Erklärung des Bündnisses gegen Antisemitismus Tempelhof-Schöneberg

In der Sitzung vom 7. Juni 2022 ratifizierten die Mitglieder der Steuerungsgruppe des Bündnisses gegen Antisemitismus Tempelhof-Schöneberg ein gemeinsames, öffentliches Positionspapier. Eckpfeiler sind das Berliner Landeskonzept gegen Antisemitismus und die IHRA-Arbeitsdefinition. Grundsätzlich agiert das Bündnis gegen alle Erscheinungsformen von Antisemitismus.

Schriftlich zu Papier gebracht sind nun Ziele, nach denen das Bündnis und seine Mitglieder arbeiten.

Erklärung des Bündnisses gegen Antisemitismus Tempelhof-Schöneberg

Antisemitismus ist Teil unserer gesellschaftlichen Gegenwart und tritt auch im Bezirk Tempelhof-Schöneberg in unterschiedlicher Weise, beispielsweise in Form von antisemitischen Beschimpfungen und Angriffen im öffentlichen Raum oder in Schulen, als sprachliche Gewalt, als Sachbeschädigung an jüdischen Institutionen oder an Orten der Erinnerung an die Shoa auf.

Das Bündnis gegen Antisemitismus Tempelhof-Schöneberg gründete sich 2021 auf Initiative des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg bzw. der damaligen Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler, um Antisemitismus auf bezirklicher Ebene zu begegnen.

Das Bündnis agiert als vernetzende Schnittstelle und Forum zu Antisemitismus im Bezirk. Es plant Veranstaltungen, die ggf. von Bündnismitgliedern und/oder bezirklichen Initiativen umgesetzt werden, etabliert einen regelmäßigen Austausch mit Zivilgesellschaft und Verwaltung im Bezirk und vermittelt bei Bedarf bestehende Beratungs- und Bildungsangebote zu Antisemitismus an relevante Zielgruppen im Bezirk. Ziel des Bündnisses ist die Schaffung größerer öffentlicher Resonanz für die fortdauernde Relevanz von Antisemitismus und für die Bedrohung, die von Antisemitismus ausgeht. Ziel des Bündnisses ist außerdem die Erhöhung der Sichtbarkeit jüdischer Realitäten in ihrer Vielfalt in Tempelhof-Schöneberg. Das Bündnis bemüht sich dazu um die Einbindung von Erfahrungen, Bedarfen und Perspektiven jüdischer Menschen und Gemeinschaften.

Das Bündnis gegen Antisemitismus Tempelhof-Schöneberg ist ein partizipatives Gremium, das von der Mitwirkung bezirklicher Akteur_innen lebt, die sich mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen im Engagement gegen Antisemitismus einbringen. Zu den Mitgliedern des Bündnisses zählen darum neben den Mitgliedern der Steuergruppe (Mitgliedsorganisationen siehe unten) eine wachsende Zahl bezirklicher Aktiver.

Grundsätze

Verbindliche Arbeitsgrundlage aller Mitglieder und Kooperationsparter_innen des Bündnisses gegen Antisemitismus Tempelhof-Schöneberg ist in Übereinstimmung mit dem Berliner Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismusprävention die IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus in ihrer erweiterten Form. Ihr nach ist Antisemitismus zu verstehen als eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.

Zur wirksamen Intervention gegen Antisemitismus baut das Bündnis auf die Einbeziehung vieler verschiedener Perspektiven. Im Bewusstsein der Kluft zwischen den Perspektiven von von Antisemitismus betroffenen und nichtbetroffenen Menschen ist dem Bündnis die Einbeziehung von Jüdinnen und Juden bzw. ihrer Sichtweisen und Einschätzungen ein besonders Anliegen.

Das Bündnis reagiert nicht ausschließlich auf radikale (manifeste) Formen von Antisemitismus, sondern problematisiert auch die scheinbar weniger aggressiven. Antisemitismus tritt in vielen verschiedenen Formen auf (sprachlich, in Bildern, in stereotypen Zuschreibungen und Erwartungshaltungen an Juden und Jüdinnen, in der Ignoranz jüdischen Perspektiven gegenüber usw.) und auch aus Unkenntnis oder mangelnder Sensibilität erfolgte Äußerungen/Handlungen mit antisemitischem Gehalt entfalten ihre Wirkung. Antisemitismus darf nicht auf physische Gewalt verengt werden.

Zu den Grundsätzen des Bündnisses zählt, dass jede Form von Antisemitismus thematisiert und problematisiert wird, unabhängig davon, wo sie zu Tage tritt oder wer sie äußert. Antisemitismus tritt nicht nur in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen auf und stellt kein individuelles Vorurteil dar. Vielmehr verweisen einzelne antisemitischen Einstellungen, Äußerungen und Handlungen auf antisemitische Traditionen, in der eine lange Kontinuität sichtbar wird, die keineswegs auf die Vergangenheit beschränkt sind. Antisemitismus besitzt einen gesamtgesellschaftlichen und strukturellen Charakter. Über diesen hinwegzusehen und Antisemitismus nur bei einzelnen Personen oder Trägergruppen dingfest zu machen, führt zu einer Auslagerung des Phänomens auf jeweils „problematische Andere“.
Bedeutsam für eine gelingende Arbeit gegen Antisemitismus ist das Wissen um die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Diskriminierungsformen. Sie treten häufig gemeinsam auf und teilen einige Strukturmerkmale (wie das Fremdmachen der mutmaßlich „Anderen“). Für ein wirksames Engagement gegen Antisemitismus ist gleichzeitig Wissen um seine Besonderheiten von Antisemitismus gegenüber anderen Ungleichheitsideologien wichtig (Antisemitismus als Weltbild, die Fantasie jüdischer Macht oder der Glaube an Verschwörungen). Die Anerkennung eines spezifischen Charakters von Antisemitismus bedeutet dabei nicht, dass andere Ungleichheitsideologien wie etwa Rassismus als weniger gravierend verstanden werden.

In diesem Sinne setzt das Bündnis Impulse und koordiniert die Arbeit von lokalen Initiativen, die sich den gemeinsamen und hier ausformulierten Grundsätzen verpflichtet fühlen und Antisemitismus im Rahmen ihrer jeweiligen Projekte und Maßnahmen einzudämmen versuchen.

Bündnis gegen Antisemitismus Tempelhof-Schöneberg

Logo Gemeinsam in Tempelhof-Schöneberg - Demokratie leben!

Die Gründung des Bündnisses erfolgt im Rahmen der Partnerschaft für Demokratie „Gemeinsam in Tempelhof-Schöneberg – Demokratie leben!“. Diese wird vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg sowie Arbeit und Leben Berlin-Brandenburg DGB/VHS e. V. im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) umgesetzt. Sie ist Teil des Förderprogramms „Demokratie leben!“. Das Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der ZWST e.V. koordiniert den Aufbau und die Arbeit des Bündnisses im Auftrag der Partnerschaft für Demokratie.

Förderlogos der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung sowie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend