01 Gut Miteinander umgehen
Die Beteiligung soll neutral begleitet und moderiert werden, um den Positionen einzelner Personen oder Gruppen keinen Vorrang im Beteiligungsprozess zu geben. Dabei ist sicherzustellen, dass die Moderation wirklich neutral ist. Das kann auch beinhalten, verschiedene Menschen und Personengruppen aktiv und direkt anzusprechen.
Grundsätzlich ist auf die Verwendung einer verständlichen Sprache (zum Beispiel mehrsprachig und ohne Abkürzungen) zu achten.
Im Rahmen eines Beteiligungsprozesses ist der Umgang miteinander so zu regeln, dass sich alle Beteiligten respektvoll und wertschätzend begegnen. Das bedeutet konkret,
- Transparenz über Interessen, Rollen sowie Entscheidungskompetenzen herzustellen
- gute Kommunikation durch Wissenstransfer über Zuständigkeiten zu fördern
- Vertrauen und Verständnis zwischen den Akteur_innen aufzubauen
- Rahmenbedingungen für Beteiligung zu benennen (zum Beispiel Zeitrahmen und Beteiligungsspielraum)
- Bürger_innen wenn möglich schon bei der Formulierung von Projektzielen mit einzubeziehen
- ehrlich zu sein
- für unterschiedliche Meinungen Raum zu lassen und sie zu dokumentieren.
Einwände sind ein wichtiger Bestandteil von Beteiligungsprozessen. Sie können sich auf Inhalte von Planungen, aber auch auf die Beteiligung bei der Planung beziehen. Einwände sollen dokumentiert werden, und es soll eine Stellungnahme der für die Planung verantwortlichen Verwaltung dazu geben. Für alle Beteiligten soll klar werden, wann und in welcher Form im Beteiligungsprozess diese Stellungnahme erfolgt. Dabei soll auch deutlich gemacht werden, welche Stelle letztlich über die Annahme oder Ablehnung der Einwände entscheidet.
Näheres ist im Kapitel des Instruments Beteiligungskonzept beschrieben.
02 Bürger_innen in Beteiligungsprozessen stärken
Die Leitlinien sollen die Einbeziehung von Bürger_innen und anderen Akteur_innen der Stadtgesellschaft erleichtern. Beteiligung ist auch eine Form von freiwilligem, ehrenamtlichem beziehungsweise bürger_innenschaftlichem Engagement und politischer Teilhabe, die gefördert werden soll.
Dazu gehört auch die Stärkung und Einbindung von Menschen und Personengruppen, die sich nicht von sich aus beteiligen, damit sie ihre Interessen im Beteiligungsprozess vertreten können.
Eine Anlaufstelle für Beteiligung von Bürger_innen im Bezirk soll ermöglichen, dass sich die Tempelhof-Schöneberger_innen zu geregelten Öffnungszeiten mit Mitarbeiter_innen auf die Beteiligung in Prozessen und Projekten des Bezirkes vorbereiten und ihre Bedarfe, Empfehlungen, Ideen und Positionen einbringen können. Die Beteiligung wird auf Anregung von Politik, Verwaltung oder Bürger_innen sowie Akteur_innen aus Wirtschaft und organisierter Zivilgesellschaft durchgeführt.
Die Bürger_innen sollen frühzeitig und über verschiedene geeignete Informationskanäle informiert werden, sodass sie Beteiligung auch anregen können, wenn diese nicht vorgesehen ist.
Näheres ist in den Kapiteln der Instrumente Anlaufstelle, Anregung von Beteiligung, Vorhabenliste und Beteiligungskonzept beschrieben.
03 Entscheidungsspielräume festlegen und darin Ergebnisoffenheit garantieren
Der Entscheidungsspielraum soll vor Beginn eines Beteiligungsprozesses (schriftlich) offengelegt und erläutert werden. Innerhalb dieses Spielraums ist das Ergebnis eines Beteiligungsprozesses offen.
Die Stelle, die für einen Prozess oder ein Projekt verantwortlich ist, soll klar benennen und darstellen, zu welchen Punkten, zu welcher Zeit (Anfang und Ende) und auf welcher Ebene Einflussmöglichkeiten für die Bürger_innen bestehen. Des Weiteren sind bestehende Grenzen offenzulegen und es soll deutlich gemacht werden, wer auf welcher Grundlage nach Abschluss der Beteiligung entscheidet. Dazu gehört auch, die angestrebten Ziele einer Planung oder eines Projektes und der Beteiligung zu kommunizieren und Varianten aufzuzeigen.
