vom 12.04.2018
An den Vorstand der
Deutschen Bahn AG
Potsdamer Platz 2
10785 Berlin
Zur Kenntnis mit einem Unterstützerappell an:
- Fraktionen des Abgeordnetenhauses Berlin,
- Fraktionen der BVV Tempelhof-Schöneberg,
- Seniorenvertretung Tempelhof-Schöneberg,
- Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung,
- Landesbeirat für Menschen mit Behinderung,
- Landesseniorenvertretung
- Landesseniorenbeirat
Verteiler: Eisenbahnbundesamt, Außenstelle Berlin
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit Ende März ist der Bahnübergang Säntisstraße in unserem Bezirk geschlossen. Diese Maßnahme erfolgt im Rahmen des Ausbaus der Dresdner Bahn für den Bau einer Straße, die unter den Bahngleisen hindurch führt.
Für die bis 2021 andauernden Baumaßnahmen teilt die Deutsche Bahn in einer Pressemitteilung vom 16.03.2018 mit:
bq. Die provisorische Brücke soll den Anwohnern in der anstehenden Bauphase weiterhin ermöglichen die Bahnstrecke zu überqueren. Mobilitätseingeschränkte Anwohner können den südlich der Säntisstraße gelegenen Bahnübergang Buckower Chaussee zur Querung der S-Bahngleise nutzen.
Grundlage der Entscheidung der Genehmigungsbehörde für eine nicht barrierefreie Ausführung der Brücke sind unter anderem das zu erwartende geringe Aufkommen von mobilitätseingeschränkten Nutzern im Verhältnis zu den entstehenden Kosten für den Bau und die Instandhaltung einer barrierefreien Brücke.
Ungeachtet der bereits in 2011 unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Pläne erhobenen Einwände gegen die nicht barrierefreie Ausgestaltung der Querung, wurde diese nun realisiert.
Der Beirat von und für Menschen mit Behinderung des Bezirks Tempelhof-Schöneberg hat sich auf seiner Sitzung am 28. März 2018 anlässlich unmittelbarer eigener Betroffenheit und einer Bürgerbeschwerde mit diesem Thema befasst und protestiert gegen diese mobilitätsbeschränkende Maßnahme der Deutschen Bahn und deren Genehmigung durch das Eisenbahnbundesamt auf Schärfste.
Die Argumentation der Bahn und der Genehmigungsbehörde verkennt zudem, dass die nicht barrierefreie Querung nicht nur Menschen mit Behinderung trifft, sondern die Brücke auch für Menschen mit Kinderwagen oder Fahrradfahrer ein nicht bezwingbares Hindernis darstellt.
Hinzu kommt die lange Bauzeit mit mindestens drei Jahren. Es handelt sich also um deutlich mehr als temporäre Beeinträchtigungen.
Der durch die Bahn angebotene Umweg über den Bahnübergang Buckower Chaussee stellt bei Lichte betrachtet keine auf Dauer praktikable Lösung dar. Hätten sich die Verantwortlichen die Lage vor Ort angesehen, wäre ihnen aufgefallen, dass diese Querung nicht etwa nur 400 Meter zusätzliche Wegstrecke bringt. Dies ist nämlich die Luftlinie. Laut Google Maps betragen die Umwege vom Übergang Säntisstraße bis zum Übergang Buckower Chaussee auf westlicher Seite der Gleise einen Kilometer, auf östlicher sogar 2,5 Kilometer. Ein erheblicher und für Menschen mit Behinderung nicht zumutbarer Umweg für einen langen Zeitraum.
Kaum nachvollziehbar ist auch die Behauptung, es gäbe nur ein „geringes Aufkommen mobilitätseingeschränkter Nutzer“. Eine Datenbasis nennt weder die Bahn noch das Eisenbahnbundesamt für diese Einschätzung. Darüber hinaus verkennt diese Behauptung die zentrale Bedeutung von selbstbestimmter Mobilität für Menschen mit Behinderung: Mobilität ist eine Voraussetzung für Inklusion, Partizipation und gesellschaftliche Teilhabe.
Der Anspruch auf Mobilität behinderter Menschen steht – anders als es die Argumentation vermuten lässt –nicht unter dem Vorbehalt einer Mindestanzahl von Menschen mit Behinderung.
Der von Ihnen angeführte Kostenvorbehalt ist weder nachvollziehbar (welche Kosten werden ins Verhältnisgesetzt), noch entbindet dieser das Vorhalten angemessener Vorkehrungen zur Kompensation der fehlenden Barrierefreiheit.
Die Verpflichtung langandauernde Baustellenmaßnahmen so einzurichten, dass sie keine zusätzlichen Barrieren errichten, sollte für ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die sich gerne mit der Barrierefreiheit seiner Angebote rühmt, eine Selbstverständlichkeit darstellen.
Umso unverständlicher ist es, dass diese klar gegen die UN-BRK und das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) verstoßende Maßnahme durch die Genehmigungsbehörde mit mehr als „dünner“ Begründung abgesegnet wurde.
Eine zumutbare barrierefreie Querung an der Säntisstraße ist daher unverzüglich einzurichten.
Für die „zur Kenntnisnehmer_innen“
Im Namen des Beirates von und für Menschen mit Behinderung bitte ich Sie daher, unseren Protest zu unterstützen, um die zentrale Bedeutung selbstbestimmter Mobilität auch während der Bauphase an dieser Querung durch die Deutsche Bahn und das Eisenbahnbundesamt sicherzustellen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Marion Wilhelm
Vorsitzende des Beirates von und für Menschen mit Behinderung