Drucksache - 0229/XIX-22
Sachverhalt:
Text siehe Anlage Bezirksamt Reinickendorf von Berlin 26.02.2013 Abteilung Finanzen, Liegenschaften und Personal
An die Drucksache Nr. 0229-22 Bezirksverordnetenversammlung XIX. WP von Berlin-Reinickendorf
Vorlage zur Kenntnisnahme für die Bezirksverordnetenversammlung
Transparente und moderne Öffentlichkeitsarbeit im Bezirk Reinickendorf - Verwendung der Tonprotokolle
Ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen:
In der Erledigung des Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung vom 13.09.2012 - Drucksache Nr. 0229/XIX-22 - :
"Der Geschäftsordnungsausschuss der BVV wird gebeten, zeitnah Regeln für die Nutzung der digitalen Tonprotokolle aufzustellen und in der Geschäftsordnung zu verankern.
Dabei sollen die Tonaufzeichnungen der BVV-Sitzungen im Bürger- und Ratsinfo zugänglich sein, Aufzeichnungen der Ausschüsse lediglich für die Mitglieder der BVV und das Bezirksamt zur Verfügung stehen."
wird gemäß § 13 BezVG berichtet:
Der Beschluss der BVV richtet sich an den Geschäftsordnungsausschuss der BVV. Dennoch möchte das Bezirksamt auf folgende rechtliche und verfahrensmäßige Aspekte hinweisen. In Abhängigkeit von der Berücksichtigung dieser Aspekte durch die BVV wird das Bezirksamt ggf. sein bisheriges Verhalten / Verfahren in der BVV und in Ausschusssitzungen neu ausrichten müssen.
Auch Bild- und Tonmaterial ist grundsätzlich Archivgut gemäß Archivgesetz Berlin (ArchGB). Deshalb sind auch Tonprotokolle aus den Ausschüssen oder der BVV Unterlagen i.S.d. § 3 Abs. 1 und 3 ArchGB, die zunächst aufbewahrt und später dem Landesarchiv Berlin zur Entscheidung über deren Archivwürdigkeit vorgelegt werden müssten. Gem. § 61 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung (GGO I) sind die Aufbewahrungsfristen durch die Behörde selbst festzulegen, soweit die Dauer der Aufbewahrung der Unterlagen nicht durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrift festgelegt ist. Eine solche Vorschrift ist hier nicht erkennbar. Das Ende der Aufbewahrungsfrist bestimmt sich nach der Dokumentationsfunktion der Akte für die Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns, nach der Sicherung von Rechten und Pflichten sowie bei nicht personenbezogen geführten Akten zusätzlich nach der Wirtschaftlichkeit und ist so kurz wie möglich festzusetzen.
Zur Wirkung von Tonprotokollen muss zunächst auf eine Textpassage im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.1990, 7 C 14/90, hingewiesen werden. Gegenstand der Entscheidung war die Untersagung von Tonaufzeichnungen durch Pressevertreter bei öffentlichen Gemeinderatssitzungen. "Auch das Recht des Ratsmitglieds auf freie Rede, das nicht in der höchstpersönlichen Rechtssphäre gründet, kann durch die Aufzeichnung auf Tonband faktisch empfindlich tangiert werden. . Eine von psychologischen Hemmnissen möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre gehört zu den notwendigen Voraussetzungen eines geordneten Sitzungsbetriebs, den der Ratsvorsitzende zu gewährleisten hat. Das beruht auf dem legitimen, letztlich in der Gewährleistung der Selbstverwaltung durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten öffentlichen Interesse daran, dass die Willensbildung des Rates als demokratisch legitimierter Gemeindevertretung ungezwungen, freimütig und in aller Offenheit verläuft. Von daher kann die von den Vorinstanzen anerkannte Besorgnis nicht vernachlässigt werden, dass insbesondere in kleineren und ländlichen Gemeinden weniger redegewandte Ratsmitglieder durch das Bewusstsein des Tonmitschnitts ihre Spontaneität verlieren, ihre Meinung nicht mehr "geradeheraus" vertreten oder schweigen, wo sie sonst gesprochen hätten. Denn Tonbandaufzeichnungen zeitigen nun einmal für das Verhalten der Betroffenen erhebliche Wirkung, weil sie jede Nuance der Rede, einschließlich der rhetorischen Fehlleistungen, der sprachlichen Unzulänglichkeiten und der Gemütsbewegungen des Redners, dauerhaft und ständig reproduzierbar konservieren. .."
Dies gilt natürlich erst Recht für Dienstkräfte der Bezirksverwaltung oder für Bürgerdeputierte in Ausschüssen oder für Bürgerinnen und Bürger im Rahmen von Äußerungen in der BVV (z.B. Einwohnerfragestunde).
Weiterhin maßgebend zur rechtlichen Beurteilung von Tonprotokollen sind die Begriffe "Recht auf Informationelle Selbstbestimmung" und "Recht am eigenen Wort".
