießen, dass man es überwinden kann einfach durch seine feste Überzeugung, durch seine Standhaftigkeit, durch seinen Mut, dann ist das meiner Ansicht nach das auf die Dauer Größte am heutigen Tag”.

Als zum Ende der Blockade im Mai 1949 auf einer großen Demonstration die Rednerliste schon geschlossen war, riefen die Berliner und Berliner „Louise, Louise!!“. Sie wollten Louise Schroeder reden hören.

Sie starb 1957 im Alter von 70 Jahren. Kurz vorher wird sie zur ersten Ehrenbürgerin West-Berlins ernannt.

1998 wurde durch den Berliner Senat die Louise-Schroeder-Medaille gestiftet.
Die Medaille wird jeweils am 2. April, dem Geburtstag Louise Schroeders, durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses für besondere Verdienste um Demokratie, Frieden, soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung von Männern und Frauen verliehen
Am Haus Boelckestraße 121 in Tempelhof erinnert heute eine Gedenktafel an den letzten Berliner Wohnsitz Louise Schroeders.

Verabschiedung

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass Ihnen die Führung gefallen hat. Ich habe mich bemüht – wie anfangs angekündigt – den Schwerpunkt dieses Mal auf die Persönlichkeiten, die hier im Haus wirkten, zu legen. Dennoch denke ich, war es möglich, auch bezogen auf die Räume Atmosphäre, Flair und Informationen aufzunehmen.

Zum Ende, möchte ich noch auf den nächsten Kiezspaziergang hinweisen.
Er findet am 15. März statt.
Treffpunkt ist um 14:00 Uhr am S-Bhf. Südkreuz (Hildegard-Knef-Platz / vor der Apotheke).
Wir werden von dort nach Tempelhof gehen und das historisch interessante Gebiet rund um die General-Pape-Straße erkunden.

Ich würde mich freuen, wenn Sie wieder dabei sind.