Näheres ist in den Kapiteln der Instrumente Vorhabenliste und Beteiligungskonzept beschrieben.
04 Frühzeitig informieren und einbeziehen
Die Beteiligung von Bürger_innen an Prozessen und Projekten soll frühzeitig beginnen. Frühzeitig bedeutet, dass Beteiligung bereits in der Phase der Analyse des Ortes, des Beteiligungsgegenstandes und in der Phase der Zielfindung stattfinden muss. Denn hier werden entscheidende Weichen gestellt.
Zur frühzeitigen Beteiligung von Bürger_innen gehört im Vorfeld auch eine frühzeitige Information über die Projekte und Beteiligungsmöglichkeiten in einer Vorhabenliste.
Es muss für die Bürger_innen genügend Zeit bestehen, sich sachkundig zu machen. Hierfür müssen ihnen die notwendigen Zugänge und eine unabhängige fachliche Beratung zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung stehen.
Diese frühzeitigen Informationen sollen aktiv durch die Nutzung verschiedener Informationskanäle (zum Beispiel per Flyer, Newsletter, Zeitungen und Aushänge in jeweiligen Lebensweltlich orientierten Räumen (LOR)) an die Bürger_innen herangetragen werden. Dabei sind Erkenntnisse und Methoden nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik zu berücksichtigen (zum Beispiel gute Erfahrungen aus anderen Kommunen).
Näheres ist in den Kapiteln der Instrumente Anlaufstelle, Vorhabenliste und Beteiligungskonzept beschrieben.
05 Viele Verschiedene beteiligen
Die Beteiligung soll möglichst viele verschiedene Bürger_innen und Zielgruppen erreichen. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass alle relevanten Altersgruppen berücksichtigt, aktiv und direkt angesprochen werden, um ihre Teilnahme im Beteiligungsprozess sicherzustellen. Es sollen auch diejenigen Bürger_innen angesprochen werden, die sich selten beteiligen oder die indirekt von einer Planung betroffen sind. Dafür sollte der Zugang über quartiersnahe Organisationen genutzt werden, die diese Menschen erreichen oder deren Interessen aktiv im Beteiligungsprozess vertreten können.
Auch die privaten, öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen sollen zur Beteiligung von Bürger_innen und zur Anwendung der Leitlinien motiviert werden. Die öffentlichen Projekte sollen und können hierfür beispielgebend sein.
Beteiligung ist für alle Bürger_innen offen. Abhängig vom jeweiligen Prozess oder Projekt wird aber geklärt und im Beteiligungskonzept dargestellt, wer besonders betroffen und einzubeziehen ist.
Um möglichst viele und verschiedene Bürger_innen zu erreichen und für eine Beteiligung zu aktivieren, sollen eine zielgerichtete, niedrigschwellige, barrierefreie und spezifische Ansprache (zum Beispiel durch den Einsatz leichter Sprache und Mehrsprachigkeit), Öffentlichkeitsarbeit und aktive Werbung für Beteiligung erfolgen.
Nach Abschluss eines Beteiligungsprozesses ist die Vielfalt der Teilnehmer_innen zu dokumentieren und im Hinblick auf erfolgreiche Methoden zu evaluieren.
Näheres ist im Kapitel des Instruments Beteiligungskonzept beschrieben.
06 Für Information und Transparenz sorgen
Im Sinne einer ehrlichen und offenen Aufklärung und zur Schaffung von Transparenz sollen bei bezirklichen Projekten wichtige Informationen in einer Vorhabenliste veröffentlicht werden. Bei Beteiligungsprozessen sind zudem alle vorliegenden wichtigen Angaben zu Rahmenbedingungen und Auswirkungen auf bestehende Strukturen bekannt zu machen.
Die Informationen (inkl. der Prozessschritte und Stand der Bürger_innen-Einwände (siehe auch 7. Grundsatz)) sollen für die Bevölkerung verständlich, zielgruppenbezogen und gut zugänglich über eine zentrale Beteiligungsplattform sowie auf herkömmlichen Kommunikationswegen (zum Beispiel Öffentlichkeitsarbeit in den Medien, (wenn machbar) Radio, Social Media, Flyern) im öffentlichen Raum und in öffentlichen Gebäuden kontinuierlich bereitgestellt werden.