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) leitet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ab und beschreibt damit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Ein Eingriff in das ,,Recht auf informationelle Selbstbestimmung" liegt somit u.a. vor, sobald der Staat die Bekanntgabe persönlicher lnformationen verlangt, diese einer (insbesondere automatisierten) Datenverarbeitung (d.h. auch digitale Tonaufzeichnung) zuführt oder diese lnformationen - auf welche Weise er sie auch immer erhalten hat - an Dritte, auch an andere Behörden oder die Öffentlichkeit übermittelt. Diesbezügliche Dateneingriffe dürfen staatlicherseits nur vorgenommen werden, wenn der Betroffene zustimmt oder der Dateneingriff von einer gesetzlichen Grundlage abgedeckt ist. Mangels einer eigenen Rechtsgrundlage für die Erfassung und Weitergabe der persönlichen Daten (hier mindestens des Namens und der dienstlichen Funktion bei Auskunftserteilung eines BA-Mitarbeiters bei einer BVV- oder Ausschuss-Sitzung) ist vorliegend eine jeweilige vorherige schriftliche Einwilligung des BA-Mitarbeiters für die digitale Aufzeichnung, spätere Veröffentlichung im lnternet oder eine Live-Übertragung im Internet erforderlich. Gleiches gilt für Bürgerinnen und Bürger, die sich in BVV oder Ausschüssen äußern. Für BA-Mitglieder bzw. Bezirksverordnete und Bürgerdeputierte sollte eine Zustimmung generell eingeholt werden, auch wenn für diesen Personenkreis - wie im weiteren ausgeführt wird - ein anderes Maß an öffentlichem Interesse dem eigenen Recht auf informationelle Selbstbestimmung entgegensteht.
Das sog. ,,Recht am eigenen Wort" (Art.2 Abs. 1 GG) schützt die Selbstbestimmung des Einzelnen über die eigene Darstellung seiner Person in der Kommunikation, d.h. die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, ob der lnhalt eines Gesprächs oder Schriftstücks nur dem Gesprächspartner bzw. Adressaten, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Das ,,Recht am eigenen Wort" dient dem Schutz des lndividuums in seiner Spontanität, wobei es gerade nicht auf bestimmte lnhalte und Örtlichkeiten begrenzt ist, sondern sich allein auf die Selbstbestimmung über die mittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation bezieht. Weiter wird aber auch das Recht selbst und allein bestimmen zu können, wer sein Wort aufnehmen soll, wie das geschieht sowie ob und vor wem seine auf Tonband aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf, geschützt. Allerdings ist nach einhelliger Auffassung nur das nichtöffentliche Wort geschützt. Dieser Schutz gilt auch nicht absolut. Ein Eingriff ist bei höherrangigen lnteressen, z.B. dem überwiegenden lnteresse der Allgemeinheit, zulässig, so dass der Schutzbereich nur durch eine Güter- und lnteressenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bestimmt werden kann. Eine Einschränkung des Rechts erfolgt auch bei Betätigungen im politischen Leben (hier für die BVV- und BA-Mitglieder sowie die Bürgerdeputierten), sofern sich innerhalb dieser Tätigkeit geäußert wird (Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 823 BGB, Rdnr. 28; BVerfG 34,238 (2aü; BVerfG 7, 198 ).
Das ,,Recht am eigenen Wort" wird danach bei einer digitalen Aufzeichnung und ggf. späteren Veröffentlichung solange nicht verletzt, wie sich der Betroffene in der Öffentlichkeit, d.h. in den öffentlichen BVV-Sitzungen und den öffentlichen Ausschusssitzungen äußert. Sobald jedoch Ausschuss-Sitzungen nicht öffentlich sind (§ 9 Abs. 3 BezVG), bedarf es vor einer digitalen Aufzeichnung und einer ggf. späteren Veröffentlichung einer vorherigen jeweiligen Einwilligung.
Angesichts der vorstehenden rechtlichen Ausführungen rät das Bezirksamt folgendes Verfahren durch den Geschäftsordnungsausschuss zu verankern.
In öffentlichen Sitzungen der BVV werden Tonprotokolle erstellt. Hierbei sind alle Redner/innen, die nicht Bezirksverordnete, Bürgerdeputierte oder BA-Mitglieder sind, jeweils vorher um Zustimmung zur Aufzeichnung zu bitten. Die Aufzeichnungen werden nicht öffentlich zugänglich gemacht. Ein Abhören der Aufzeichnung ist nur für das BVV-Büro (zur Protokollerstellung) sowie BVV- und BA-Mitglieder in Erledigung ihrer Aufgabe möglich. Die Aufbewahrung der Tonaufzeichnung erfolgt für die Dauer der laufenden Legislaturperiode.
In öffentlichen Ausschusssitzungen werden Tonprotokolle nur für die schriftliche Protokollerstellung aufgezeichnet. Hierbei sind alle Redner/innen, die nicht Bezirksverordnete, Bürgerdeputierte, BA-Mitglieder oder Mitarbeiter/innen des Bezirksamtes sind, jeweils vorher um Zustimmung zur Aufzeichnung zu bitten. Nach Bestätigung des schriftlichen Protokolls erfolgt die Vernichtung des Tonprotokolls. Vor der Vernichtung wird nur ein Zugriff durch an der Sitzung beteiligte Bezirksverordnete, Bürgerdeputierte, BA-Mitglieder bzw. beteiligte Mitarbeiter/innen der Verwaltung ermöglicht.
In nichtöffentlichen Sitzungen der BVV oder der Ausschüsse erfolgt keine Tonaufzeichnung.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Personalvertretungen und die Behördliche Datenschutzbeauftragte vor der Inkraftsetzung von Regelungen zu beteiligen ist, soweit davon Mitarbeiter/innen der Bezirksverwaltung betroffen sind.
Ich bitte, die Drucksache Nr. 0229/XIX-22 als Schlussbericht zu betrachten.
Frank Balzer Bezirksbürgermeister |
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