Benennung der Ingrid-Rabe-Straße

Ein doppeltes Straßenschild; oben steht Ingrid-Rabe-Straße und unten steht Straße 229 durchgestrichen.

Pressemitteilung Nr. 143 vom 28.04.2023

Am heutigen Freitag wurde die Straße 229 in Berlin-Mariendorf in Ingrid-Rabe-Straße umbenannt. Mit einem feierlichen Akt wurde das Straßenschild enthüllt und mit Rede-Beiträgen von Frau Vera Dehle-Thälmann, Sprecherin der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V., Frau Dr. Andrea Genest, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Herrn Guido Bochat, Enkel Ingrid Rabes, und Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck das Leben und Wirken Rabes gewürdigt.
Im vergangenen Jahr hatte die Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg hierzu einen entsprechenden Beschluss (Drucksache 2054/XX) gefasst.

Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck:

bq. “Ich freue mich sehr, dass eine weitere Straße im Bezirk Tempelhof-Schöneberg nun den Namen einer sehr verdienten weiblichen Persönlichkeit tragen wird. Ingrid Rabe hat in Sachen Erinnerungskultur zu ihren Lebzeiten herausragendes geleistet. Mit dem von ihr mit ins Leben gerufenen “Frauenmärz” ist alljährlich im unseren Bezirk ein wiederkehrendes Vermächtnis ihres beeindruckenden Wirkens erlebbar.”

Guido Bochat (Enkel Ingrid Rabes):

bq. “Meine Großmutter war die beeindruckendste Frau die ich jemals kennenlernen durfte, neben meiner Mutter, meinen Schwestern, meiner Frau und überhaupt jeder Frau, die ich jemals kannte, aber meine Großmutter war sogar noch mehr als manche Andere.
Durch sie habe ich erst verstanden, wie stark Frauen sein können, wie stark Frauen sind. Die Rollenbilder, mit denen ich aufgewachsen bin, haben mir stets etwas Anderes vermittelt, doch je mehr ich sie erlebte und von ihr aber vor allem auch von meiner Mutter Jeanine Bochat, ihrer Tochter, über sie, ihre Vergangenheit und die ihrer Mutter erfahren habe, umso beeindruckter war ich.
Nun könnte man sicherlich argumentieren, dass harte Zeiten starke Menschen hervorbringen. Da ist auch definitiv etwas dran, jedoch ist es am Ende der Charakter eines Menschen, der entscheidet, wie sie oder er handelt, wenn es hart wird im Leben – und wenn Ingrid Rabe eines hatte, dann war es Charakter.
Wo andere weggeschaut haben, hat sie hingezeigt. Wo andere geschwiegen haben, hat sie laut geschrien und wo andere nur rumgestanden sind, hat sie getanzt.
Trotz all des Schmerzes, der ihr Leben zu großen Teilen überschattete, hat sie nie vergessen, wie man lebt.
Auf ihrer Beerdigung hat auf ihren Wunsch hin niemand etwas Schwarzes getragen und auf dem Weg von der Kapelle zum Grab wurde die Trauergemeinschaft von einer kleinen Dixieland Band angeführt. Ich finde, das sagt fast alles aus, was Mensch über sie wissen muss.
Hoffentlich wird dies nicht die letzte kleine Straße sein, die nach einer großen Frau benannt wird. Schließlich gibt es mehr als genug Große, die nach “kleinen” Männern benannt wurden.”

Biographie - Ingrid Rabe (1916 bis 2012)

Ingrid Rabe wurde als Ingrid Lugebiel 1916 in Berlin geboren. Sie machte eine Ausbildung als Tänzerin und übte diesen Beruf lange Zeit ihres Lebens erfolgreich aus.

Ingrid Rabes Mutter wurde im Jahr 1943 durch die Nationalsozialisten verhaftet und anschließend in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück eingewiesen. Die Tochter blieb lange Zeit ohne Wissen um das Schicksal und Wohlergehen ihrer Mutter, die bis zur Befreiung im Lager inhaftiert blieb. Erst Ende 1945 wurde sie durch die Truppen der Roten Armee befreit.

Geprägt durch die Zeit des Nationalsozialismus engagierte sich Ingrid Rabe zusammen mit ihrer Mutter in der Lagergemeinschaft Ravensbrück, deren Gründungsmitglied sie war. Sie war ebenfalls Mitglied in der in Boston gegründeten Initiative „One by One“, einer Gruppe, in der sich Kinder von Verfolgten des Nationalsozialismus und Kinder von Tätern und Mitläufern begegnen.

In Berlin-Tempelhof hatte Ingrid Rabe den Frauenmärz mitbegründet. Andere Bezirke nahmen sich dies zum Vorbild und organisierten ihren “eigenen” Frauenmärz.

Ihre politische Arbeit verstand Ingrid Rabe Generationen übergreifend. Deshalb bemühte sie sich stets um Austausch und Dialog mit Menschen aller Altersgruppen.

Nie in einer Partei organisiert, betrachtete sich Ingrid Rabe als politischen Menschen, der sich gegen Unrecht einsetzt. Vielen jungen Menschen war sie mit ihrer Toleranz, Offenheit und Neugier zum Vorbild geworden.

2005 wurde sie für ihre Arbeit mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Am 20. Juni 2012 verstarb Ingrid Rabe.