Zusätzlich sollen Bürger_innen von den Entscheidungsgremien eingebunden werden und schriftlich und/oder mündlich Stellung nehmen können.
Näheres ist in den Kapiteln der Instrumente Vorhabenliste und Beteiligungskonzept beschrieben.
07 Verbindlich Rückmeldung zu den Ergebnissen der Beteiligung geben
Bürger_innen erwarten zu Recht, dass ihr Engagement und die Ergebnisse ihrer Beteiligung gewürdigt und berücksichtigt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Entscheidungsspielraum erläutert wird. Die Beteiligung soll den Grundsätzen dieser Leitlinien und den Erwartungen der Bürger_innen an qualitätsvolle Beteiligung entsprechen.
Deshalb muss zu den Ergebnissen der Beteiligung und somit zu den Empfehlungen und Anforderungen der Bürger_innen verbindlich eine schriftliche Rückmeldung öffentlich erfolgen („Rechenschaftspflicht“).
Die Rückmeldung über die Berücksichtigung der Ergebnisse ist transparent und nachvollziehbar zu formulieren.
Es soll deutlich werden, wie die Empfehlungen der Bürger_innen in die Entscheidungen eingeflossen sind. Wenn Empfehlungen nicht berücksichtigt wurden, soll dies begründet werden.
Näheres ist im Kapitel des Instruments Beteiligungskonzept beschrieben.
08 Ausreichend Budget und Ressourcen bereitstellen
Für die Vorbereitung, Durchführung und Bewertung der Beteiligung von Bürger_innen bei bezirklichen Projekten ist im Bezirkshaushalt frühzeitig ein konkret beziffertes ausreichendes Budget (für personelle Ressourcen (fachlich und zeitlich) und Sachmittel für die Anlaufstelle und die betroffenen Fachämter beziehungsweise Serviceeinheiten) einzuplanen. Für die Instrumente Anlaufstelle, Vorhabenliste und, sofern etabliert, für den Beteiligungsbeirat sollen die dem Bezirk zur Erfüllung der Aufgaben bereitgestellten Mittel der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen eingesetzt werden: Die bezirklichen Anlaufstellen erhalten ein eigenes Budget. In den Haushaltsansätzen für einzelne Prozesse und Projekte von Senat und Berliner Bezirken sind jeweils die für einen Beteiligungsprozess erforderlichen Finanzmittel durch die Projektträger einzustellen.
Träger_innen von privaten Bauvorhaben sollen von Politik und Verwaltung angehalten werden, auch ein Budget für die Beteiligung von Bürger_innen einzubringen, die über die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung hinausgeht.
09 Leitlinien begleiten, bewerten und weiterentwickeln
Optional soll ein Gremium (beispielsweise ein Beteiligungsbeirat) zur begleitenden Evaluation der Umsetzung der Leitlinien und der Arbeit der Anlaufstelle geschaffen werden. Durch dieses Instrument soll mit einer breiten Öffentlichkeit und Teilnehmer_innen von Beteiligungsprozessen die Umsetzung und Wirksamkeit der Leitlinien diskutiert und Empfehlungen für Anpassungen formuliert werden.
Das Instrument soll nach dem Vorbild des Arbeitsgremiums eingesetzt werden, das die bezirklichen Leitlinien für die Beteiligung von Bürger_innen in Tempelhof-Schöneberg erarbeitet hat. Aufgabe des Instruments ist die Prüfung und Weiterentwicklung der Leitlinien sowie die Kontrolle ihrer Umsetzung. Auch hierfür sind entsprechende Haushaltsmittel fest einzuplanen.
Bei der Bewertung laufender und abgeschlossener Beteiligungsprozesse sind auch Erfahrungen mit der Beteiligung von Bürger_innen aus dem Quartiersmanagement und aus anderen bürger_innennahen Prozessen und Programmen einzubeziehen. Die Beteiligung ist in allen Projekten des Bezirks zu dokumentieren und zu veröffentlichen. Das schafft eine Grundlage, um die Umsetzung der Leitlinien in der Praxis auszuwerten. Auf dieser Basis sollen die Leitlinien weiterentwickelt werden.
Näheres ist im Kapitel des Instruments Beteiligungsbeirat beschrieben.